«Nein, eher zu unreif», sagte Roger Alberto Ende Mai 2024 am Elternforum des Gymi Immensee vor rund 50 Zuhörenden.

Er muss es wissen: Als emeritierter Professor der Uni Zürich, der schon rund 43 Doktoranden vom 1. Semester bis zum Dr. sc.nat. betreute, hat ein gutes Bild davon, was an den Gymnasien abgeht. Und er stellte eine These einer Studie der Konrad-Adenauer-Stifung in den Raum, die auf viel Zuspruch stösst: «Jemanden mit IQ 70 bekommt man nicht studierfähig.»

Alberto widersprach allerdings: Probleme an der Universität seien nicht auf mangelnde Vorbildung oder Intelligenz der Studienanfänger zurückzuführen und attestierte den Gymnasien in der Regel eine hohe Qualität, im Bewusstsein, dass es viele Unterschiede an Mittelschulen gibt.

Verstehen statt lernen

Nach einem kurzen Exkurs durch das System der Universitäten mit Grund-, Bachelor- und Masterstudium nahm er viel mehr die Maturandinnen und Maturanden in die Pflicht – und deren Eigenverantwortung bei der Studienwahl. «Bei mir haben Erstsemestrige begonnen, Chemie zu studieren, die in diesem Fachgebiet nichts wussten. Zeugt dieser Entscheid von Reife?», fragte er in die Runde. Man entlarve relativ schnell, wer sich für ein «Verlegenheitsstudium» entschieden, eine «Negativauswahl» getroffen oder den Studiengang wegen des Renommees gewählt habe. Auch in einem Fach gut oder schlecht zu sein, sei nicht in jedem Fall eine Entscheidungsgrundlage für die Studienwahl. «Kommt hinzu», so Alberto, «dass viele den Sinn eines Studiums nicht verstanden haben.» Er zitierte eine bei seinen Studentinnen und Studenten evaluierte Aussage, die aus vielen hervorstach: «Mir war nicht klar, was wir bei Herrn Alberto lernen müssen und was wir wirklich können müssen.» Seine Antwort: «Studierende sollen verstehen, nicht lernen.»

Selbstständigkeit als Schlüssel zur Reife

Rund ein Drittel derjenigen, die ihr Studium aufnehmen, verlassen die Universität vorzeitig ohne Abschluss. Die Gründe für einen Abbruch seien vielseitig, sagte Alberto. «Scheitern ist kein Versagen – vielmehr eine Erfahrung und Teil des Lebens. Und wer ein Studienfach wechselt, scheitert nicht, zumal es der modulmässige Aufbau erlaubt, dass man ECTS-Punkte in andere Studiengänge mitnehmen kann», führte Alberto weiter aus. Mit immer durchlässigeren Bildungssystemen sind die Hochschulen auf dem guten Weg.

Elternformum mit Roger Alberto m Gymnsium Immensee

Und wie kommt man zum richtigen Studium? Auch da appellierte Alberto an die Selbstständigkeit der Gymnasiastinnen und Gymnasiasten. Sie sollen sich gut über verschiedenen Anschlussperspektiven informieren und sich nicht einschüchtern lassen. Denn: «Weitsichtig und sich der Zukunft bewusst sein, wissen, was man will, die Folgen von eigenen Entscheidungen selbst tragen und die Konsequenzen hinter seinem Tun erkennen, ist eine gute Basis für den Reifeprozess, den jeder für sich allein durchmachen muss.» Und: «Auch Teamfähigkeit, Kommunikationsstärke und eine Frustrationstoleranz gehört dazu; jeder hat mal einen Durchhänger», sagte Alberto. Wenn Eltern, Verwandte und Freunde eine positive Rolle spielen sollten, dann, indem sie hier Unterstützung bieten, und nicht, indem sie ihren «Kindern» die Studienwahl abnehmen würden.

Fazit: «Ein Studium ist ein fachlicher und menschlicher Prozess und fördert die Persönlichkeitsreifung und Identitätsentwicklung», so Roger Alberto. Was gefördert werden soll, muss aber schon in der Gymnasialzeit angelegt worden sein.