Zum Jubiläum der Pfarrkirche St. Georg und Zeno Arth 1697-1997

 

Bild: Beat Marty, 1982

Inhaltsverzeichnis

  1. 300 Jahre – Eine Kirche mit Geschichte
    Vorwort von Paul Barth, Kirchenratspräsident
  2. «Consecratum 13 octobris 1697»
    Der Angelpunkt des Jubiläumsjahres
  3. «Gott zur Ehr und uns zur Wehr»
    Die alte Talkirche aus dem Jahre 1312
  4. Der Pfarrer und seine Magd
    Reformatorische Wirren in Arth im 16. Jahrhundert
  5. «Gesitteter als unsere Nonnen in Italien»
    Karl Borromäus in der Innerschweiz
  6. Als Bibellesen auf der Weidhuob endete
    Der Arther Handel von 1655
  7. «Sie vermeinten es seyen zweÿ TeüffeI»
    Berufung der Kapuziner nach Arth
  8. «Zu eng und ungestalt»
    Niederlegung der alten Kirche im Herbst 1694
  9. «Das Gotteshaus soll sinnenfreudig werden»
    Grundsteinlegung am 12.April 1695
  10. «Dem Höchsten Gott Zuo mehrer Ehr»
    Die Turmknopf-Urkunde von 1695
  11. Der Tag, an dem der Papst nach Arth kam
    Kirchweihe am 13. Oktober 1697
  12. Nicht schlüsselfertig abgegeben
    Die Kirche ist noch lange nicht vollendet
  13. Gerüttelt und geschüttelt
    Vom Turmsturm bis zum Hörner- und Klauenstreit
  14. Die beiden Hausherren
    Unsere Kirchenpatrone Georg und Zeno
  15. «Muttermilch Unserer Lieben Frau»
    Reliquien und Heiligenverehrung in Arth
  16. «Fromb sein ist gar guoth»
    Von der Frömmigkeit unserer Vorfahren
  17. «Die Lebenden ruf ich, die Toten beklag ich»
    Das Arthe Kirchengeläute
  18. «Lobet Gott mit Saitenspiel und Schalmei»
    Musik und Gesang im kirchlichen Leben
  19. «Von ruchloser Hand in den See geworfen»
    Das Schicksal des Kirchenschatzes
  20. «Ecclesia semper reformanda»
    Die Erneuerungsbedürftigkeit der Kirche
  21. Rückblick auf 1000 Jahre Arther Kirchengeschichte
    Eine kleine Chronologie
  22. Man soll die Feste feiern, wie sie fallen
    Das Programm des Jubiläumsjahres 1997
  23. Epilog
    Ein abschließendes Wort des Dankes
  24. Bildnachweis

1. 300 Jahre – Eine Kirche mit Geschichte

Vorwort von Paul Barth, Kirchenratspräsident

Am 13. Oktober 1997 werden es genau 300 [ahre her sein, dass unsere schöne Arther Pfarrkirche vollendet und feierlich eingeweiht wurde. Das ist ein Jubiläum, das es wert ist gefeiert zu werden. Ein vielfaltiges Angebot von verschiedensten Anlässen zur Erinnerung an dieses denkwürdige Ereignis durchzieht das ganze Jahr.

Es scheint uns aber auch sinnvoll, diesen Rückblick in die Geschichte unserer nunmehr 300-jährigen Barockkirche auch in eine Jubiläumsschrift einzufangen. Aus der Vergangenheit um die Kirche und mit der Kirche gibt es vieles, Interessantes und Wichtiges, zu erzählen und festzuhalten, das nicht in Vergessenheit geraten darf. Wir wollen es der Nachwelt überliefern, damit auch sie die Geschichte unseres Dorfes und unserer Gemeinschaft mit all ihrer Freude und ihrem Leide nachvollziehen kann.

Unsere Kirche machte Geschichte. Und wir sind eine Kirche mit Geschichte, denn die Generationen vor uns haben mit der Kirche gelebt, und auch für die meisten von uns Zeitgenossen ist die Kirche noch im Dorf. Die Besinnung auf unsere Wurzeln möge uns allen – jedem einzelnen und der Gemeinschaft als ganzer – Kraft und Freude schenken für den weiteren Weg und uns für eine lebenswerte Zukunft ermutigen.

Mitglieder des Organisationsationskomitees 300 Jahre Pfarrkirche St. Georg und Zeno Arth

2. «Consecratum 13 octobris 1697»

Angelpunkt des Jubiläumsjahres – anstelle einer Einleitung

Wer vom Arther Dorfplatz ins Hinterdorf geht, nimmt gerne den Weg über den Friedhof und schreitet unter dem Vorzeichen durch, welches die Kirche mit dem Turm verbindet. Und wer nach dem Blick in den Anschlagkasten auf die gegenüberliegende Seite schaut, der entdeckt an der Ecke des Kirchengebäudes eine Sandsteinplatte, auf der zu lesen steht, dass am 13. Oktober 1697 diese Kirche geweiht worden ist:

Kein geringerer als Michael Angelus Conti, Päpstlicher Nuntius bei der Eidgenossenschaft, hat die Kirche geweiht. Und wer weiss schon, dass damals ein künftiger Papst in Arth weilte und der hochfestlichen Zeremonie der Kirchweihe vorstand? Es muss ein Fest sondergleichen gewesen sein, von dem wir uns heute kaum mehr eine Vorstellung machen können. Es war ein ‘heiliges Schauspiel’, das sich über Tage hinwegzog; ein Geschehen, das den ganzen Menschen miteinbeziehen wollte: Leib, Seele, Geist und alle Sinne als Einheit ansprechend – den äusseren Menschen, der Freude am Fest hat, mehr aber noch den inneren Menschen, um den es im christlichen Glauben einzig geht.

Die Erinnerung an die Kirchweihe 1697 sei uns Angelpunkt für eine geschichtliche Besinnung auf unsere Vergangenheit in Kirche und Gesellschaft. Wir haben eine Kirche mit Geschichte – wir sind Kirche mit Geschichte. Eine Kirche, die – damals vielleicht mehr als heute – schicksalshaft verquickt war mit Gesellschaft und Politik. Eine Kirche, die in guten und in bösen Tagen untrennbar mit ihren Gliedern verbunden war und mit ihnen im Spannungsfeld von Toleranz und Intoleranz, von Engagement und Stolz stand.

Auch diese Jubiläumsschrift steht in diesem Spannungsfeld. Darum will sie nichts beschönigen. Sicher dürfen wir stolz sein auf eine reiche Vergangenheit. Aber manchmal müssen wir uns auch etwas schämen über die Härte und Selbstgefälligkeit unserer Ahnen. Mit ihren Händen haben sie Schönes und Dauerhaftes geschaffen – an ihren Händen aber klebt auch Blut. Wir sind als ihre Nachfahren schicksalshaft mit ihnen verbunden; wir tragen ihr Erbe in uns. Wenn wir uns dessen bewusst werden, können wir es zum Besseren wenden.

Die einzelnen Kapitel dieses Buches wollen nichts anderes als diese Geschichte – manchmal sind es ‘Geschichten’ – in Erinnerung rufen. Soweit es möglich und sinnvoll ist, lassen wir unsere eigenen Arther Quellen sprechen: alte Urkunden, Dokumente und andere Schriften, die im Pfarrarchiv, in den Turmknöpfen oder in den Schubladen Privater liegen. Sie geben von der Betroffenheit der Bevölkerung an dieser wechselvollen Vergangenheit unmittelbarer Zeugnis, als noch so gelehrte Geschichtswerke es tun können.

3. «Gott zur Ehr und uns zur Wehr»

Wo heute unsere schöne Pfarrkirche steht, stand schon Jahrhunderte vorher ein Gotteshaus, «gebauwen vor dem ersten Pundt». Es wurde im Herbst 1694 abgerissen, um einem barocken Neubau Platz zu machen. Sie sei «eng und ungestalt» gewesen, versichern uns die Alten; manche aber trauern der gotischen Kirche mit Spitzhelm nach, die in der Diebold-Schilling-Chronik von 1509 dargestellt ist.

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts, im Jahre 1312, gelangten die Arther Kirchgenossen an ihren Bischof in Konstanz und baten um die Erlaubnis, die beiden alten Kirchen St. Georg und St. Zeno abbrechen und an ihrer Stelle in der Talmitte eine neue gemeinsame Pfarrkirche bauen zu dürfen. Der Bischof beorderte daraufhin den zuständigen Dekan, den Pfarrer von Altdorf, nach Arth, damit dieser einen Augenschein nehme und um «genügende Bürgschaft dafür zu empfangen, dass sie die Kirche so schnell als möglich wieder aufbauen und den Ort der alten Kirche und Kapelle mit ihren geweihten Kirchhöfen nicht zu profanen Zwecken verwenden».

Die beiden Kapellen wurden nicht abgebrochen. Konnten die Arther den Schutz der Friedhöfe nicht garantieren? Wir wissen es nicht. Jedenfalls ist es ein Glücksfall, dass uns diese beiden Gotteshäuser – wenn auch in veränderter Form bis heute erhalten geblieben sind. Dass aber 1312 das Patrozinium der beiden alten Kirchen, des Heiligen Georg und des Heiligen Zeno von Verona, vereint auf die neue gemeinsame Pfarrkirche übertragen wurde, darf als Treue der Arther gegenüber ihren Schutzpatronen gewertet werden.

In der Talmitte zwischen dem vorderen und dem hinteren Dorf erhob sich nun diese neue Kirche. Sie stand quer zur heutigen Anlage und muss mit ihren Dimensionen von 16 x 25 Meter Platz für 1000 Personen geboten haben. Eine so grosse Kirche baut man aber nicht einfach so – selbst nicht ‘zur Ehre Gottes’! Unsere Vorfahren mussten ihre besonderen Gründe dafür gehabt haben.

Natürlich mögen die beiden alten Gotteshäuser, St. Georg und St. Zeno, zu klein und zu eng für die wachsende Bevölkerung geworden sein; vielleicht waren sie auch baufällig, so dass sich die Arther entschlossen haben, anstelle der beiden alten eine gemeinsame neue Kirche in der Talmitte zu bauen. Vielleicht spielten noch andere Gründe mit – politische beispielsweise. So mag der Ehrgeiz der jungen, sich selbst behauptenden Eidgenossenschaft dazu beigetragen haben, dass die neue Kirche etwas gar gross geraten ist. Die Arther wollten wohl ihre Bundesfähigkeit unter Beweis stellen. Wahrscheinlich aber gab es auch strategische Gründe – die Schwyzer Verteidigungspolitik gegen die Expansionsgelüste der Habsburger!

Der Kirchenbau könnte zum Vorwand gedient haben, um unbemerkt Baumaterialien für die Errichtung der Letzimauern ins Land zu transportieren. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen! Der Zeitpunkt war bestimmt gut gewählt: Morgarten (1315) stand vor der Tür. Sinnigerweise hat der Sage nach Ritter Heinrich von Hünenberg seinen Warnpfeil direkt über diese Letzimauer ins ‘Freundesland’ geschossen: «Werrend am Morgarten!» Jedenfalls war die neue Kirche nicht bloss «Gott zur Ehr», sondern auch «uns zur Wehr!»

Warten auf die Weihe

Nun aber sollte es noch Jahrzehnte dauern, bis die neue Kirche eingeweiht wurde. Jedenfalls sind keine Dokumente vorhanden, die ein Weihedatum belegen würden. Man vermutet, dies sei erst gegen Ende des 14. Jahrhunderts geschehen. Warum diese Verzögerung?

Schon kurz nach Vollendung des Kirchenbaus gerieten die Arther in den Kirchenbann (in der kirchlichen Sprache: Interdikt) und der Bischof von Konstanz weigerte sich deswegen, die neue Kirche einzuweihen. Wie es scheint, waren die Arther gegen ihre kirchlichen Obern aufmüpfig gewesen, indem sie die Küssnachter in ihrer Widersetzlichkeit gegen die bischöflichen konstanzischen Verfügungen im dortigen Kollatur-Streit mit Wort und Werk, Rat und Tat kräftig unterstützt hatten. Erst gut 60 Jahre später konnte wieder Ordnung geschaffen werden. Ein Drohschreiben des Heiligen Vaters hatte offenbar die erwünschte Wirkung: die Arther versprachen Besserung – und das Interdikt wurde aufgehoben!

Im Pfarrarchiv liegt eine Ablass-Bulle, welche einen Hinweis enthält, dass die Kirche möglicherweise im Jahre 1379 eingeweiht worden ist. Am 26. Juni weihte nämlich der Konstanzer Generalvikar Petrus den Michaels-Altar (auf der Evangelienseite) und verlieh bei dieser Gelegenheit einen Ablass . Dieser Altar wurde jahrhundertelang von der Zunft der Handwerker und der Michaelsbruderschaft unterhalten; sie feierten jährlich ihr Patronatsfest und waren auch für die Kerzen besorgt; die Handwerksmeister mussten regelmässig ‘Kerzengeld’ entrichten.

Alten Beschreibungen zufolge gab es in der vorbarocken Kirche bereits bei Vollendung des Baus einen Georgs-Altar; dies war der Hoch- oder Chor-Altar. Jedenfalls haben im Jahre 1362 «3 Ertz- und 12 andere Bischöff» in Avignion diesen Altar mit einem besonderen Ablass ausgestattet.

Im Jahr 1485 wurde auf der Epistelseite ein dritter Altar eingeweiht: der Marien-Altar. Da haben wir es wohl mit jenem Altar zu tun, von dessen Triptychon uns ein beidseitig bemalter Flügel bis heute erhalten geblieben ist. Er zeigt ‘Maria Verkündigung’ und ‘Ritter Georg’. Diese beiden Tafelbilder sind heute im Landesmuseum in Zürich ausgestellt und gehören dort zu den kostbareren Exponaten spätmittelalterlicher Tafelmalerei.

Im Laufe der Jahrzehnte kamen immer wieder neue Kirchenzierden in dieses Gotteshaus. So malte Eva ab Yberg (1588-1669) – die erste namentlich bekannte Schweizer Malerin! – im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts an die Wände des Kirchenschiffes einen sechsteiligen, grossformatigen Freskenzyklus, worin sie Leben und Legenden der beiden Kirchenpatrone darstellte. Mit der Niederlegung der Kirche im Jahre 1694 sind diese Bilder jedoch verlorengegangen. Von Eva ab Yberg stammt übrigens auch das Gemälde der ‘Rosenkranz-Königin’, das sich heute noch im ehemaligen Kapuzinerkloster befindet.

So war denn diese Kirche schön und kostbar ausgestattet. Nach aussen hin schien alles perfekt; im Innern aber ‘nagte schon lange der Wurm’ und gab es Risse, lange bevor unsere Vorväter das Gefühl bekamen, die alte Kirche sei «zu klein, zu eng und ungestalt»…

4. Der Pfarrer und seine Magd

Frühreformatorische Wirren in Arth

Reformation und Reform in der Innerschweiz

Die Reformation in Deutschland (Luthers Thesenanschlag 1517) warf seine kirchlichen und politischen Wellen auch in die Schweiz. Zwingli ging in Zürich mit seiner Bewegung erfolgreich voran. Das stellte die alte Eidgenossenschaft auf eine harte Zerreissprobe, welche nicht nur die Kirche spaltete, sondern auch die Eidgenossenschaft für Jahrhunderte in zwei feindliche Lager teilte.

Das Bedürfnis nach kirchlicher Reform wurde spätestens seit dem Ende des 15. Jahrhunderts deutlich und schmerzlich spürbar. Das Ablasswesen und die Reisläuferei, die Pfründenhascherei und die mangelnde Seelsorge waren für viele Zeitgenossen ein Skandal, dem es entschieden entgegenzutreten galt. Dazu kam der bedenkliche Bildungsnotstand des Klerus, der als eine der Hauptursachen für die Missstände galt. Doch gerade der Klerus der Innerschweiz zeigte sich widerspenstig gegen kirchliche Reformen – zuviel Privilegien standen auf dem Spiel!

Die Zürcher Reformation mit ihrem Bildersturm und der Abschaffung der Messe ging den Innerschweizern aber entschieden zu weit. Reform ja – aber nicht so! Da vom Klerus nicht viel zu erwarten war, ergriffen Volk und Regierung die Initiative. Das Volk machte seinen berechtigten Anspruch auf seelsorgliche Betreuung geltend. Wenn aber die Innerschweizer fester zum ‘alten Glauben’ hielten als gar ihre Geistlichen, so waren dafür weniger religiöse Motive als vielmehr politische Überlegungen massgebend. Die Reformation wollte nämlich mit alten Privilegien der Bergkantone ‘abfahren’. Zwingli heckte einen Kriegsplan gegen die Innerschweiz aus, nach dem nicht bloss der Flecken Schwyz niedergebrannt und die Familien der Pensionsherren verschleppt werden sollten. Nach seiner Denkschrift von 1531 sollte auch die Eidgenossenschaft in einen zentralisierten Staat mit reformiertem Einheitsbekenntnis unter Vorherrschaft Zürichs umgekrempelt werden. Solcher Hegemonieanspruch der Zürcher aber war (und bleibt) den urdemokratischen Schwyzern zutiefst ein Abscheu! Der Widerstand gegen die Reformation war also weniger eine Sache des Glaubens, als eine der Politik. Katholisch ja – aber in erster Linie frei!

Wenn auch weite Teile der Innerschweizer Bevölkerung (ausser dem Klerus selber!) eine kirchliche Reform erwarteten und befürworteten, so war sie unter diesen Voraussetzungen kategorisch gegen jegliche Reformation. Da aber viele Kleriker nicht mitzogen, hatten reformationsfreudige Pfarrer mit ihren Ambitionen ein eher leichtes Spiel. Arth hat während Generationen diese ambivalente Auseinandersetzung am eigenen Leibe schmerzlich erfahren müssen.

Der Arther Pfarrer heiratet seine Haushälterin

1519, schon in den ersten Tagen der zwinglischen Reformation, beriefen die Arther mit Balthasar Trachsel einen jungen, reform(ations)freudigen Theologen als Pfarrer in ihr Dorf am See. Bestimmt strebten auch unsere altgläubigen Vorfahren eine Erneuerung der Kirche an und wählten sich einen Pfarrer, der dafür geeignet und ausgebildet schien (Landsmann und Studierter!). Aber Trachsel unternahm eine waghalsige Gratwanderung; sein theologisches Rüstzeug war der auftauchenden Glaubensbewegung nicht gewachsen. Dass aber mit der Reformation auch die politische Umkrempelung der föderalistischen Struktur verbunden sein könnte, war den arglosen Arthern offenbar noch nicht genügend bewusst.

Schon bald aber fanden ihn seine Kirchgenossen nicht nur zu jung, sondern auch zu unerfahren und zu unreif – trotz seines Magistertitels. Man gab ihm den Übernamen ‘Geissbueb’ – «das Büblein, das kaum aus dem Ei geschlüpft ist und die Eierschalen noch am Rücken trägt.» Zwar wusste jedermann in Arth: ihr Pfarrer hatte eine Magd, mit der er nicht nur den Tisch, sondern auch das Bett teilte; er lebte im Konkubinat mit seiner Haushälterin. Aber sie drückten beide Augen zu, denn viel wichtiger war ihnen, dass sie einen Seelsorger hatten, der ihnen die Messe las und die Sakramente spendete. Auch sahen sie ihm nach, dass er auf der Kanzel ‘blödes Zeug schwatzte’, Maria und die anderen Heiligen verunglimpfte, gegen das Fegfeuer predigte und Zacharias und Elisabeth als Prototyp des Priesterehepaars darstellte. In der Folge zeigte es sich, «dass es diesem kraft- und muthvollen Theologen mehr um ein Weib als um das reine Evangelium zu thun gewesen seÿ», wie Karl Zay in seinem Bergsturzbuch etwas zynisch bemerkt. Die Nachricht von der heimlichen Heirat mit seiner Magd in Luzern, im Jahre 1521, schlug in seiner Pfarrei wie eine Bombe ein. Nicht so sehr das ehemoralische Ärgernis war der Stein des Anstosses, sondern die Tatsache, dass er mit diesem Schritt die Priesterehe auch institutionell verankern wollte.

Balthasar Trachsel, geboren 1493, entstammt einer in Arth ansässigen Familie, bezog als 15jähriger die Artistenfakultät (Fakultät der Freien Künste) der Universität in Köln, erwarb dort 1512 den Magistertitel und wurde 1519 zum Pfarrer von Arth gewählt. 1522/23 war er Dekan des Vierwaldstätterkapitels. Trachsel vertrat offen reformatorische Ideen und stand mit Zwingli in Briefkontakt. Allerdings fanden ihn auch seine Zürcher Freunde zu unklug; seine Hitzköpfigkeit leiste der Sache der kirchlichen Erneuerung keinen guten Dienst.

Als er 1522 demonstrativ als erster seine Unterschrift unter die Bittschrift an den Bischof von Konstanz und die Eidgenössische Tagsatzung um Gestattung der Priesterehe setzte (die Bittschrift wurde im Arther Pfarrhaus im Beisein Zwinglis entworfen!), löste dies einen Sturm der Entrüstung in Arth aus. Der Pfarrer musste gehen. Wie genau, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Im Pfrundbrief seines Nachfolgers, datiert 1527, ist von der ‘freiwilligen Resignation des Vorgängers’ die Rede. Wir finden Trachsel 1528 zunächst in Kloten, dann 1529 in Rufi bei Schänis, wo er als «ein unruhwiger pfaff, der vormals zuo Art in Schwyz gelegen auch viel unruwen gstift hatt» verschrien war und auch dort das Feld wieder räumen musste. 1530 ging er als Pfarrer zurück nach Kloten, ab 1540 wirkte er als Prediger im Thurgau, wo er 1562 in Wigoltingen starb.

Ein geistlicher Lasterkatalog

Arth hatte im 16. Jahrhundert nicht das Glück, die besten Seelsorger zu haben. Dieses Schicksal teilte unsere Gemeinde mit manchen Gegenden der Bergkantone. Pfründenhascherei, Trunksucht, Konkubinat und Sektierertum jedoch waren nur die äusseren Erscheinungen einer inneren Not. Karl Borromäus hat dafür die Dürftigkeit der theologischen Bildung verantwortlich gemacht. Viele Studenten ärmlicher Herkunft traten vorzeitig von der Schule weg in den geistlichen Stand. So aber waren sie den Herausforderungen sowohl der Reformation als auch der katholischen Reform nicht gewachsen. Auch Arther Pfarrer gehörten zu den Opponenten gegen das Konzil von Trient (1543-1564); sie fürchteten um ihre angestammten Privilegien. Dazu kam der allgemeine Priestermangel, der auch die Arther dazu verleitete, eher ungeeignete Geistliche in ihre Pfarrei zu berufen; es ging ihnen mehr um die Sicherstellung des Gottesdienstes und der Sakramente als um eine moralisch integre geistliche Führerpersönlichkeit. Die Aushilfen der Ordensleute konnten die regelmässige Tätigkeit eines Geistlichen keineswegs ersetzen. Nur wenige übertrafen den Durchschnitt ihrer Kollegen – selbst wenn sie im Priesterkapitel Amt und Würde bekleideten…

Es schien, dass die Arther aus der Erfahrung mit Pfarrer Trachsel nicht viel gelernt hatten. Sie wählten 1551 mit Georg Hochmuth einen Pfarrer, der mehr oder weniger alle denkbaren Mängel des damaligen Klerus in sich vereinigte: Er besass bereits vier Pfründe (Pfarreien); trotzdem wählten ihn die Arther zum Pfarrer. Sie versprachen ihm sogar, ihn ins Landrecht aufzunehmen. Er hielt ‘lutherische Büchlein, Traktate, Disputate und Testamentli’ im Pfarrhaus – offenbar zu anderen als zu apologetischen Zwecken. Er kam mit Frau und Kind ins Arther Pfarrhaus. Später wurde seine Magd weggeschickt. Was mit den Kindern geschah, ist uns nicht bekannt; jedenfalls wurde ihnen das Landrecht verweigert. Er verging sich öfters durch Trunkenheit und wurde deswegen ‘in den Turm geschlossen’ wie ein gewöhnlicher Laie, dann aber wieder freigelassen. Er hatte Unordnung in Finanzsachen und war von Arth weggegangen, ohne seine Schulden zu begleichen.

Dass er die Seelsorge sträflich vernachlässigte, war wohl nur die Konsequenz aus all diesen Übeln: Die Beschäftigung mit mehreren Pfründen, das sektiererische Wesen, das Wirtshaus und sein finanzielles Gebaren liessen ihm wohl nicht mehr viel Zeit, sich um seine Schäfchen zu kümmern. Hochmuth wurde mehrmals einvernommen und verhaftet. Dann verschwand er 1552 bei Nacht und Nebel ausser Landes…

5. «Gesitteter als unsere Nonnen in Italien»

Karl Borromäus visitiert die Innerschweiz

Das Konzil von Trient (1543-1564) gilt als das grosse Reformkonzil der Katholischen Kirche; es war auch eine Antwort auf die Reformation in deutschen Landen. Die Reformbestrebungen des Konzils aber hatten Mühe, in der katholischen Innerschweiz Fuss zu fassen. Auch hier zeigte sich der Klerus widerspenstig. Daher nahmen katholische Laien die Initiative in die Hand. Durch ihre politischen (und kirchenpolitischen) Beziehungen zu Oberitalien erwirkten sie eine kirchliche Visitation der katholischen Orte. Kein Geringerer als der Erzbischof von Mailand und Kardinal Karl Borromäus besuchte im Jahr 1570 die Innerschweiz. Seine Kontakte beschränkten sich nicht auf Begegnungen mit Persönlichkeiten des politischen Lebens, sondern er stieg auch in zahlreichen Pfarrhäusern ab. Einmal liess er sich sogar von einem Pfarrer wieder vor die Tür setzen, weil dieser den hohen Gast nicht erkannt hatte… Ein anderer Pfarrer stellte ihm seine Magd mit ihren Kindern vor, wo jeder im Dorf wusste, dass deren Vater der Pfarrer war… Karl Borromäus war auch in Arth abgestiegen; es wird überliefert, dass die Familie Annen im Hof ihre Wohnung für den hohen Kirchenfürsten hergerichtet hatte, mit Stube und Hauskapelle.

Das Visitations-Protokoll von 1570 ist ein kulturgeschichtlich wertvolles und aufschlussreiches Dokument, das Einsicht in die damalige Seelsorgssituation vermittelt. Karl Borromäus spendet darin ein grosses Lob den einfachen Gläubigen. Sie seien sehr religiös, besuchen fleissig die Messe, halten Andachten, beten den Rosenkranz, halten die Gräber ihrer Angehörigen in Ehren. Die Frauen seien «geziemender gekleidet als gar unsere Nonnen in Italien…»

Karl Borromäus spart jedoch nicht mit Kritik an der Geistlichkeit. Sie vernachlässige die Seelsorge, gehe lieber weltlichen Interessen nach, widersetze sich den Anordnungen des Reformkonzils und entspreche in ihrer ganzen Lebenshaltung nicht den Erwartungen der Kirche (und offenbar auch nicht der Bevölkerung). Wenn er auch das Konkubinat als ein Übel bezeichnet, so sieht er den Grund und die Ursache in erster Linie im bedenklichen Bildungsnotstand des Klerus.

Karl Borromäus zog die Konsequenzen aus diesem Befund: Er gründete in Mailand das ‘Helveticum’, ein Priesterseminar, das den Priesteramtskandidaten aus der Innerschweiz offenstand. Auch förderte er die Berufung der Jesuiten nach Luzern, die dort eine Schule errichten sollten. Seinen Bemühungen ist es zu verdanken, dass die Kapuziner in die katholische Eidgenossenschaft kamen. Sie haben der tridentinischen Reform in der Innerschweiz zum Durchbruch verholfen.

Noch aber stand Arth die grosse, leidvolle Auseinandersetzung erst noch bevor.

6. Als das Bibellesen noch auf der Weidhuob endete

Der Arther Handel von 1655

Bibel als ‘Vehikel’ der Reformation

Die Erfindung der Buchdruckerkunst Mitte des 15. Jahrhunderts führte zu einer enormen Verbreitung der Bibel in der Volkssprache. Im 16. Jahrhundert, dem Zeitalter der Reformation, wurde dies manch einem zum Verhängnis. Konnte man bislang noch arglos das Wort Gottes in der Volkssprache lesen, so schöpfte man in katholischen Landen schon bei der blossen Vorfindung einer Bibel den Verdacht, der Leser liebäugle mit der ‘Häresie’. Denn die volkssprachliche Bibel wurde zum wohl zugkräftigsten Vehikel der Reformation. Martin Luther, der bei seiner Bibel-Übersetzung ‘den Leuten aufs Maul geschaut’ hatte, traf mit seiner sprachschöpferischen Kraft mitten ins Herz einer Bevölkerung, die in dieser Zeit des Wandels nach tieferer Orientierung suchte. Zur Bibel kamen eine Unzahl von Flugschriften, die das reformatorische Gedankengut verbreiteten.

Die kirchlichen und staatlichen Autoritäten in den altgläubigen Gebieten wachten mit Argusaugen über die religiöse Lektüre ihrer Untertanen. Wer sich die Freiheit nahm, in einer «faulen lutherischen Bibel» zu lesen oder andere «tütsche tractätli und zügnussen» zu besitzen, musste sich vor der Obrigkeit verantworten. Immer wieder wurden lutherische Schriften eingesammelt und nach Schwyz geführt, um dort verbrannt zu werden. Auch mancher Pfarrer musste sich peinliche Kontrollen seiner Bibliothek durch Amtsbrüder gefallen lassen.

«Uss der Beicht geschwätzt»

Die Hüter des alten Glaubens schreckten dabei vor fragwürdigen Listen nicht zurück. Das belegt eine Geschichte, die wir der Rechtfertigungsschrift der Arther Neugläubigen an den Rat von Zürich entnehmen:

Ein Jost Steiner will bei einem Arther Werkzeug einkaufen. Sie verhandeln in der Stube. Wie der ‘Hausvater’ in seine Kammer geht, schleicht ihm der Jost auf dem Fusse nach und sieht dort Landtafeln der Stadt Zürich an der Wand hängen – untrügliches Zeichen, dass dieser ‘Hausvater’ mit den Reformierten liebäugelt! Von diesem zur Rede gestellt, beteuert Steiner, «Gott solle keinen Teil an seiner Seele haben, wenn er etwas sagen würde.» Der Nikodemit (ein Neugläubiger) wird offenherziger: «Auff disse Beteürung glaubte der Haussvatter und fing an, ihm von Glaubenssachen zu erzellen, und sagte ihm, was es mit dem Papistischen und Evangelischen Glauben für eine Beschaffenheit habe, that auch die Bibel auff und lass ihm uss dem Buch Baruch das sechste Capitel.» Steiner aber wird wortbrüchig. «Bald hernach hat es sich erscheint, was der Haussvatter ihm fürgehalten hat, und ist Jost Steiner gehn Schweitz zu den Capucineren gangen und ihnen gebeichtet. Nach dem die Beicht für überen, hat der Capuciner, welchem das Steiner gebeichtet, selbigen an ein absönderlich Ort beruffen… disses geschach von dem Capuciner uff einen List; damit der Steiner nicht könnte sagen, der Capuciner habe uss der Beicht geschwätzt. Gemelter Capuciner zeiget solches weltlichen Oberkeitlichen Personen an, welche hernach Steiner citiert, und kundschafft von ihm uffgenommen… » Steiner muss dem Arther Pfarrer die Bibel zeigen, bringt ihm aber eine gut katholische Ausgabe. Der alte Pfarrer meint, das sei eine «feine, saubere Bibel» (Vorläufer des ‘Imprimatur’!) und niemandem verboten, darin zu lesen, wenn er sich dabei still verhalte…

«Gar nicht dumm, sondern ziemlich aufgeklärt»

Arth war in der Innerschweiz die einzige Gemeinde, die nach dem Kappeler Landfrieden von 1531 noch einen ernsthaften ‘Rückfall’ in die Reformation erlebte. Dem Täufer Baschi Meyer gelang es um 1620, eine Täufergemeinde zu sammeln, die vermutlich länger am Leben geblieben wäre, hätte sie nicht durch aufsehenerregende Schmähungen der katholischen Landesreligion die Aufmerksamkeit der öffentlichen Gewalt auf sich gezogen. Der Prediger Baschi Meyer entging 1630 durch Flucht der Justiz. Die Gemeinde war vereinsamt und verlor an Zugkraft. Erst die Fühlungnahme eines Gemeindegliedes, des bedeutsamen Martin von Hospenthal, mit Zürcher Prädikanten ergab um 1651 eine Spaltung der Gemeinde in eine täuferische und eine zwinglische Richtung. Letztere fand Anschluss bei massgebenden Zürcher Kreisen, die den Arthern den Rücken stärkten. Hospenthal führte seine ausgedehnte Verwandtschaft grösstenteile dem Zürcher Bekenntnis zu.

Wer waren sie, diese Arther Neugläubigen des 17. Jahrhunderts? Nikodemiten nannten sie sich, in Anlehnung an den nächtlichen Besuch des jüdischen Ratsherrn Nikodemus bei Jesus. Sie kamen denn auch nachts im Schutze der Dunkelheit in entlegenen Bauernhöfen zusammen. Als ‘Freunde des Evangeliums’ und ‘Liebhaber der Wahrheit’ bekannten sie sich. Sie gehörten zu einer europäischen Bewegung, die im Rahmen des Protestantismus dem Wiedertäufertum zuneigte. Zay nennt die Nikodemiten «gar nicht dumm, sondern ziemlich aufgeklärt».

Beiderseits auf Konfrontation eingestellt

Die Arther Nikodemiten standen mit der katholischen Kirche auf Kriegsfuss. Trotzdem machten sie den Gottesdienst der Gemeinde mit, fielen aber immer wieder ‘unangenehm’ auf: Beim Gebet steckten sie den Kopf in den Hut; sie beendeten das Vaterunser mit dem frühchristlichen Schluss ‘Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit’ – was als protestantisch empfunden wurde. Die einen verliessen die Kirche zu früh, die andern betraten sie zu spät. Die einen empfingen die Prediger mit missbilligendem Gebrumm, währenddem andere die Predigt ‘schamlos durchschliefen’. Besonders die ‘Spitzkappen’ (wie sie die Kapuziner verächtlich nannten!) wurden scharf aufs Korn genommen. Teilweise aber verweigerten sie das übliche Brauchtum mit schaugestelltem Trotz. So blieben sie bei der Wandlung ostentativ stehen, sie bekreuzten sich nicht und wollten auch nicht in den Genuss des päpstlichen Jubiläumsablass kommen, und vieles andere mehr.

Hüben und drüben aber sparte man nicht mit deftigen und kräftigen Ausdrücken. Die Marienstatue sei «gekleidet wie eine Hure im Mailänder Hurenhaus». Der das sagte, musste wohl aus der Erfahrung seiner Welschlandfahrten gesprochen haben: es war ein Viehhändler, der auch in Mailand sein Geschäft betrieb… Melchior von Hospenthal verglich den Kommuniongang seiner Magd mit einer «Sau, die zum Trog geht». Der Rosenkranz sei ein «Narren- und Ketzergebet». Ordensleute standen schlecht zu Buche. Von einer eingetretenen Nonne hiess es, «sie wäre besser ins Hurenhaus gegangen». Klöster sollte man ohnehin «alle zu Pulver machen».

Die ‘Altgläubigen’ entgegeneten nicht minder blasphemisch. Sie verteidigten ihre katholischen Bräuche in eher salopper Weise. So sagten sie von der Krankenölung beispielsweise: «Ein ungeschmierter Karren geht zwar gut ‘nidsi’, ein geschmierter dagegen viel leichter ‘obsi’!» Den Organisten hielten sie für einen verkappten Nikodemiten, weil er einfach gerne mit den musikliebenden Nikodemiten sang und musizierte. Dafür warfen sie ihm eine Schmähschrift (die berühmte ‘Orgelpasquill’) auf seine ‘lutherische Emporkirche’ und verzierten seine Hauswand mit einem Zürcherwappen aus … Kuhdreck!

Flucht und Prozess

Die gegenseitige Hetze war unschön. Was aber dem Fass den Boden ausschlug, das war der Besuch einiger Zürcher Prädikanten bei ihren Schützlingen auf den Rigi-Alpen. Dies wurde als Verletzung des Religionsfriedens betrachtet. Jetzt wurde es für die Nikodemiten bedrohlich. Die Geistlichkeit forderte die Behörden auf, einzuschreiten. Von eingeweihten Freunden wurden sie rechtzeitig gewarnt – in der Nacht vom 12. auf den 13. September 1655 flohen sie. Über den See und übers Säuliamt brachten sie sich nach Zürich in Sicherheit. Mit Pferden kamen die Zürcher den Flüchtenden entgegen, nahmen sie in Empfang, luden Frauen und Kinder auf Ross und Wagen, um sie alle siegreich, gleichsam als ‘Märtyrer des Glaubens’, nach Zürich einzubegleiten.

Nun war eine Maschinerie in Gang gekommen, die sich nicht mehr aufhalten liess. ‘Ich rief die Teufel und kam sie nicht mehr los.’ Es kam zum Prozess – und zum Bruderkrieg!

Der Schwyzer Landrat konfiszierte kurzerhand Hab und Gut der Geflüchteten und verlangte von Zürich die Auslieferung der Arther. Zürich weigerte sich, denn in ihrem Glaubensbekenntnis hatten sich die Geflüchteten als echte Reformierte bekannt und hatten somit Anrecht auf Schutz. Schwyz aber behauptete, es handle sich um Täufer, also habe Zürich nach eidgenössischer Gepflogenheit kein Recht, ihnen Asyl zu gewähren. Die Rechtslage war verworren. Schwyz blieb hart und unnachgiebig. Da eidgenössische Vermittlung nichts fruchtete, griffen die Zürcher zu den Waffen: es kam zum Ersten Villmergerkrieg! Wie einst bei Kappel (1531) besassen die Reformierten die militärische Übermacht, aber wiederum machten sie grobe strategische Fehler, die sie in die Niederlage führten. Zürich wollte die den Reformierten ungünstige Rechtslage des Kappeler Landfriedens grundlegend zu seinen eigenen Gunsten verbessern; der katholische Sieg liess alles beim alten.

Trotz Gnadengesuch des Nuntius

Einige der Arther Neugläubigen hatten es vorgezogen, nicht zu fliehen, sondern zu bleiben. Sie wurden anderntags ‘gefänglich eingezogen’ und nach Schwyz abgeführt. Die meisten liess man wieder laufen – nicht aber ohne bestimmte Auflagen zu machen, z.B. nach Einsiedeln zu wallfahren, dort zu beichten und den Beichtzettel dem Landammann vorzuweisen. Durch Intervention des Nuntius wurden einige der Inquisition nach Mailand übergeben, wo sie in einer Art besserem Hausarrest gehalten wurden: als Knechte und Mägde in Herrenhäusern. Andere wurden in Ketten gelegt und peinlichen Verhören unterworfen. Den vier in Arth verbliebenen Hauptkontrahenten aber wurde der Prozess gemacht: sie wurden zum Tode verurteilt. Nach unsäglichen Martern wurden sie auf der Weidhuob, dem Hinrichtungsplatz des Alten Landes Schwyz, enthauptet. Ihr Haupt fiel unter dem Hieb der Scharfrichter am 17. Dezember 1655. Alle Gnadengesuche des Nuntius, des Bischofs von Konstanz, geistlicher und weltlicher Personen, vor allem solcher aus Arth, waren umsonst. Schwyz blieb hart und unnachgiebig. Es schien als wollten die Schwyzer wieder einmal zeigen, wer Herr und Meister im Lande war, und die widerborstigen Arther etwas an die Kandare nehmen.

‘Gnade vor Recht’ – das ist ein Grundprinzip kirchlicher Praxis. Allerdings vermag sie dem Recht des Staates die Gnade nicht aufzuzwingen. Wenn es um ihr vermeintliches Recht geht, sind die Macht- und Rechthaber schon immer sensibel gewesen; sie lassen sich nichts vorschreiben. Für die Machthaber ist hier mehr auf dem Spiel als die Wahrung der Rechtgläubigkeit; es geht um das politische System. Und so ist die Geschichte der Reformation in der Schweiz weniger ein Glaubenskrieg, als vielmehr eine politische Auseinandersetzung um die Grundidee des eidgenössischen Bundes.

«Melchior, wie gahd äs?»

Das Schlusskapitel der Rechtfertigungsschrift der Arther Nikodemiten an den Rat von Zürich erzählt in bewegten und bewegenden Worten das Schicksal der vier zum Tode Verurteilten. Als die Wittfrau Barbara von Hospenthal an Handschellen durch Oberarth nach Schwyz abgeführt wurde, standen Kinder am Strassenrand und zeigten spontan ihr Mitleid. Die gute Frau entgegnete ihnen gar fröhlich: «Meine lieben Kinder, das ist der rechte Weg ins ewige Leben!». In Schwyz wurde sie (mangels Platz!) im Wirtshaus zum ‘Rössli’ gefangen gelegt, während die drei Männer im Verliess des Rathauses sassen.

Ausführlich berichtet uns die Rechtfertigungsschrift über Melchior von Hospenthal. Von ihm ist ein kurzes ‘Interview’ eines Mitgefangenen überliefert:

«Es lag einer in einem besonderen gemach nebent ihm gefangen, als disser durch das Kettenen loch hindurch geschauwet, und Ihnne Melchior mit sich selbst ernsthafft redend gesehen, hat er ihm zugerüfft, Melchior wie gaht es? Ich glaub sie habind dich gefolteret, hat er geantwortet, es gaht eben gar streng, wann Gott mit seinem geist und gnad nit beÿständig were, so wurd das fleisch erliggen, vermannte dissen auch, er solte getreüw an dem wort Gottes verbleiben, dann es seige ein ewiger Lauff. In wärender gefangenschafft habend Ihmme die pfaffen unverschamt und hefftig zu gesetzt, Ihnne zum abfal zu vermögen, und dass er beichten solte, das aber schlug er Ihnen rund ab. »

Unguter Nachgeschmack

Das Schicksal der Nikodemiten, ihre Flucht und die Todesurteile hinterliessen einen starken Eindruck, konnten aber die Täufergemeinde nicht völlig ausrotten. Es gab Nachspiele noch bis fast 1700.

Auch der Villmergerkrieg hinterliess ungute Gefühle. Die Arther waren in der ganzen Eidgenossenschaft verschrieen. 1668 musste die Verwendung von ‘Hummel’ als Schimpfname für die Arther obrigkeitlich verboten werden!

Auf dem Schlachtfeld von Villmergen und vor Rapperswil errangen die Schwyzer ihr Recht. Doch zur Sicherung der katholischen Reform bedurfte es anderer Mittel, nämlich der geistigen Erneuerung. Zur Durchführung und Sicherung der kirchlichen Reform wurden die Kapuziner nach Arth berufen. Sie sollten die Neuordnung der Seelsorge an die Hand nehmen, insbesondere der Christenlehre bei der Jugend.

«Abgfallne gsellen von Arth»
Ein zeitgenössisches Gedicht

Ein Innerschweizer Edelmann liess sich eine Kabinettscheibe (Glasfenster) malen und wählte dafür ein zeitgenössisches Thema: den Villmergerkrieg. Das Bild enthält eine längere Inschrift; es ist ein Gedicht über die ‘abgfallnen gsellen von Arth’:

«Im 1656igsten Jahr
Kam dEidgnossschaft in gross Kriegsgfahr
Den anfang gmacht abgfallne gsellen
Von arth die Zürich b’schützen wellen
Den frÿen Zug wolltent erbochen,
Als es nichs halff zum Krieg auffbrochen.
Zürich. Bern. Schaffhausen zuogleich
Die 5-Orth wolltent in eim streich
Z’dotth schlagen oder Caluinisch machen
In Ewigkhait doch sÿ us zlachen
Sogar uff Rom war ihr vorhaben
Ab Ihrer macht man sollt ver zagen
Und kament kaum ab Ihrem Grundt
D’Berner Schluog man in einer Stundt
2000 bÿ Villmergen dott bliben
12000 Schandtlich in Dflucht triben
Ein grosser Raub Lucern Bekam
Vil Stukh. Pagaschi. Manch schöner fahn
Zuglÿch man DZürcher hat empfangen
Vor Rapperschweil Ihnen schlecht gangen
In Summa wo man Sÿ ângriff
Uff Ballen. Wollrauw Sÿ gflochen stÿff
Ihr Ehr undt gwün war Leider klein
Mit spott und schandt muosstent wider
heim.»

Dieses Gedicht zeugt unverkennbar für das politische und gesellschaftliche Überlegenheitsgefühl der (katholisch gebliebenen) Innerschweizer!

7. «Sie vermeinten, es seÿen zweÿ Teüffel»

Berufung der Kapuziner nach Arth

Im Jahre 1586 begaben sich zwei Kapuziner von Luzern über Küssnacht und Arth nach Schwyz. In Arth klopften sie im Pfarrhaus an, um sich für den folgenden Sonntag als Prediger anzubieten, damit sie auch hier bekannt würden. «Als sie an einem sambstag dahin kamen, vermeinten beÿ dem hr. Pfarrer über nacht zu sein, als sie angeklopfft, komt die magt härab mit einem steckhen, jagt die Capuciner hinweg, dan der pfarer lag in den zügen und wolt sterben. Da haben die leüth vermeint, die Capuciner seÿen zweÿ Teüffel und wollen des pfarrers seel hinweg führen… Sie haben zuvor nie einen Capuciner gesehen.»

Diese erste Begegnung der Kapuziner mit den Artherinnen und Arthern hielt sie aber in der Folge nicht davon ab, im Jahre 1655 dem Ruf ins Dorf am See zu folgen, um hier die Seelsorge im Geiste der tridentinischen Reform an die Hand zu nehmen.

Leicht hatten sie es nicht immer. Noch am Neujahrstag 1655, also zu Beginn jenes Jahres, in dem die tragischen Ereignisse um die Nikodemiten von Arth ihr erschreckendes Ende fanden, waren Kapuziner von Schwyz in der Pfarrkirche auf Aushilfe. Pfarrer Meyenberg hielt eine scharfe Predigt gegen die Neuerung der Protestanten; die Kapuziner unterstützten ihn. Die offene Sprache der Kapuziner ärgerte die Neuerer so, dass sechs Männer mit Äxten bewaffnet und drohend in den Pfarrhof drangen und dem Pfarrer gebieten wollten, dass er den Kapuzinern nie mehr die Kanzel einräume…

Die Kapuziner kamen dennoch. Auf Drängen von Politikern wurden sie nach Arth gerufen – die damit dem sanften Drängen des Nuntius auch aus politischer Opportunität gerne gefolgt waren. Es war das allgemeine Bestreben der katholischer Orte, die religiöse Lebenserneuerung in die Hände der Kapuziner zu legen, die seit 1581 in Altdorf und 1585 in Schwyz segensreich wirkten. Man wies ihnen ein unbewohntes Haus zu und stellte die alte Zenokapelle im Hinterdorf für ihre religiösen Funktionen zur Verfügung. Ein Jahr später versprachen die Arther den Kapuzinern einen ‘sicheren Klosterbau’. Das Werk erlitt erhebliche Verzögerungen, weil der damalige Pfarrer darauf beharrte, dass ihm zuerst ein neues Pfarrhaus gebaut würde… Im Jahre 1665 kam vorläufig ein Hospiz zustande; der eigentliche Klosterbau wurde erst zwei Jahrzehnte später fertiggestellt.

Christenlehre ‘unter Ausschluss des Pfarrers’

Indes waren die Kapuziner schon seit 1656 an der Arbeit. Als Hauptaufgabe übernahmen sie das Christenlehramt in der weitläufigen Gemeinde – ‘unter Ausschluss des Pfarrers und der übrigen Weltpriester’; diese Kompetenz wurde ihnen vom Konstanzer Bischof entzogen, weil die damalige Weltgeistlichkeit nicht ihrer hohen Verantwortung gemäss vorgebildet war – was leider nicht zuletzt gerade einige Arther Pfarrer bewiesen.

Auch die übrige Seelsorge nahmen die Kapuziner zielgerichtet und verantwortungsbewusst an die Hand. Wen wunderte es, dass sich schon bald Widerstand gegen die neugestaltete Predigt erhob. Aber die Kapuziner konnten auf die volle Unterstützung der Politiker zählen. Dem Übelstand, während Predigt oder Gottesdienst im Wirtshaus zu sitzen, wie dies für die Innerschweiz schon früher bezeugt war, suchte die Regierung mit Bussen zu steuern, im Wiederholungsfall mit dem Pranger.

Die Kapuziner übernahmen sodann eine Reihe von Messen in St. Georg, St. Adrian und im Beinhaus, später auch in Oberarth. Auch der Sakramentenempfang wurde gefördert. Als Missionare erhielten die Patres erweiterte Beichtvollmachten. Neu war damals die häufige Kommunion. Man wies darauf hin, der tägliche Empfang sei in der Väterzeit bereits Brauch gewesen. Im gleichen Sinne sollte das Vierzigstündige Gebet wirken, das sich auf einen bis drei Tage erstreckte und mit Aussetzung, theophorischer Prozession (mit Monstranz) und Allerheiligenlitanei abgeschlossen wurde. Die Einführung des Seelensonntags brachte dem Volke AbIassvergünstigungen, die den Armen Seelen zugewendet werden konnten. Das Bild der Seelsorge rundeten Bräuche ab wie Haus , Stall und Alpsegnungen, Hausbesuche und private Glaubensgespräche; sie zeugen für den Willen der Seelsorger, dem Menschen in seinem Alltag nachzugehen und nicht einfach auf ihn zu warten. Auf diesem Wege kamen die Kapuziner mit dem Volk mannigfach in Berührung, was ihnen viele Freunde warb.

Die Seelsorge lebte dank diesen menschenfreundlicheren Formen neu auf; sie nahm Abstand von der bloss sittenpolizeilichen Überwachung der Gemeinde und ging zur persönlichen Betreuung der Gläubigen über. Darin fand eine Erneuerung des kirchlichen und religiösen Lebens statt, das sich auch segensreich auf die Gesellschaft als ganze auswirkte. In seiner ‘Geschichte der Pfarrei Arth’ spendet Kommissar Thomas Fassbind den Kapuzinern hohes Lob und meint gar – mit Stolz und auch mit einem guten Schuss Übertreibung! – «dass Arth seither einer der im Christentum bestunterrichteten Kirchgänge ist.“

Ein äusseres Zeichen der Erneuerung

Zur inneren Erneuerung aber sollte auch noch die äussere kommen: eine neue Kirche! Die gelungene Reform sollte und wollte sich auch ein äusseres Zeichen geben. So entstand eine Barockkirche – ganz aus dem Geiste der katholischen Reform. Wahrscheinlich sind die Kapuziner nicht ganz unschuldig an diesem ehrgeizigen Projekt. Und die Arther, die wegen Villmergen in der halben Eidgenossenschaft verschrien waren, wollten dies offenbar wieder wettmachen und zeigen, dass sie nicht nur gut katholisch, sondern auch eidgenössisch gesinnt waren.

Noch aber stand die alte gotische Kirche. Sie hatte dem neuen Projekt zu weichen.

8. «Zu eng und ungestalt»

Niederlegung der alten Kirche im Herbst 1694

Gegen Ende 1694 hatte man mit dem Abbruch der alten, ‘engen und ungestalten’ Kirche begonnen. Wie mag sie wohl ausgesehen haben, diese zu kleine und baufällige Kirche? Einen kleinen Eindruck vermittelt uns die Illustration in der berühmten Chronik des Luzerner Stadt-schreibers Diebold Schilling. Das entsprechende Blatt zeigt hinter dem ‘unheilverkündenden’ Riesenkarpfen («der lenge alss ein einboümig schiff“) im Zugersee vor Arth das spätmittelalterliche Dorf samt der Kirche mit dem hölzernen Glockenstuhl und dem spätgotischen Spitzhelm. Es ist die älteste Ansicht überhaupt, die wir von Arth besitzen.

Ein Zeuge dieser alten, vorbarocken Kirche steht noch immer fest und unerschütterlich: der Kirchturm. Der Rest des Gebäudes aber wurde dem Erdboden gleichgemacht. Es soll ein einfacher, dreischiffiger Steinbau mit flacher Holzdecke gewesen sein, um den herum sich gedeckte Gänge zogen. Der Chor war quadratisch und mit einem grossen Triumphbogen vom Schiff getrennt. Seine Fenster enthielten Glasgemälde. Auch wissen wir, dass im Kirchenschiff ein grossformatiger Freskenzyklus zu sehen war, der sechs Bilder aus dem Leben der beiden Kirchenpatrone Zeno und Georg zeigte. Die Wände trugen ausserdem Inschriften von kulturhistorischem Interesse:

«Do man 1510 Jahr zalt
und ein Mütt Kernen 30 Schilling galt,
3 Guldi ein Saum Win,
ward diss Gemäld gemalt hinin.
Gott zu Lob, St. Jörg zur Ehr,
war Herr Werni Ehrler Eus Pfarrer hier.»

So wurde nun also diese alte, gotische Kirche abgebrochen, welcher Karl Zay seinem Berg-sturzbuch von 1807 mit folgenden Worten nachtrauert: «Gewiss sollten solche alte Gebäude nicht niedergerissen, sondern zu stetem Andenken beÿbehalten werden, wenn wegen verschiedenen Umständen auch neuere Gebäude aufgeführt werden wollten und müssten.»

Eine Kirche aus dem Geist der katholischen Reform

Welches waren denn nun diese ‘verschiedenen Umstände’? War die Kirche zu klein? Aus der Grösse des Vorgängerbaues lässt sich schliessen, dass Platzmangel kaum der Grund für den Bau einer neuen Kirche war. War sie baufällig? Noch ein paar Jahrzehnte früher wurde das Kircheninnere mit kostbaren und wertvollen Kunstschätzen ausgestattet – was man für eine baufällige Kirche wohl kaum gemacht hätte. Bleiben also ‘politische Gründe’! Wahrscheinlich spiel-ten auch hier, wie damals beim Bau der Kirche von 1312, verkappt oder offen, (kir-chen)politische Absichten und Ambitionen mit. Mag sein, dass die Arther jetzt wieder ihre Bundesfähigkeit und auch ihre ‘Katholizität’ dokumentieren wollten. Vielleicht hatten auch die kurz zuvor (1656) nach Arth berufenen Väter Kapuziner etwas nachgeholfen, dem Geist des tridentinischen Reformkonzils und dem Willen zur katholischen (Gegen-)Reform sichtbare Gestalt zu verleihen.

Erste Baufortschritte

Im Herbst 1694 wurde die alte Kirche bis auf den Turm abgerissen. Dann begann der Aushub, damit die Fundamente für die neue Kirche gelegt werden konnten. Bei der Renovation 1954 wurde der Turmkugel (dem ‘Turmknopf’) eine Schrift entnommen, welche aus der Bauzeit stammt und uns etwas über die damaligen Zeitverhältnisse sagt. Der Hilfe und Gnade Gottes wurde zugeschrieben, dass der Bau so glücklich voranging. Im Winter 1694/95 sei der See derart gefroren gewesen, dass man hundert Zentner schwere Steine auf Schlitten führen konnte; dass zu Immensee ein guter Steinbruch gefunden wurde und man den Sand an allernächster Stelle abbauen konnte. So wurden während jenes Winters die Fundamente ohne namhafte Schwierigkeiten gelegt.

Allerdings wurde die Bauzeit durch Kriegsgefahr beeinträchtigt. Es wird berichtet, dass ein grosser Streit zwischen Zürich und den Fünf Orten geherrscht habe: «Sÿ striten starck doch nur mit Worten.». Immerhin habe man für die Dauer von zwei Monaten das Läuten mit den grossen Kirchenglocken einge-stellt. Man habe militärische Musterungen vorgenommen und die Wachttürme be-mannt.

9. «Das Gotteshaus soll sinnenfreudig werden»

Die Grundsteinlegung am 12. April 1695

Am 12. April 1695 war es dann so weit: der Grundstein konnte gelegt werden. Ein feierli-cher Anlass muss es gewesen sein, denn die Liturgie der Grundsteinlegung gehört, zusam-men mit derjenigen der Kirchweihe, zu den umfangreichsten liturgischen Zeremonien der Kirche. Übrigens: Das Fest fand am Ehrentag des Heiligen Zeno, des Bischofs von Verona und Mitpatrons der Arther Pfarrkirche statt. Die Grundsteinlegung einer Kirche ist zwar das Privileg des Bischofs, der zu diesem Zweck auch einen Priester delegieren kann. In unserem Fall war dies so. Der Pfarrer der Gemeinde hatte, in Vertretung des Bischofs von Konstanz, die Grundsteinlegung vorgenommen. Der aus Schwyz stammende Johann Carl Büeler war seit 1681 Pfarrer in Arth – nicht nur ein sehr gelehrter, sondern auch hochgeachteter Geistlicher. Er war Doktor der Theologie, Apostolischer Notar und Bischöflicher Kommissar.

Aufbau der neuen Kirche

Nach der Grundsteinlegung konnte mit dem Bau zügig vorwärts gemacht werden. Es wird berichtet, dass im gleichen Herbst die Kirche bereits eingedeckt war. Ein Heer von Hand-werkern muss da an der Arbeit gewesen sein. Viele Einheimische waren beschäftigt: Meister, Gesellen, Handlanger. Der aus Hitzkirch stammende Bauführer, Kaplan Jeremias Schmid, hatte aus dem Luzernerland eine ganze Reihe von Fachleuten hergeholt: Maurermeister, Dachdecker, Zimmermeister, Spengler usw.

Zunächst galt die Aufmerksamkeit den Aussenarbeiten: Grundmauern und Wände wurden aufgerichtet, Pfeiler aufgezogen, das gewaltige Dachgebälk darüber gelegt, damit das Gewölbe eingedeckt werden konnte. Darauf wurde der stolze, luftige Dachreiter gesetzt – ein nicht ungefährliches Unternehmen, denn im Totenbuch steht zu lesen, dass anno 1695 «Johann Caspar Sutter von Münster, kunstreicher Spengler», beim Verschalen des Chortürmleins zu Tode gestürzt sei.

Im Herbst 1695 war das Kirchengebäude schon soweit aufgerichtet, dass man an die Innenausstattung herangehen konnte: Emporen wurden eingebaut, die Kanzel hoch über dem Schiff angebracht, Fenster in der alten Bleiverglasung eingesetzt, Altaraufbauten konstruiert. Stukkateure waren an der Arbeit; dann folgten die Maler: Flächenmaler zuerst, Kunstmaler danach. Alle bemühten sich, rechtzeitig auf den grossen Tag der Kirchweihe hin mit ihrer Arbeit fertig zu werden – was allerdings nicht allen Beauf-tragten termingerecht gelungen ist!
Das Horoskop der Eckstein-Legung
der neuen Pfarrkirche von Arth

Jede Grundsteinlegung ist ein elementares Er-eignis, so etwas wie die Geburts- oder Empfängnisstunde eines lebendigen Organismus. Menschen lassen sich gerne ihr ‘Geburtsbild’ zeichnen: ihr Hososkop. Wir erlauben uns an dieser Stelle etwas, was im kirchlichen Bereich eher unüblich ist: für die Grundstein- oder Eckstein-Legung ein Horoskop zu machen: Dieses ‘Geburtsbild’ unserer Kirche wurde uns von Peter K. Manternach erstellt und gedeutet.

«Vierzig Jahre nach der Enthauptung der vier Arther Nikodemiten und dem aus diesem Handel entstandenen 1. Villmergerkrieg zwi-schen den katholischen und protestantischen Ständen – und 17 Jahre vor dem 2. Villmergerkrieg wurde am 12. April 1695 der Eckstein der neuen Pfarrkirche von Arth gelegt.

Aus dem Bewusstsein der je eigenen Verwur-zelung in den katholischen besziehungsweise protestantischen Landen (Pluto im Krebs) entstand beim Eintritt des Planeten Pluto in das Zeichen Löwe ein Zeitgefühl von Grösse und Überlegenheit, das in der in zwei ideologische Blöcke gespaltenen Christenheit zu verschiedenen Macht- und Absolutheitsansprüchen führte, in denen Minderheiten es äusserst schwer hatten.

Bei den Katholiken hatte sich der erneuernde Schwung der Gegenreformation entfaltet mit dem Ziel, das an die Protestanten verlorenen Terrain zurück zu erobern. Stosstruppe dieser Bewegung waren die neuentstandenen Orden der Jesuiten und auf dem Land vor allem der Kapuziner. Letztere schienen auch das Arther Volk zum Bau einer neuen imposanten barocken Pfarrkirche entflammt zu haben.

Das Horoskop der Eckstein-Legung spiegelt dieses Zeitgefühlt für das damalige Arth wider. Die Erregbarkeit und die Begeisterungsbereitschaft der Leute war gross (Mond mit Mars im Widder). Geprägt durch die Reformbewegung Uranus – Mondknoten) waren Geist und Verstand (Sonne und Merkur) in dem Willen geeint, etwas Grosses zur Ehre Gottes (Mondknoten im Schützen und besonders stark betontes 9. Haus) zu unternehmen (Sonne im Wideer an der Himmelsmitte). Man war von dem Optimismus durchdrungen, die neue Pfarrkirche prächtiger und weiträumiger zu bauen als die alte (grosses Trigon zwischen Sonne/Merkur – Jupiter – Mondknoten im Feuerzeichen). Das Gotteshaus sollte sinnen-freudig werden (Venus im Stier).

Zu dem Gelingen des Werkes wollte man sei-nen ganzen Ehrgeiz und Schaffensdrang einsetzen (Sonne an der Himmelsmitte – Aszendent im Löwen – Saturn im Steinbock im 6. Haus und mit grosser Disziplin ans Werk gehen (Mond – Saturn). Mit den vorhandenen Mitteln musste man sparsam und vorsichtig umgehen (Venus – Saturn), und wenn eine depressive Stimmung aufkommen wollte (Mond im Widder – Saturn), fand man in sich selber (Mond/Mars – Pluto) und in der religiösen Begeisterung (Neptun in den Fischen im 9. Haus) viel Kraft.»

Peter K. Manternach

10. «Dem Höchsten Gott Zuo mehrer Ehr»

Die Turmknopf-Urkunde von 1695

Im Herbst 1695 war das Kirchengebäude schon unter Dach und Fach. Ob es damals schon eine Art ‘Aufrichtefeier’ gab, wissen wir nicht. Wir wissen aber, dass damals eine Urkunde in die Turmknopf gelegt wurde – und zwar in die Kugel des Chorturms, weil ja der alte Turm mit Spitzhelm noch stand. Der damalige Arther Schulvogt, Franz Weber, hat sie auf den 9. November 1695 verfasst und fein säuberlich von Hand auf Pergament geschrieben. Es ist ein längeres Gedicht (‘Schnitzelbank’ würden wir heute sagen!). Von der hohen Warte des Kirchturms aus berichtet uns der zeitgenössische Chronist über die ‘Lage der Nation’ am See und in der weiteren Umgebung der Eidgenossenschaft.

Die Urkunde wurde zusammen mit zahl-reichen anderen Dokumenten aus späteren Zeiten bei der Aussenrenovation 1955 der Turmkugel entnommen. Leider sind diese alten Schriften heute nicht mehr auffindbar; zufälligerweise bin ich im Herbst 1996 auf Fotokopien gestossen. Es existieren zwar da und dort auszugsweise und meist fehlerhaft ‘verbesserte’ Umschriften dieses Gedichtes. So dürfen wir es gleichsam als eine Festgabe zum 300-Jahr-Jubiläum erachten, wenn wir die Turmknopf-Urkunde von 1695 aufgrund einer Kopie hier zum ersten Mal original-getreu und soweit wie möglich vollständig veröffentlichen können.

Dem Höchsten Gott Zuo mehrer Ehr.
Mariæ auch dem Gnaden Meer
Sant Geörgen gleichfahlss dem Patron
wie auch dem Bischoff Sant Zenon
Ist an statt der Kirchen alt,
welche war Eng und Ungestalt
gebauwen vor dem ersten Pundt,
Nun auffgerichtet auss dem Grundt
ohn allen Vorrath gantz auffs neüw
diss gegenwärttig schön gebeüw.
In dem Herbst der Anfang gmacht war,
Tausent sechs hundert Vier und neüntzig Jahr
dass folgent Jahr wurd Er bedeckt
Gross wunder diss der welt erweckt
die Kirchen wurd von gmeiner Kilchgangs Steühr
gebauwt, da alless war gar theür
Für fünff pfündigess brodt man zahlt
9. batzen, bald der Preiss abfahlt
Nach Vier Zechen Tag steigss ab auff Vier
und ietzund auff 8. Schilling schier.
In alter Kirch war der Altar
auffgerichtet 1486. Jahr
Der Weihbrieff ware nit zuo lesen
weil er vor Elte gantz verwesen
doch fande man an d: Maur geschriben
die Teütsche Vers so noch gebliben,
Da man 15 und 10 zahlt
Ein Mütt Kern 30. Schilling galt
3. gl ein Saum Wein
war diss gmäld gmacht harin
Gott zuo Lob Sant Geörg zur Ehr
war H. Werni Ehrler Decan und Kilchherr
Ruodi Betscher und Werni Känel war
Kilchen Vogt im selben Jahr.
So vil hat man von alten Mauren
dass neüw vernimb ohn alless dauren
Zuo diser Zeit war HochgeEhrtt
Pfarherr und Doctor Hochgelehrtt
Herr Carol Büeler, auch Zuemahl
Commissari, und auss Capitels Wahl
Sextarius gantz wolbestellt
und warent Ihme Zuo gesellt
Mithelffer, Herr Meinrad von Rickhenbach
Herr Baltasar am Riggiss gibt nichts nach.
Dess Rechts Schutz Vätter sind gewesen
die folgende Herren auserlësen
Herr Martein Kenel der Erst und Siebner zmahl.
der ander Alt Kirchen Vogt Baltz von Hospidal,
Johan Sebastian Zeÿ der Dritt
alt Kirchenvogt BauwHr. darmit
Meinrad Weber zehlt man den Viertt
Hauptman Franc Fassbind dass Fünfft Ohrtt ziertt
der Sechst Geörg Bürgi Seckel Verwalter
Ritter Geörg Reding bstelter Buochhalter
für den Bauw, der Sibent in Raht gehet,
der Acht Hanss Marttein Rickhenbach stehet
der Neunt ist Lienhartt Carli Fassbind
Ihn d: Kirchen Vogteÿ und S: Bauwambt bindt
Letstlich beschliesst der Rahtsherren Zahl
Herr Sekel Mr Joann von Hospidal
3. Steür bettler warent auch erkoren
3. Herren von Tugent und Adel wolgebohren
Herr Hanss Baltz Ritter Reding wie gemelt
Herr Fendrich Hemmer wurd auch zuogesellt
BauwHr. war, und der Architect
Hr. Johan Hieremias Schmid von gschlecht
Pfarrhelffer Z: HitzKirch, auch that dass sein
Hr. Geörg Zeno Heintzer fein
alss Schuol Mr mit seiner Jugent
liess sechen offt gross Mühö und tugent
Nit wenig halffe auch zur Sach
der Mr Joseph Zeno von Rickenbach
Diser Zit Löblich Messmer war
wie die 3 Vorväteren auch 122 Jar
Es Walten sich auch flissig an
die Capuziner inss gemein
Pater Michael der Gwardian
Schorno von schwÿtz ers getan
Er samt den brüederen, alt und jung
beim Bauwen Thaten Manchen Sprung
Seÿ Tragten Stein Holtz Sand und Kalch
Mit allem flÿs Gott seÿ ihr Danck
Ermannet dass Volck zu der arbeit
dass war darzu willig und breit
Alss man die decken solt
Sich Kriegsgefar erwecken wolt
Zwüschet Zürch und den 5 Orten
Seÿ striten starck doch nur mit Worten
Zweÿ Monat Lang wurd ingestelt
der grössten gloggen Klang und gselt
den Wachtfüren die Musterung
Officier erwelt zum ersten rung
Jost Meinrad Danner Hauptman war
Richter Reding der ander zwar
zu lüten Ampt sind zu geben
für dass Vater Land zu setzen dass Erben
Herr Francisc Fassbind der Richter
Herr Carli Zaÿ der Bild dichter
Herr Kasper Fenderich guot
Mit Baschi Meinrad, der mit muot
dem bauw gaben samt gantzen Kilchgang hoff und feür
Endtlich war veriagt dess Kriegs Unghür
und zu Baden gar veriagt
dem Teürk doch noch der Keiser zwagt
Der Han und Laüw auch sëngt und brenndt
der Läüw dass christlich Heil schier gar vertrent
Entzwüschet gibt Gott gnad besonder
dem Neüwen baw, hört an gross Wunder.
Uber gefrornen See und Jsch für war
hundert zentnerig stein für war
Fürt Man sicher auff der Schliten
ob offt dass ÿsch offt kracht in Miten
Gott zeigte auch zu Jmise ein bruch für stein
wie auch das sand im KirchHoff sein
der reiche uns ferners seine hend
bis die Kirch und wir kriegen ein gutes Endt.
Francisc Weber der Zit Schulvogt war
und Rott Meister zum Kirchen bauw sogar
Mit eigner Hand dis Memorial schrib
Her Hanss Baltz Steiner mit siner Maler Kunst nit ussblib.
Meister Andress Waltsteter von Münster Mur Meister war
Mit Meister Waltret Zaÿ auch selbendt har
Meist. Bat Bossert von Butissholtz
hat zimeret zum Tachstuel dass Holtz
Endtlich von Hanss Kasper und Hanss Peter Suter von Münster har
mit diser beschleichte der Thurm vollendet war.
Wie dise Kirch ietz ins Tach ist gstelt
hat man gebrucht zu haben 200 Nauwen voll Stein gezelt
ohne der alten Kirchen büw und Stein
deren hufen doch auch nit war klein
Dass Claffter Muren, die Meister thaten
Verdinget um 2 Thaler, das ist 60 Batzen oder ein Ducaten
denn auff dem Thurm klein den Knopf gross
hat auffgesetz Meister Jakob Kolross
Meister Francisc Pürli mit den Nauwen von Steinen schwer
Samt anderen Gesellen ist komen von Ehrhart und Rickenbach her
welche von unseren liebe Nachbart von KüsNacht und Walchwylen haben
Ein guten Zehen Teil stein zusamen tragen.

Geschriben den 9. Tag WinterMonat war
gezelt 1695 Jar.

11. Der Tag, an dem der Papst nach Arth kam

Kirchweihe am 13. Oktober 1697

Es mag in unserer Gemeinde wohl kaum je ein grösseres Kirchenfest gegeben haben, als die Weihe dieser neuen Barockkirche im Herbst 1697. Die Arther liessen sich dies auch etwas kosten. Jedenfalls war alles eingeladen, was in der katholischen Innerschweiz Rang und Namen hatte. Und sie liessen es sich nicht nehmen, zu dieser feierlichen Zeremonie den höchsten kirchlichen Würdenträger der Eidgenossenschaft zu verpflichten: den päpstlichen Nuntius. Was die Arther damals aber noch nicht wissen konnten: sie luden damit einen nachmaligen Papst ein! Nuntius Michael Angelus Conti bestieg unter dem Namen Innozenz XIII. 1721 als der achte seines gräflichen Geschlechtes den päpstlichen Stuhl.

Wir besitzen keine zeitgenössischen Berichte, die uns Aufschluss darüber geben, wie sich die Festlichkeiten dieser Kirchweihe zugetragen haben. Erst 125 Jahre später vermittelt uns Kommissar Fassbind in seiner handschriftlich erhaltenen Religionsgeschichte des Kantons Schwyz (das Arther Pfarrarchiv besitzt eine Abschrift des Manuskripts) eine kleine Ahnung von diesem Fest:

«Die Einweichung geschach sehr fejerlich den 13ten 8bris 1697. Sn Excellenz der Päpstl. Nuntius in der Schweiz, Michael Angelus Conti, der nachgehends auf den Päpstl. Thron erhoben worden unterm Namen Jnnocenz XIII. hat diese Religiöse Function vollzogen. Es erschienen dabej Viele geistl. und weltliche Standes-Personen von Schwiz, um dem Hr. Legat Ihre Aufwart zu machen.»

Fassbinds Beschreibung wird später von verschiedenen Autoren aufgegriffen und weitergeführt. Hier die Formulierung von Theodor von Liebenau (1896): «Am ersten Tage weihte dieser hochbegabte Kirchenfürst die Kirche und den Fronaltar zu Ehren der Märtyrer Georg und Zeno, den Hochaltar zu Ehren der beiden Kirchenpatrone, der Dreifaltigkeit und der Mutter Gottes. Am folgenden Tage weihte derselbe die fünf Altäre des Langschiffes und den Friedhof, der von einer Mauer umgeben sich um die Kirche zieht. Die Altäre waren:

  1. der Altar unter dem Chorbogen in der Mitte des Kirchenschiffes, geweiht zu Ehren des Gekreuzigten, seiner Mutter Maria und des hl. Johannes (1819 weggeschafft);
  2. der Rosenkranzaltar, rechts, westlich, zu Ehren Maria, des hl. Dominikus und Katharina von Siena;
  3. der zweite Altar auf gleicher Seite, zur Ehre des Auferstandenen, des Erzengels Michael und der Apostel Petrus und Paulus;
  4. der erste Altar auf der linken, östlichen Seite, gewidmet der Mutter Anna, den hl. Joachim, Joseph und Anton von Padua;
  5. der zweite Altar daselbst, 1680 von der Schützengesellschaft in Arth neu dotiert, zu Ehren der hl. Sebastian, Franz Xaver, Karl Borromäus, Nikolaus, Leonhard und Adrian.»

Mehr wissen wir nicht. Welcher Art(h) Musik wurde gespielt? Sicher noch keine Bach’sche Orgelfuge und auch noch nicht Händels Halleluja. Orchestermessen gab es damals auch noch nicht. Bestimmt aber wurde viel gregorianischer Choral gesungen und auch auf Instrumenten musiziert. Wir wissen auch nicht, ob eine regelrechte ‘Chilbi’, mit Ständen, Attraktionen, Gauklern, Schaustellern usw., damit verbunden war, also ein Volksfest in unserem heutigen Sinne stattgefunden hatte.

Ein heiliges Schauspiel

Aber die Liturgie der Kirchweihe war Schauspiel genug, ein ‘heiliges Schauspiel’. Es handelt sich nicht nur um die ausgedehnteste, sondern auch um die schönste unter allen liturgischen Akten der katholischen Kirche. Die verschiedenen Teile dieser Liturgie wurden anno 1697 auf zwei oder gar drei Tage verteilt. Dem Charakter nach handelt es sich um eine Art ‘Taufliturgie’ für das sakrale Gebäude, welche eine Vielzahl von rituellen Vollzügen, wie Exorzismen, Salbungen, Besprengungen usw. beinhaltet. Der Konsekrations-Ritus ist überaus reich an eindrucksvollen Zeremonien und tiefsinnigen Gebeten. Er hat zum Zweck, zunächst die Kirche zu einem heiligen Ort zu machen, zu einer würdigen Wohnstätte Gottes, dessen besondere Gnadengegenwart auf die Kirche herabgefleht wird. Dann aber soll die konsekrierte Kirche eine besondere Segensstätte für die Gläubigen werden; wer immer diesen heiligen Ort betritt, soll des Segens Gottes teilhaftig werden. – Im wesentlichen ist der Kirchweih-Ritus bis heute derselbe geblieben.

Am Vorabend des Konsekrationstages (oder gar während der ganzen Nacht) wird Reliquienwache gehalten. Im provisorischen Aufbewahrungsraum der Reliquien hält man die Vigilien (Matutin und Laudes) zu Ehren der heiligen Martyrer, deren Reliquien nachher in den Altären beigesetzt werden.

«Öffnet euch, ihr Tore!»

Die Kirchweihe beginnt mit der ‘Lustration’ (Entsühnung und Heiligung) der Kirche von aussen. Im Raum, wo sich die Reliquien befinden, werden die 7 Busspsalmen rezitiert. Dann folgt der Zug zur Kirchentür, wo man die Allerheiligenlitanei betet sowie Wasser und Salz segnet. Der Bischof umschreitet mit seinem Gefolge dreimal die Kirche und klopft mit seinem Hirtenstab an die Kirchentür. Dieser ‘Klopfritus’ wird begleitet vom Psalm 23. Der Bischof spricht: «Öffnet, ihr Fürsten, eure Tore, hebet euch empor, ihr ewigen Tore, einziehen will der König der Herrlichkeit.» Ein Diakon fragt von innen: «Wer ist dieser König der Herrlichkeit?» Der Bischof antwortet: «Der Herr, der Starke und Mächtige; der Herr, der Held im Kampfe.» Dreimal wird dieser Ritus wiederholt, bevor der Diakon von innen die Kirchentür öffnet, damit der Bischof mit seinem Gefolge und allem Volk einziehen kann.

In der Mitte der Kirche wird dann das ‘Veni Creator Spiritus’ gesungen, das von einem ergreifenden Kehrvers umrahmt wird: «Zachäus, steig eilends vom Baum, denn heute muss ich in deinem Hause einkehren. Da stieg er eilends herab und nahm ihn freudig in sein Haus auf. Heute ist diesem Hause von Gott Heil widerfahren. Alleluja.»

Alpha und Omega

Nun wird eine der geheimnisvollsten Riten der Zeremonie vollzogen: es wurden über dem Fussboden der Kirche von zwei je gegenüberliegenden Ecken kreuzweise zwei Aschenstreifen gezogen; der Bischof zeichnet nun auf diese Streifen mit seinem Stab das lateinische und griechische Alphabet. Dieser Brauch, ursprünglich heidnisch, war ein Bannmittel gegen feindliche Mächte bei Besitzergreifung eines Tempels; dies soll anzeigen, dass Gott, der das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende ist, diesen Ort in Besitz nimmt. Die Form des Kreuzes (Andreaskreuz: X) aber ist der griechische Anfangsbuchstabe des Namens ‘Christus’ Χριστός. Die Zeremonie des Aschenkreuzes erscheint darum gewissermassen als die feierliche Besiegelung der Besitzergreifung des Gotteshauses durch Christus, der sein Siegel, das Kreuz, dem Anfangsbuchstaben seines Namens, der zu heiligenden Stätte aufdrückt.

Nach diesen Einzugsriten folgt die Besprengung von Altar und Innenraum mit Gregorius-Wasser. Daran schliesst sich die Übertragung und Beisetzung der Reliquien in den verschiedenen Altären. Die Salbung der Kirchenwände an zwölf Stellen (die zwölf Apostelleuchten) erinnert daran, dass unser chrislicher Glaube auf dem Zeugnis der Apostel beruht; diese sind die Säulen der Kirche! Auf die Salbung und ‘kultische Reinigung’ des Altars folgt das Weihrauchopfer und die feierliche Weihepräfation. Wenn nun auch die heiligen Geräte zum liturgischen Gebrauch geweiht sind und der Altar ‘bekleidet’ ist, wird das erste Heilige Messopfer dargebracht. Nach der Wandlung wird das Ewige Licht entzündet.

«Haus Gottes sind wir selbst»

Alle diese Riten und Texte aber wollen nichts anderes sagen als: «Der Tempel Gottes seid ihr, und der Heilige Geist wohnt in euch!» Der Heilige Augustinus begann eine Ansprache zur Kirchweihe mit folgenden Worten: «Wir sind hier versammelt, um ein Haus des Gebetes feierlich zu weihen. Dies hier ist also ein Haus für unser Beten; Haus Gottes dagegen sind wir selbst.» Auch vom Heiligen Zeno von Verona ist eine eindrückliche Predigt über den ‘Geistlichen Aufbau des Hauses Gottes’ überliefert. Ein Blick auf die Schriftzitate, welche in den Kartuschen über den Seitenportalen unserer Kirche stehen, bestätigen dies: «Wir werden gesättigt mit den Gütern des Heiles im Heiligtum Deines Tempels.»

Nun stand die Kirche als Gebäude; mit der Weihe wurde sie zum Haus für unser Beten. Die Kirche als geistliche Gemeinschaft aufzuerbauen, uns selbst in unserem Alltag zum Haus Gottes zu machen – das ist der erneuerte Anspruch an die Pfarrgemeinde und bleibt es auch heute noch.

Freigebigkeit oder Frömmigkeit?

Blicken wir noch rasch auf eine andere Kartusche unserer Kirche. Sie steht über dem Hauptportal und hat den berühmten Arther Schriftsteller Karl Zay in seinem Bergsturzbuch zu folgender Bemerkung angeregt:

«Nur wünschte sich der Verfasser, dass anstatt der Aufschrift der grossen Kirchen-Pforte, welche heisst: D.O.M. Munificentia Arthensium posuit, Dem besten, höchsten Gott hat die Freÿgebigkeit der Arthner diesen Tempel errichtet, ein bescheideneres Wort als Munificentia, nämlich Pietas (Frömmigkeit), eingesetzt worden wäre; indem das Wort Munificentia an dieser Stelle zu anmaasslich ist, weil die Arthner nicht für Gott allein, sondern auch für sich diese Kirche erbaut hatten.»

Offensichtlich hatten wir schon für die Kirche von 1312 nicht zuviel behauptet, wenn wir sagten: «Gott zur Ehr und uns zur Wehr!» Bis Ende des 17. Jahrhunderts hatte sich am Stolz und der Selbstgefälligkeit der Arther nicht viel geändert.

12. Nicht schlüsselfertig abgegeben

Die Kirche ist noch lange nicht vollendet

Nun war die Kirche geweiht – vollendet aber war sie noch lange nicht! Die Fertigstellung der Innenausstattung sollte noch manches Jahr dauern. Zwar hatte der Arther Kunstmaler Johann Balthasar Steiner das monumentale Hochaltargemälde ‘Maria Himmelfahrt’ fristgerecht aufgerichtet. Zur Zeit der Kirchweihe aber waren die Altaraufbauten erst im Rohguss vollendet. Der Allgäuer Stukkateur Johann Jörg Hagenmüller arbeitete noch bis ins Jahr 1700 daran, diese Aufbauten zu marmorieren, Heiligenstatuen und Puttenengel und andere Ornamente anzubringen. Die beiden Seitenaltargemälde ‘Anbetung der Könige’ und ‘Heilige Sippe’ von Joh. Balthasar Steiner waren erst 1698 fertiggestellt. Das Chorgestühl war erst um 1700 vollendet – wahrscheinlich das Werk einheimischer Meister! Die Vorhalle (die Verbindung zwischen Hauptportal und Turmeingang, vom lateinischen Begriff ‘porticus’ = Säulenhalle her ‘Vorzeichen’ genannt) stammt, ebenso wie der barocke Turmaufbau, aus dem Jahre 1705.

Im Laufe der Jahrzehnte kamen immer wieder neue Ausstattungsstücke hinzu oder aber sie wurden erneuert: um 1726 die Priestersitze (Presbyterien) und der Kredenztisch vorne rechts und links vor dem Hochaltar, um 1738 das Hauptportal mit den geschnitzen Reliefbüsten der beiden Kirchenpatrone, um 1764 die Beichtstühle…

Es werden gerne Vermutungen darüber angestellt, warum wohl die Fertigstellung der Kirchenausstattung so lange auf sich warten liess. Meist werden ’fehlende Finanzmittel’ für diesen Umstand geltend gemacht. Dass den Arthern die Mittel ausgegangen wären, tönt eher unwahrscheinlich! Denn die Arther hatten noch immer das Geld zusammengebracht, wenn es darum ging, ihren Ambitionen und ihrem Stolz ein Denkmal zu setzen. Offensichtlich arbeiteten die Handwerker und Künstler auch damals nicht immer fristgerecht. Und mit dem barocken Turmaufbau verhielt es sich noch einmal ganz anders – doch davon im nächsten Kapitel.

13. Gerüttelt und geschüttelt

Vom Turmsturm bis zum Hörner- und Klauenstreit

Kaum war die neue Kirche vollendet und in grosser Feierlichkeit eingeweiht, da begannen die Elemente auch schon dem Bau wieder zuzusetzen. Arth hatte ja schon immer mit Wind, Feuer und Wasser zu kämpfen. Als erstes traf es das, was von der alten Kirche noch hätte stehenbleiben sollen: den Turm.

Wir wissen, dass der Turm im Jahre 1705 den charakteristischen barocken Aufbau erhielt; die Jahrzahl steht hoch oben am Sims der Glockenstube. Diese Laternenkuppel wurde zum Vorbild für zahlreiche Innerschweizer Kirchtürme. Ursprünglich aber sollte der aus dem 15. Jahrhundert stammende Turm der Vorgängerkirche in seiner spätmittelalterlichen Form (mit Spitzhelm) erhalten bleiben. Allein, schon kaum drei Jahre nach der Einweihung der Kirche, am 4. Juni 1700, hat ein gewaltiger Weststurm den Helm umgeworfen und somit diesem letzten Zeugen der alten Kirche den Todesstoss versetzt. In der Turmknopf-Urkunde von 1705 schreibt der Kirchenvogt:

«Warumb der Helm, wie ob verzeichnet, sÿe abgeschlissen worden, Ist die Ursach, willen Ao 1700 den 4ten HeüwMo: Abents um 10 Uhr Ein so Endtzetzliches Wetter Endtstanden, und ein so grausamb starckher Sturm Windt in gefahlen, dass Ess den gloggen stuol gegen dem See gelüpfft, und die Zapffen uss den Löcheren gestelt, auch die Mur gegen der Kirch in beÿden Eggen gespalten; und also den Helm gantz unsicher gemacht: diser Windstoss hat … Wälder, und vil fruchtbahre baüm uss dem Grundt gerissen, und sonst vil grossen Schaden veruhrsachet: Er hat ab unnser Kirche, Pfarr Hooff, und sonst wass die Kirch zu Erhalten, vil Ziegel unnütz gemacht… Ist also mir zu Verhüötung grösserer gfahr Ao 1700 den 30 HeüwMo: von einer Kirchen gemeindt an befohlen worden, den Helm ab zu schlissen, welcher biss auf zweÿ Klaffter ob den Gloggen abgeschlissen, und widerum mit Laden zu gedecht worden.»

Eine spätere Kirchgemeindeversammlung hat im Frühjahr 1705 beschlossen, den Turmhelm wieder aufzurichten, «darauff ein Kuppel zu machen, selbe mit Kupffer zu bedeckhen. Eines Teilss wie vermelt die Nodtwendigkeit solches erheüschte, anders Teilss Erfordere Ess die anstandigkeit, zu der Ao 1695 Neüw erbauwten Kirchen.»

Das 18. Jahrhundert hatte also schlecht begonnen. Es sollte auch weiterhin ein gerütteltes und geschütteltes Jahrhundert werden. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hinein war die Gemeinde Arth immer wieder von Unglück verfolgt: Naturgewalten, wie Brände und Unwetter, aber auch menschliche Streitigkeiten, wie Krieg, Revolution und Parteiungen brachten Not und Elend unter der Bevölkerung. Vom Turmsturm (1700) über die verheerenden Dorfbrände (1719 und 1759) bis hin zum grössten Unglück, das unsere Talschaft je heimgesucht hat, dem Goldauer Bergsturz vom 2. September 1806, hat unsere Gemeinde viel Not und Elend kennenlernen müssen. Und auch nachher blieben wir von den Wechselfällen des Lebens nicht verschont.

Wir können zwar all dies in Geschichtsbüchern nachlesen. Aber es ist doch sehr viel eindrücklicher, dies aus unseren ureigensten Arther Quellen und Urkunden oder aus der nur handschriftlich erhaltenen Religionsgeschichte des Kantons Schwyz von Kommissar Thomas Fassbind herauszulesen. Die Turmknöpfe unserer zahlreichen Arther Kirchen und Kapellen sind eine wahre historische Fundgrube, die es wert ist, besser ausgeschöpft zu werden.

«Die Brünnen laufeten trübe»

Für ein ländliches und vornehmlich bäuerliches Gemeinwesen waren Wind und Wetter, Hunger und Teuerung, Gesundheit und Krankheit seit jeher wichtige Lebensthemen. So lesen wir im alten Pergament aus dem Turm der St. Georgskapelle: «Dies 1653 Jahr war ein sehr guetes und ohne grosse Wind und Ungewitter liebliches Jahr von Wein, Korn und allerlei Früchten.» Ein paar Jahrzehnte später heisst es: «Diesen Winter ist der Artner See aber bis in Merzen überfroren gewesen und haben bis dato fast allzeit Regen oder Schnee gehabt.» Am 15. Januar 1739 entstand «ein niemals dergleichen erhörter Sturmwind, so unserm Kirchgang viele 1000 Gulden geschadet mit Zerreissung der Gebäuwen, Tächern, sonderlich aber mit Niederwerfung vieler hundert fruchtbarster Bäumen völlig ruiniert worden.» –«Dieser glückliche Zustand aber wurde durch viele Widerwärtigkeiten besonders in unserm Land trübe gemacht, indem anno 1743 und 1744 die rote Ruhr wütete und bis auf 220 ungefähr ins Grab legte. Anno 1755 ein starkes Erdbeben durch ganz Europa verspürt worden; hier bäumte der See ein Klafter auf, die Brünnen laufeten trübe. Anno 59 brannte das hindere Dorf den 25. December nachts ab. Anno 64 hagelte es hier den 9. May und anno 67 den 7. September abends um 9 Uhr.» – «Im Sommer 1795 war die Teuerung am höchsten: ein Brod galt einige Zeit 38 bis 39 Schilling und ein Rappen. Eine schöne Kuh galt 16 Dublen oder 208 Gulden und noch mehr. Ein Zentner Käs bis 28 Gulden. Der Stein Anken über 2 Gulden. Ein Saum Walchweiler item 26 Gulden. Ein Pfund Coffé galt 55 Schilling.»

Was ‘eine schöne Kuh’ wert ist, wird natürlich einen Bauern brennend interessieren.
A propos ‘Walchweiler’ – offenbar gedieh in unserer Nachbarschaft auch ein geniessbarer Tropfen Wein! Und schliesslich war Ende des 18. Jahrhunderts der ‘Coffé’ bei uns schon bekannt – kaum viel teurer als ‘Brodt’!

‘La Grande Nation’ am Zugersee

Die Turm-Chronisten vermochten aber stets über die Kirchturmspitze hinauszublicken. Sie betrachteten die nähere Umgebung, das mehr oder weniger friedliche Zusammenleben der Eidgenossen. Wir hören sie fast erleichtert aufatmen, wenn sie berichten können, dass wir von Bruderzwist verschont blieben. Aber wenn sich unsere Nachbarländer in den Haaren lagen, dann zitterten und bangten auch wir Eidgenossen. Um 1740 herum hören wir: «Dieser Zeit war gantz Europa, ausgenommen die wärte Eidgenossenschaft, in Kriegsflammen wegen Ableben seiner hochen Majestät Carol des sechsten römischen Kaisers. Bei so bewandten Sachen wurde ganz Teutschland verwüstet, Nieder- und Welschland bekriegt, darum dann ware eine ziemlich harte Zeit.»

Ein halbes Jahrhundert später brandeten die Wogen der Französischen Revolution auch an unsere friedliebenden Gestade: «Seit 1793, wo der Krieg der Republique Frankreich wider das Haus Oesterreich und dessen Allierte sich weiter ausgedehnt, lebten wir bange und elende Zeiten. In der Erste wusste man nicht, wenn die Franzosen in die Schweiz einfallen würden.» Gekommen sind sie dann doch noch, die mit den roten Hosen und den gelben Epauletten! Samt dem ‘Commissaire de la Grande Nation’ und wollten uns die Segnungen ihrer Revolution aufzwingen.

«Am 5. Mai 1798 rückten die feindlichen Truppen gegen Arth, und betraten den Boden desselben in grosser Zahl. Voller Wuth und nach Rache durstend wegen dem Verlust, den sie vor wenigen Tagen in dieser Gegend erhalten hatten, fiengen sie die näher gelegene Häuser an zu berauben und Menschen zu misshandeln, obschon nicht der mindeste Widerstand von Seite der Einwohner sich zeigte. Drey Männer aus der Gemeinde Arth, die sich ohne Gewehre nur von weitem zeigten, waren schon niedergeschossen, und grösseres Unheil war noch zu fürchten…»

Im Mai 1799 kamen die Franzosen ein zweites Mal. Während 10 Wochen hatten sie in Arth ihr General-Hauptquartier aufgeschlagen. Die Bevölkerung hatte sehr unter der Arroganz der ‘Grande Nation’ zu leiden. Als einen besonderen Affront aber empfand sie es, dass die Franzosen sie zwangen, die ‘antiken’ Waffen und Fahnen, die in alten eidgenössischen Kriegszügen erbeutet worden waren und im Dorf aufbewahrt wurden, auf einem Platz zusammenzutragen und zu verbrennen. Was das Feuer nicht frass, schmissen die Franken in weitem Bogen in den See hinaus.

Ein fürstlicher Asylant

Nach den fremden Armeen waren es die Steine, welche unser Tal überrollten und verschütteten: der Goldauer Bergsturz vom 2. September1806. Selbst die Jahre des mühsamen Wiederaufbaus waren begleitet von Not und Elend. 1817 und 1818 waren Jahre des Hungers und der Teuerung. Damals aber hatten wir das Glück, einen besonders fürstlichen Gast bei uns zu haben: der letzte Abt des aufgehobenen Klosters St. Gallen, Fürstabt Pankratius Forster, genoss von 1816-1819 im Arther Pfarrhaus Asyl. Hier war ein ehemaliger St. Galler Konventuale Pfarrer: Sebastian Enzler. Der Asylant erwies sich als grosser Wohltäter der Bevölkerung: «Er liess wöchentlich 30 Brote unter die Dürftigen verteilen und stiftete vor seinem Weggang 1000 Gulden für Hausarme in Arth.»

Nach dem Hunger schlug wieder die Naturgewalt zu: Ein unerhörter Sturm hat in der Christnacht 1819 über 10’000 Ziegel vom Kirchendach gefegt, zahllose andere Hausdächer abgedeckt, eine Vielzahl von Obstbäumen entwurzelt und manch weiteren Schaden angerichtet. Die Turmknopf-Urkunde berichtet uns: «Im Jahr 1819 ist das Glockentürmlein auf der Kirche unter der Regierung des Hrn. Kirchenvogt Ignaz Domini Beelers wiedrum renoviert, der Knopf darauf vergoldet und das Muttergottesbild wieder frisch gemalt worden.»

«Schlimmer als ganz frembdes feindliches Militair»

1833 kamen dann ‘innenpolitische’ Querelen. In der Absicht, den neuen demokratischen Rechten zum Durchbruch zu verhelfen und sich von der Schwyzer Aristokratie und der konservativen Herrschaft zu lösen, kam es 1831 zur Trennung des Kantons. Eine kantonsinterne Auseinandersetzung war die Folge, mit Besetzungen und Waffengeklirr, bis sich Schwyz unter dem Druck eidgenössischer Truppen anno 1833 wieder zu einer Einigung und später zu einer ersten Kantonsverfassung fand. Damals war Arth von Zürcher Truppen besetzt. Hören wir, wie der Turmknopf-Chronist diese Zeit beurteilt:

«So ordnete die Hohe Tagsatzung, welche damals in Zürich versamelt war, über 10,000 Mann Militair aus den Kantonen Zürich, Bern, Luzern, Argau, St. Gallen, Glarus & Thurgau in unsern alten Bezirk Schwÿz, blieben 10 Wochen beÿ uns, bis wir gezwungen wurden, eine neue uns lästige Verfassung & eine neue Regierung anzunemmen… Diese eÿdgenössischen Militair nekten & plagten uns fast mehr als ganz frembdes feindliches Militair. Dafür segnete Gott unsere Feld & Garten-Früchten in folgendem Herbst so, dass wir desswegen keinen Mangel an Lebensmitteln leiden mussten.»

Die Turmknopf-Urkunde enthält also bittere Klagen über die Zürcher Truppen. Sie scheinen bis auf die Rigi hinauf randaliert zu haben. Wir wissen nämlich, dass der Arther Maler Dominik Späni (1811-1896) die Kreuzwegstationen vom Dächli ins Klösterli hinauf restaurierte, die von den Zürcher Soldaten mutwillig beschädigt worden waren.

Von der Prügel-Landsgemeinde

Damit aber war die Kontroverse nicht erledigt. Sie zog sich noch über Jahre hinweg und gipfelte 1838 im legendären Hörner- und Klauenstreit. Es ging um die Nutzung der Oberallmeindgüter. Kleinviehbesitzer, die nur Ziegen und Schafe auftreiben konnten, fühlten sich gegenüber den Grossviehbesitzern benachteiligt. Um die Klauenmänner scharten sich die ärmeren Leute, die Handwerker und ‘Nichtauftreibenden’. Die Liberalen unterstützen die ‘Klauen’, die Konservativen die ‘Hörner’. Dieser Streit fand seinen Weg bis in die Kirchturmspitze hinauf. Handwerker, also die Exponenten der neuen liberalen Bewegung, hatten bei der Renovation der Kirche ihre ‘Pamphlete’ in die Turmkugel gelegt – was bei der nächsten Eröffnung einen Sturm der Entrüstung bei den Konservativen auslöste. Die ehrbaren Hüter der konservativen Ordnung waren empört über das Sakrileg der liberalen Neuerer, den Kirchturm für ihre politischen Zwecke zu missbrauchen. Auf welcher Seite unser Turm-Chronist stand, ist leicht auszumachen:

«Im Jahr 1838 war im ganzen Kanton, so auch in unserer Gemeinde am meisten, in politischer Rücksicht alles entzweith, Freund stund gegen Freund, Bruder gegen Bruder, Sohn gegen Vater etc: Dieser Partheÿhass entspan sich wegen einem Prozess, so viele Oberallmeindt-Genossen gegen der Oberallmeindt:Verwaltung anhebten; zu diesen Genossen geselten sich, wegen politischen Tendenzen die gegen unsere rechtmässige Obrigkeit gesinnten Bürger, in & aussert unserm Bezirk & Kanton, jedoch blieb die Verwaltung oder besser gesagt die Regierungs Partheÿ in der Mehrheit. An der ersten Kantonsgemeinde am Rothenthurm kam es zur starken Thätlichkeit, es war unbegreiflich, dass nicht viele Leben eingebüst wurden, & die Gemeinde muste desswegen aufgegeben werden; selbst dem regierenden Landammann Holdener wurde mit einem geschleuderten Stein sein Hut durchlöchert. An der 3ten Kntsgemeinde wurden zweÿ Scheidhäge zwischen beÿden Partheÿen gezogen, eÿdgenossische Commissarien waren anwesend, und das 1te Mehr schon muste nach 3 maliger Abscheidung abgezelt werden, welches wieder zu Gunsten der Regierungs Partheÿ ausfiel, nachher zog der verlierende Theil ab, welche sogar alte presthafte Männer dorthin in die Gemeinde führten; & so sind die Vorgesetzten wieder gut conservativ besetzt worden.»

Wenn zwei dasselbe tun…

Der Palmesel und der ‘Hirschen’

Parteipolitische Ansichten machten auch vor der Kirche nicht halt: «Am 24. März wurde der Palmesel samt dem Christus-Bilde darauf, das während der feierlichen Cérmonie am Palmsonntage den Aufgeklärten zum Anstosse war, und nach wiederholter Drohung der Entfernung von Hochw. Hrn. Pfarrer Rickenbach zu sicherer Aufbewahrung ins Pfarrhaus gebracht, zu Nachtzeit durch frechen Einbruch entwendet, unter Hrn. Kirchenvogt u. Haupmann Xaver Zai. Er kam ungeachtet aller Nachforschung nicht mehr ans Tageslicht.» Das war 1838.

Prompt kommt 1840 die Quittung: «Am 10ten Mai morgens um 6 Uhr brannte innerhalb einer Stunde das herwärts dem Thurm an der Landstrasse am See gelegene Wirtshaus zum Hirschen ab. Das Feuer verbreitete sich aus der dem Hause angebauten Brennhütte. Viele wollten in diesem Unglück eine Strafe Gottes erblicken, weil in diesem Haus die Klauenmänner häufig ihre Versammlungen hielten.» Dieser ‘Hirschen’ stand im Adlergarten. In Feuerakten lesen wird: «Bei diesem Brand wurde der vortreffliche Portrait-Maler Josef Martin Schmid von Schwyz, der im ‘Hirschen’ übernachtete, irrsinnig; er starb ledigen Standes am 30. Oktober 1842 zu Ried ob Schwyz».

1842 schmuggelte ein gewisser Anonymus ‘einige wüste Schmähschfriften’ gegen die Orden, vor allem gegen Kapuziner, Jesuiten und auch Benediktiner, ohne Wissen der weltlichen und geistlichen Obern in den Turmknopf. Ein späterer Chronist tröstet sich: «Dort oben auf dem Turm konnten diese Schriften glücklicherweise kein Unheil stiften und die Muttergottes ist sich gewohnt, stolz über der Schlange und allem höllischen Unrat zu stehen.»

14. Die beiden Hausherren

Unsere Kirchenpatrone Georg und Zeno

Der Ursprung der Pfarrei Arth liegt in den beiden Kirchen St. Georg und St. Zeno. Es muss eine recht alte Pfarrei sein, denn die erste Nennung dieser beiden Kirchen geht ins 11. bzw. 13. Jahrhundert zurück. Auch haben archäologische Grabungen die beiden Gebäude ins ausgehende erste Jahrtausend datiert. Und schliesslich zeugen auch beide Namen für das hohe Alter dieser Patrozinien. Damit sind drei wichtige Wege und Methoden genannt, die uns über das Alter Aufschluss zu geben vermögen:

– Schriftliche Zeugnisse: Sie zeigen meistens nur den spätmöglichsten Termin an.
– Archäologische Grabungen: Sie geben uns weiterführende Hinweise auf allfällige ältere Schichten und erlauben möglicherweise eine weiter in die Vergangenheit zurückreichende Datierung.
– Patrozinienforschung: Die Wissenschaft der Kirchenpatronate ist eine bisher in der Geschichte von Arth kaum angewandte Methode der Altersbestimmung. Auch sie vermag uns weitere wertvolle Anhaltspunkte für die Datierung zu liefern. Dabei leistet die sogenannte Reliquienforschung einen nicht zu unterschätzenden Dienst.

St. Georg – ein Universalheiliger

Die erste schriftliche Nennung der Kirche St. Georg geht ins Jahr 1036 zurück. In einer Urkunde der Grafen von Lenzburg wird für Arth eine «curtis ad sanctum Georgium cum ecclesia» (‘ein Hof zu St. Georg mit Kirche’) erwähnt, welche dem Vogt von Beromünster zur Verwaltung übertragen worden ist. Es ist wohl anzunehmen, dass diese 1036 erwähnte Kirche seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten oder Generationen schon bestanden hatte oder dass es möglicherweise auch eine Vorgängerkirche gab.

Archäologische Forschungen führen uns hinter schriftliche Zeugnisse zurück. So wurden anlässlich der Renovationsarbeiten von 1968 unter dem 1654 erstellten Gebäude die Fundamente einer Kirche aus der gotischen sowie einer solchen aus der romanischen Zeit entdeckt (13. bzw. 11. Jahrhundert). Die grösste Überraschung aber war, dass neben diesen Fundamenten Überreste einer noch viel älteren Kirche zum Vorschein kamen. Sie kann ins 10. Jahrhundert datiert und als karolingisch identiiziert werden. Diese Überreste zeigen auch, dass die Siedlung Arth selbst ein grösseres Alter aufweist als bisher angenommen.

Eine annäherungsweise Altersbestimmung einer Kirche kann nun aber auch auf dem Weg der Patrozinienforschung geschehen. Georg ist ein Lieblingsheiliger des fränkischen Königshauses. Dieser ‘nomadisierende Adel’, der reihum von Besitz zu Besitz reiste, nahmen seine Schutzheiligen auch mit sich, und weihte ihnen da und dort die Heiligtümer seiner Höfe. Die Lenzburger hatten grundherrschaftliche Rechte in Arth; St. Georg ist eine Stiftung der fränkischen Lenzburger. In derselben Urkunde von 1036 wird auch Sursee erwähnt, das ebenfalls ein Georgs-Patrozinium besitzt. (Die Lenzburger sind übrigens 1172 ausgestorben und ihr Besitz fiel an die Kyburger). Die meisten Georgs-Patronate aber stammen aus dem ersten Jahrtausend. Die Patrozinienkunde bestätigt also die Hypothese der Archäologen: Die Kirche St. Georg ist noch vor der Jahrtausendwende anzusetzen.

St. Zeno – ein seltener Patron

Die erste urkundliche Erwähnung einer Zeno-Kirche in Arth geht ins ausgehende 13. Jahrhundert zurück. Es sind uns Abschriften von Ablassbriefen aus den Jahren 1290 und 1299 erhalten. Am 17. April 1290 wurde den beiden Arther Kirchen (St. Georg und St. Zeno) von «Bonifatius, Bozoniensischem Bischof» (wahrscheinlich Bischof von Bosa, auf Sardinien), ein Ablass verliehen. Und 1299 hat ein anderer Bonifatius, nämlich der Weihbischof von Konstanz, in Zug einen weiteren Ablassbrief geschrieben. In beiden Urkunden wird St. Zeno ‘ecclesia’ (Kirche), nicht bloss ‘capella’ (Kapelle) genannt.

Auch hier erlauben archäologische Grabungen, hinter diese schriftlichen Daten 1290 und 1299 zurückzugehen. Der Bericht über die Grabungsuntersuchungen in der Klosterkirche von 1962 hält fest, dass die älteste erreichbare Bausubstanz in romanische Zeit zurückreicht: «Es sind Reste einer gotischen und eines sicher sehr frühen romanischen Baues gefunden worden». Überdies deuten die beim Klosterbau gefundenen menschliche Skelette auf einen früheren Begräbnisplatz hin; ein solcher ist in der Regel mit einer Pfarrkirche verbunden.

Die Patrozinienforschung vermag uns vielleicht auch hier einen Schritt weiterzuführen, auch wenn es vorläufig nicht mehr als Hypothesen sind. Mein Veroneser Freund Don Franco Segala, Direktor des Diözesanarchivs und namhafter Zenoforscher, spricht von drei möglichen Verbreitungssträngen der Verehrung des Heiligen Zeno.

1. Imperiale (kaiserliche) Tradition: Verbreitung über Herrscherhäuser. Zeno ist ein karolingischer ‘Hausheiliger’. Die Karolinger hatten ihren Schutzpatron in ihre entfernten Besitzungen mitgenommen. Ist nun das Patrozinium des Zeno in Arth diesem Überlieferungsstrang zuzuordnen? Wohl kaum, denn dies würde andere grundherrschaftliche Bedingungen voraussetzen als sie uns bekannt sind! Daran ändert auch nichts, dass im lenzburgischen Stift Beromünster Zeno-Reliquien zu finden sind.
2. Moniale (klösterliche) Tradition: Verbreitung über Mönche. Die Benediktiner-Abtei San Zeno Maggiore in Verona (Welschbern) war generationenlang von süddeutschen Mönchen besiedelt (die Oberschicht in Verona war deutschsprechend!). Arth aber kannte nie klösterliche Herrschaften – es sei denn diejenige des Klosters Pfäfers, das auch eine Zenoverehrung kennt, doch datieren dessen Arther Interessen erst aus späterer Zeit.
3. Diözesane Tradition:
Verbreitung über Bischöfe. Da die ersten beiden Verbreitungsstränge im Falle von Arth nicht in Frage kommen, bleibt noch diese Möglichkeit zu untersuchen. Nach Ansicht der Zeno-Forscher waren es bis ins 11. Jahrhundert hinein in erster Linie Veroneser Bischöfe (meist süddeutscher Herkunft, wie die Mönche von San Zeno in Verona), welche die Zenoverehrung in den Norden der Alpen brachten. Ein Bischof Ratold zog sich im 9. Jh. von Verona als Einsiedler an den Bodensee zurück; daraus entstand Radolfzell. Er hat die Verehrung des Veroneser Stadtheiligen Zeno mit sich ins Bistum Konstanz gebracht, zu dem auch die Urschweiz gehörte. Wenn unsere Zenokirche, wie die archäologischen Grabungen vermuten lassen, schon im ausgehenden ersten Jahrtausend gegründet wurde, so ist sein Patrozinium in Arth wohl auf den Einfluss von Veroneser Bischöfen über das Konstanzer Bistum zurückzuführen.

Es lassen sich auch zwei Verbreitungsphasen unterscheiden. Eine erste Phase ist im Frühmittelalter anzusiedeln: Die Zeno-Verehrung verbreitete sich seit dem 7./8. Jahrhundert über den Zenoberg (bei Meran), Naturns (im Vintschgau) und das bündnerische Müstair bis nach Pfäfers und Ladir (ob Ilanz); ein weiterer Strang führte nach Bayern, aber auch ins Bodenseegebiet. Mit der Übertragung der Zeno-Reliquien nach Ulm und Radolfzell im Jahre 1054 durch Bischof Walter von Verona (1037-1055) setzte eine zweite Phase ein. Im im süddeutschen Raum gewann das Zeno-Patrozinium erneut an Zugkraft. Allem Anschein nach ist aber das Zeno-Patrozinium von Arth der ersten Phase zuzuordnen. Dieses Ergebnis wird gestützt durch die Grabungsuntersuchungen.

Wer war zuerst: Georg oder Zeno?

Die neuere Forschung nimmt an, dass seit urdenklichen Zeiten im Arther Boden zwei Kirchen bestanden haben. Die Streitfrage allerdings ist alt, welches Patrozinium in Arth das ältere sei: dasjenige des Heiligen Georg oder das des Zeno von Verona. Wenn auch schriftliche Zeugnisse und archäologische Grabungen hier keinen eindeutigen Schluss zulassen, so kann doch die Patrozinienkunde weitere Hinweise geben.

In diesem Teilbereich der Geschichtswissenschaft gilt der Grundsatz, dass bei nicht zusammengehörigen Doppelpatrozinien (wie z.B. Peter und Paul, Kosmas und Damian usw.) das nachgestellte Patrozinium im allgemeinen als das ältere zu gelten hat. Dies ist bei unseren Georg und Zeno der Fall. Gerne wurde im Laufe der Zeit ein ‘neuerer’ Kirchenpatron einem älteren nachgestellt. Der Titel ‘St. Georg und Zeno’ der Kirche von 1312 spricht also für Zeno als dem älteren Patron.

Ein weiteres Prinzip besagt, dass man ohne triftige Gründe das Patrozinium einer zweitrangigen Kirche (als die die Arther Zenokirche allzu gerne und vorschnell betrachtet wird) nicht auf eine andere Kirche überträgt. Wäre St. Zeno eine zweitrangige Pfarrei oder gar bloss eine Kapelle gewesen, so wäre sein Patronat nicht auf die neue Talkirche von 1312 übertragen worden. St. Zeno kann daher als älter gelten.

Für die Priorität und Ursprünglichkeit der Zeno-Kirche spricht noch ein weiteres Argument. Die Verehrung dieses Heiligen fusst – neben dem von Gregor dem Grossen überlieferten Wasserwunder – auf seiner Exorzismuskraft. Die Legende berichtet, er habe aus der Tochter des Kaisers Galienus (der in Verona Hof hielt) den Teufel ausgetrieben. Christlich gedeutet heisst dies, dass der Heilige uns anweist, dass das Böse nur mit Gebet und Fasten zu überwinden ist. Dieses Muster christlicher Lebensbewältigung kehrt in der Georgslegende in verallgemeinerter Form wieder: Georg bändigt den Drachen des Bösen und macht ihn unschädlich, indem er ihn in die Stadt führt und die Menschen dazu aufruft, sich zu bekehren und sich taufen zu lassen; sie sollen das Böse lassen, indem sie ihren Schatten integrieren. Während nun die Georgslegende als allgemeines Paradigma der Taufinitiation gilt, so stellt die Heilung der Tochter des Kaisers einen individuellen Fall dar. Die Wendung ins Allgemeine jedoch ist als historisch nachgeordneter Prozess zu verstehen. Das christliche Lebensparadigma des Zeno scheint in seiner individuellen Gestalt älter zu sein das das stark typisierende und verallgemeinernde des Georg.

Es gibt ernstzunehmende Forscher, die dafür halten, dass St. Zeno die ursprüngliche Arther Pfarrei gewesen ist. Jedenfalls ist Zeno ein sehr seltenes und sehr altes Patrozinium – im übrigen das einzige Zenopatrozinium der deutschsprachigen Schweiz!

Ritter Georg, der die Bedrohten schützt

Ein Ritter in Eisen, auf einem Pferd sitzend, mit geschwungener Lanze oder ausholendem Schwert – so ist Georg auf unzähligen Bildern dargestellt, so auch auf dem alten Arther Altartriptychon. Hoch aufgerichtet durchsticht er einem Drachen, einem hässlichen, gepanzerten Untier, den Rachen.

Georg hat gelebt. Er ist keine Märchenfigur. Er war ein vornehmer Perser im 3. Jahrhundert, ein hoher Offizier des römischen Heeres. Als der römische Kaiser Diokletian begann, Christen zu verhaften – einfach deshalb, weil sie Christen waren – zu verhören, zu foltern und hinzurichten, trat er öffentlich gegen den Kaiser auf und nannte das Unrecht beim Namen. Er nannte Mord Mord, legte alle seine Titel und Ämter nieder und stellte sich auf die Seite der Verfolgten. Das Ende war, dass der Kaiser den unbequemen Mann hinrichten liess.

Der heilige Georg ist der Patron der Pfarrei Arth.

‘San Zeno che ride’ – Der lächelnde Heilige

Zeno lebte im 4. Jahrhundert in Oberitalien und war in der Zeit der Völkerwanderung der achte Bischof von Verona. Er war ein hochbegabter Redner und berühmter Prediger. Sein Hauptanliegen war die Seelsorge und die Gestaltung der Liturgie. Er ist auch bekannt als Wundertäter und Heiler. Es gibt von ihm eine ganze Reihe von Wunderberichten als Exorzist (Legende von der Heilung der Tochter des Kaisers Galienus). Er hat sich auch dafür eingesetzt, dass unverheiratete Frauen unbehelligt und in kirchlich anerkannten religiösen Gemeinschaften ihr Leben gestalten konnten. Für sein sozialkaritatives Wirken erhielt er den Ehrentitel ‘Vater des Vaterlandes’.

Zeno ist zu Beginn des 4. Jahrhunderts geboren. Aufgrund seiner legendenhaft dunklen Hautfarbe sucht man seine Heimat in Nordafrika – wahrscheinlich aber stammt er aus Oberitalien. Er starb etwa um 380. Schon früh entstand über seinem Grab eine Kirche. Papst Gregor der Grosse erzählt in seinen Dialogen die wunderbare Befreiung dieser Kirche aus Wassernot; dies war der Anlass, dass Zeno zum Wasserpatron wurde: zum Schutzpatron gegen Hochwasser und Wildbäche. Auch in Arth wird er als Wasserheiliger verehrt. Er gilt aber auch als Patron für sprach- und bewegungsgehemmte Kinder (Patron der Heilpädagogik!). Dargestellt wird Zeno als Bischof, meist mit einem Fisch am Bischofsstab hängend oder auf einem Buch liegend. Auf unserem Arther Hochaltar schaut ein kleiner Teufel unter seinem Bischofsornat hervor. Die berühmte Marmorstatue aus dem 13. Jahrhundert in der Basilika San Zeno Maggiore in Verona zeigt ihn mit einem blutjungen, verschmitzt lächelnden Gesicht. Die Veroneser nennen ihn liebevoll ‘San Zeno che ride’ – weil er ein fröhlicher Mensch gewesen sein soll.

Zeno von Verona war ein berühmter Redner und Prediger; selbst Juden und Heiden strömten herbei, um seinen Predigten zuzuhören. Von ihm sind uns 93 Predigten erhalten, darunter das berühmte Sonnengleichnis und das Horoskop des Christen sowie die Predigt über Glaube, Hoffnung und Liebe und vom geistlichen Aufbau des Hauses Gottes. Seine Predigten (‘Traktate’ genannt) sind meist Skizzen oder kleinere Ansprachen, vor allem zur Oster-Taufliturgie, die er sorgsam pflegte und gestaltete. Sie zeigen ihn in seinem Hauptanliegen als Seelsorger und gewähren einen tiefen Einblick in das christliche Leben jener Zeit.

Er bemühte sich, seine Gemeinde vor den Gefahren des Arianismus (welcher in Christus nicht den wahrhaftigen Gott, sondern das erste und höchste von Gott aus dem Nichts geschaffene Geschöpf sah) zu bewahren und sie aus den noch immer mächtigen Einflüssen der heidnischen Umwelt herauszuführen. In erster Linie bekämpfte er unerbittlich die Missstände in der eigenen Gemeinde. Aber, wie berichtet wird, lehrte er stets ‘mit Sanftmut und Heiterkeit’ – ‘San Zeno che ride!’

Zeno war sehr belesen sowohl in der christlichen wie auch in der heidnischen Literatur der Spätantike. Er beherrschte alle Künste der Rhetorik und verfügte gegebenenfalls auch über Humor und treffenden Witz. Wir verdanken Zeno eine der frühesten theologischen Darstellungen der Jungfräulichkeit Marias. Von ihm stammt die Formel: «Maria war Jungfrau vor, während und nach der Geburt.» Er sieht also Maria als einen Menschen, der ganz im Einklang mit sich selber steht.

Die Stiftsbibliothek des Klosters Einsiedeln verwahrt das Manuskript einer Lebensbeschreibung des Heiligen Zeno durch Coronatus Notarius aus dem 12. Jahrhundert.

Der heilige Zeno ist der Patron der Gemeinde Arth.

15. «Muttermilch Unserer Lieben Frau»

Kleine Arther Heiligenkunde

Unsere Pfarrkirche bewahrt in ihrem Reliquienschatz, was ‘Lac Beatæ Mariæ Virginis’ genannt wird, zu deutsch ‘Muttermilch Unserer Lieben Frau’. Wer nicht weiss, was dieser Begriff bedeutet, stellt sich unwillkürlich ein antikes ‘Schoppefläschli’ vor, das unsere Heiligland-Pilger vor Jahrhunderten aus Bethlehem oder Nazareth gefüllt mit nach Hause gebracht hatten. Nein, es handelt sich schlicht und einfach um einen milchigweissen Stein aus der Grotte von Bethlehem!

Im Pfarrarchiv liegt ein Reliquienverzeichnis, das nach Ansicht namhafter Reliquienforscher zu den interessantesten Listen der Schweiz gehört. Es gibt allerlei wertvolle Aufschlüsse nicht nur über die Namen zahlreicher Heiligen, sondern auch über die Gattungen der ‘Heilthümer’, wie auch über Besiegelung, Verpackung, Etikettierung und Aufbewahrung der Reliquien. Unsere Arther Kirche besitzt eine Vielfalt von z.T. seltsamen Reliquien, über die wir heute nur mehr schmunzeln können:

«Hierjnen ist von dem Tuch darin unser Herr ist empfangen, als Er von dem Crütz ward genomen; auch von dem Tuch, daruf Christus dass letzte nachtmahl mit seinen Jüngern hat genossen; auch von dem hembt unser lieben Frauwen als Sÿe unsern Herren geboren; auch von dem Schleÿer so unser liebe Frauw uf dem Haubt gehabt So sÿe under dem Creütz gestanden; von dem Heiw daruf Christus gelegen als Er geboren. Hie ligendt 3 particul von dem hochheiligen Crütz daran Christus gelitten; von dem Crütz daran Sanct Andreas gemartert; von der Bar darin unser liebe frauw gelegen.»

Diese Reliquien befinden sich in der wunderschönen hölzernen Reliquientruhe, in den Pyramiden-Reliquiaren auf dem Hochaltar oder einzeln gefasst in kostbaren Kreuzen oder andern Ostensorien. Neben der ‘Muttermilch Mariens’ besitzen wir natürlich in erster Linie Reliquien unserer beiden Kirchenpatrone Zeno und Georg (wobei bei letzterem die Authentizität fraglich ist!). Als kostbar und für die Schweiz sehr selten gilt der Partikel des Andreaskreuzes.

1578 wurden in Rom die antik-frühchristlichen Katakomben wiederentdeckt. Man erblickte in ihnen die Grabstätten christlicher Martyrer. Im 17. Jahrhundert begann «die Versendung von h. Leibern nach den katholischen Ländern Europas». Auch Arth besitzt zwei Katakombenheilige, nämlich «eÿn grosser Theil von den gebeinen sammt der Hauptschädel der Hl. Martÿrer Benedictus und Flora Jfr.» Der Leib der Heiligen Jungfrau Flora wurde 1672 vom Päpstlichen Legaten Friderich Borromeo geschenkt. 1673 «sind sechs ehrbare Männer von Arth Pilgrims weis nach Rom gereist», um die Reliquien in seiner Hauskapelle in Empfang zu nehmen und nach Hause zu führen. Sie sind in Einsiedeln gefasst und dann «mit grosser Feÿrlichkeit in die Kirche übersezt worden». Der Leib des römischen Martyrers Benedikt gelangte 1675 nach Arth. Beide Reliquien befinden sich in den äusseren Nischen der Seitenaltäre.

Übrigens nennt auch Goldau einen Katakombenheiligen sein eigen: den Leib des Heiligen Innozenz. Die (wie in Arth) als Büste gefassten Reliquien wurden nach dem Bergsturz 1806 aus dem Schutt gerettet und sind in alter Fassung noch erhalten.

Die Heiligenverehrung aber hängt nicht bloss an den Reliquien, die in unserer Kirche aufbewahrt werden. Wer sich an die Weihetitel der Altäre bei der Kirchweihe erinnert, findet eine ganze Reihe von Heiligen, die damals in unserer Gemeinde beliebt waren und sich in der Namengebung der Kinder spiegeln. Und wer sich in unsern Kirchenschatz umschaut, der findet alle unsere Arther Lieblingsheiligen. Jeder und jede hat ein Vorbild zur Auswahl; sie verkörpern die vielfältigen Arten und Weisen des Christseins. Von daher gesehen gibt es in der Kirche keine Uniformität. In der Vielfalt aber die Einheit zu bewahren, das ist der Auftrag kirchlicher Gemeinschaft, Sinn auch unseres pfarreilichen Zusammengehens.

16. «Fromb sein ist gar guoth»

Von der Frömmigkeit unserer Vorfahren

In einer alten Schrift lesen wir einen kurzen Spruch, der die Frömmigkeit der Arther treffend kennzeichnet:

«Fromb sein ist gar guoth,
fromb sein bringt Armuoth,
halb Schelm, halb fromb,
bringt gross Ehr und Reichthumb.»

Die Arther waren nie päpstlicher als der Papst. Irgendwo steht sogar zu lesen, dass sie die Predigt schamlos durchschliefen, entweder zu spät zur Kirche kamen oder sie zu früh wieder verliessen, und dass nirgends die Feiertage schlechter beobachtet wurden als in Arth… Trotzdem hatten die Arther eine reiche Palette von Frömmigkeitsformen entwickelt, die sie mit ihren Innerschweizer Nachbarn gemeinsam hatten.

Der pfarrliche Gottesdienst

Über die gottesdienstlichen Bräuche aus der Zeit des Kirchenbaus (1692) berichtet uns Dekan Lang: «Der Gottsdienst wird in dieser Kirch gar loblich verricht durch einen Pfarrherrn und 2 Capellanen / welche täglich neben den Aembteren der HH. Mess ein gesungenes Salve, und den H. Rosenkrantz; an unser L. Frauen / und an der HH. Apostlen Vor-Abenden und Festen aber / auch unser L. Frauen Lauretanische oder aller Heiligen Lÿtaneÿ halten und singen. Insonderheit werden da durchs Jahr hindurch für die Abgestorbne viel Jahrzeit gehalten / und an selbigen den Armen viel Brodt aussgespändet.»

Bis um 1800 hatte sich an diesen Gebräuchen wenig geändert, wie aus Kommissar Thomas Fassbinds Beschreibung zu schliessen ist: «Der tägliche Gottesdienst in wird Arth, wie im Kanton Schwyz allgemein üblich, fast täglich mit Gesang und Orgelbegleitung, Lob- und Requiem-Ämtern gehalten, der Gottesdienst an Sonn- und Feiertagen mit feierlichem Geläute eröffnet. An hohen Festen sind levitierte Ämter. Zur Wandlung erscheinen Tortschenträger. In der Fastenzeit wurden früher alle Wochen drei Predigten gehalten. Die ganze Adventszeit hindurch strömt das fromme Volk zu der in der Morgenfrühe stattfindenden Rorate-Messe.»

Karl Borromäus weiss schon um 1570 zu berichten: «An Feiertagen kommt das ganze Volk zum Gottesdienst und verlässt die Kirche nicht vor Schluss desselben. Bemerkenswert ist die Ehrfucht und Andacht, welche das VoIk in der Kirche an den Tag legt. Männer und Frauen haben getrennte PIätze, niemand geht umher oder schwatzt, sondern alle liegen schweigend, ihr Gebetbuch und ihren Rosenkranz in der Hand haltend, dem Gebete ob. Von der Wandlung bis zum Paternoster beten sie mit ausgestreckten Armen.» Auch vermerkt der Heilige, der als grosser ‘Protektor der katholischen Eidgenossenschaft’ verehrt wird, «dass die Pietät des Volkes gegen die Verstorbenen beispiellos ist. Die Kirchgänger besprengen die Gräber der ihrigen mit Weihwasser und beten einige Zeit, oft kniend. Manche lassen die Gräber durch einen bereitstehenden Priester mit Weihrauch inzensieren.»

Votiv-Feiertage

In früheren Zeiten gab es zahlreiche Feiertage. Bei allen möglichen Gelegenheiten und für alle möglichen Heiligen wurde die ‘Aufnahme eines Feiertags’ oder eines ‘halben Feiertages’ gelobt: es waren sogenannte Votiv-Feiertage (‘ex voto’). Meistens galten sie ‘bis nach vollendetem Gottesdienst’, d.h. die Leute mussten morgens zum Gottesdienst kommen und konnten anschliessend wieder an ihre Arbeit zurückkehren.

Beim Bau der Pfarrkirche wurde gelobt, die Feste der beiden Kirchenpatrone als ganze Feiertage zu halten. Die ‘Translation’ (Überführung) der beiden Arther Katakombenheiligen Flora und Benedikt gab Anlass zur Aufnahme eines halben Feiertages (‘Translationsfest’). Zur Abwendung der Pest wurde 1632 der Tag des Heiligen Sebastian als Festtag erklärt. Die Feier des Theodul-Tages wurde 1467 auf Ansuchen des Rates von Schwyz eingeführt. Das Auftreten der Engerlinge verursachte einen besonderen Kult des Heiligen Magnus, dem für dieses Anliegen ‘zuständigen’ Fürbitter: es wurden Reliquien des Heiligen Magnus angefordert und mit ihnen (laut Gelöbnissen von 1584, 1632 und 1637) Wallfahrten nach St. Adrian unternommen.

Kreuz-Fahrten

Auch sogenannte ‘Kreuz-Fahrten’ (Wallfahrten und Bittgänge) gehören zu den gängigen Frömmigkeitsformen bis in unsere Zeit hinein. Am Pfingstmontag pilgerte man nach Maria Einsiedeln, «wobei aus jeder Haushaltung eine verwahrte Person, ein Priester, 2 Kapuziner, 2 Ratsherren, der Schulmeister, ein Choralknab nebst Fahnen-, Kreuz- und Schellenträger sich einfinden müssen.» Zum Markusfest (im April) wallte man nach Steinen, am Kreuzfest (im Mai) nach Schwyz; Bittgänge führten nach Steinerberg, Immensee, Küssnacht, Walchwil, Greppen und Lauerz. Innerhalb der Pfarrei stieg man ins Rigi-Klösterli hinauf, pilgerte nach St. Adrian (gegen die Engerlingplage, zu Hagelmessen), nach Oberarth und Goldau, nach St. Dionys in Röthen, oder aber schlicht und einfach zu den Heiligtümern unserer beiden Kirchenpatrone: zur Georgskapelle und ins Kapuzinerkloster zu St. Zeno.

Eine päpstliche Volksmission um 1700

Zu den interessantesten und aufschlussreichsten Berichten, die wir in den Turmknopf-Urkunden finden, gehört die Schilderung jener ‘päpstlichen Volksmission’, die im Jahre 1700 stattgefunden hatte. In der Urkunde von 1705 lesen wir von einem ‘bäpstlichen Missionarius’, der in unsere katholische Eidgenossenschaft gekommen ist «alss Ein buoss prediger, mit Namen Julius Fontana Ein gebohrner Florentiner. Ein pater uss der Societet Jesu.» Er predigte in Schwyz, Altdorf, Stans, Zug und Luzern «also dass aller diser Ohrten vil volckh zu sammen kommen, welche Ihre Beichten verrichtet, die hl. Communion Empfangen, damit sie sich würdig machen die benediction und hl. Ablass zu erlangen. Auch sich mit buoss Kleideren bekleit. Und in guoter Ohrnung gestelt: also dass sich höchstes zu verwunderen; die Jungfrn haben sich in Weÿss – die Frauen in Schwartz bekleit, zu beÿden Theilen Ihre Häubter mit schwartzen Schleÿern und dörnenen Cronen bedeckt, Crützifix, und ruoten in henden, mit seilen und strickhen umb gürtet. Die Männer auch in Schwartz bekleidet, vil mit Pilger Röckhen an gethan, mit Pilger Stäben in henden |:auch also vil von den frauwen:| auch mit dörnen Cronen uff dem Haubt, mit Strickh und Ketenen umbgürtet, und an Helssen, Ja so gar von der Geistlichkeit, uss den Klöstern, und weltliche Herren: Vil gangen barr fuoss uss allem Volckh beÿdes Geschlechts, vil schleifften und thruogen grosse Creütz, vil handt sich verkleit gegeisslet. Und andere, so andere buoss werckh verrichtet.»

«Bÿ allem Volckh aller diser vor gemelten Ohrte, uff allen Strassen war nichts anders gehört, alss Rosen Krentz betten, Unser Frauwen Litaneien singen, Heilige Maria: pit für unss, streit für unss Maria. Item Man singt dass Miserere vor, dass gemeine Volckh singt Endtzwischent Jedem Stückhli Miserere nostri, Domine, miserere nostri; Man singt auch dass Magnificat, und Laudate pueri vor. Endtzwischent jedem Stückhli: Gelobet alle Zeit sÿ der Name Jesu, und Mariæ. Uff gemelten Gott seeligen pater begehren Ist allen diser Ohrten der wündertätige, und gross Heilige Indianische Apostel Franciscus Xaverius für ein Statt, und Landts Patron auff und an genommen worden.»

Der Chronist meldet auch, wieviele Leute an diesen Orten zusammengekommen sind. Er zählte sie zu Zehntausenden; realistischer gerechnet müsste man eine Nullstelle streichen! Interessant ist die folgende Notiz: «Zu Lucern hat man kein Rechnung machen können, willen Es den selben gantzen Tag geregnet; also dass dass Volckh nit alless uff den Sammelplatz, da die benediction gegeben worden, kommen möge.»

Die Turmknopf-Urkunde konfrontiert uns mit Formen der Frömmigkeit, die uns heute sehr fragwürdig vorkommen und die wir kaum mehr nachvollziehen können. Aber auch wenn die konkreten Formen in ihrer Härte oft an Selbstkasteiung grenzen – es waren sicher echt gemeinte Zeichen der Busse und Umkehr. Angesichts unserer heutigen Tendenz zur Verweichlichung ist ‘öffentliche Selbstdisziplin’ allerdings nicht mehr gefragt…

Monatsprozessionen

Die ältere noch lebende Arther Generation erinnert sich bestimmt an die damals üblichen Monatsprozessionen. Noch anfangs dieses Jahrhunderts wurde nach der Predigt der Grabes-Christus prozessionaliter durch die Kirche getragen – dies war übrigens das Vorrecht einer bestimmten Arther Familie. Später führte die Prozession einmal im Monat von der Kreuz-Kapelle durch die Schalgasse und die Dorfstrasse um den Adler herum zum Bahnhöfli und in die Kirche, wo dann der Sonntagsgottesdienst gefeiert wurde. Die verschiedenen kirchlichen Standesvereine trugen ihre Fahnen und die Statuen ihrer Schutzheiligen. Die Jungfrauen-Kongregation erschien in makellosem Weiss mit Kränzchen auf dem Kopf und trugen die Madonnen-Statue. Eher sang- und klanglos ist dieses ‘Glaubensbekenntnis’ in Abgang gekommen.

17. «Die Lebenden ruf ich, die Toten beklag ich»

Das Arther Kirchengeläute

Arth besitzt eines der schönsten Glockengeläute weit und breit. Es stammt zwar nicht aus der Zeit des barocken Kirchenbaus – es ist in seiner jetzigen Zusammensetzung noch kein halbes Jahrhundert alt. Viele von uns erinnern sich noch an das Fest Christi Himmelfahrt, am 19. Mai 1955, als Bischof Christianus Caminada von Chur die Glockenweihe vornahm. In einer feierlichen Zeremonie legt der Zelebrant auf die neue Glocke den Segen der Kirche und löst ihre Zunge, damit sie Gottes Preis verkünde und die Herzen der Menschen himmelwärts lenken. Anderntags durften wir als Schulkinder mit vereinter Kraft die Glocken in den Turm ziehen. Bei diesem Festakt haben die Sekundarschüler unter Lehrer Josef Holdener Schillers Ballade ‘Die Glocke’ deklamiert.

Anlass zu dieser Neugestaltung des Arther Glockengeläutes aber gab ein eher trauriges Ereignis. Am Passionssonntag 1954, während des frühmorgendlichen Betenläutens, bemerkte der Sigrist, dass die Betglocke sonderbar gedämpft und ohne rechten Klang mehr tönte. Die Glocke war gesprungen! Über dem Schlagring hatte sich ein 20 30 cm langer Riss gebildet und verbot ein weiteres Läuten. Damit verstummte unsere älteste Glocke, die kurz nach den Schlachten von Sempach und Näfels als Friedensglocke gegossen wurde und während Jahrhunderten die Gläubigen unserer Pfarrei zum Gebet und zum Gottesdienst rief.

Ein Gedicht aus dieser Zeit vor mehr als 40 Jahren zeugt davon, wie sehr das Glockengeläute im Bewusstsein der Arther Bevölkerung verwurzelt ist und sein Verstummen eine sonderbare Wehmut schafft:

Verstummt ist das schöne Glockengeläute
Das vermissen so viele Leute.
Es fehlt der Glocken Engel-Gruss
Man weiss nicht, wann man beten muss.
Hoher Feiertag! Ohne Glockenklang,
Der Tag wirkt leer und lang.
Ein Leichenzug mit stillem Gang
Und kein Trauerglockenklang.
Gewitter – es wird uns bang.
Man hört kein Wetterglocken-Klang.
Mit Sehnsucht wir alle warten,
Bis die neuen Arther-Glocken starten.

Die alte Georgs-Glocke trägt die Jahrzahl 1389 und die Inschrift: «O rex gle xpe veni cvm pace S.Georgi ora pro nobis». Auch die übrigen Glocken des alten Geläutes weisen ein stattliches Alter auf. Sie stammen aus den Jahren 1447, 1624, 1637 bzw. 1752. Leider aber waren diese Glocken klanglich schlecht aufeinander abgestimmt und bildeten ein wenig harmonisches Geläute. Daher entschied man sich zu einer Gesamterneuerung des Geläutes. Vom alten Geläute wurden lediglich die grosse Bruderklausen-Glocke von 1637 und die Evangelisten-Glocke von 1447 übernommen. Ergänzt wurden sie mit vier neuen Glocken. Seit 1955 hängt nun ein wohl-, ja stolzklingendes Glockengeläute hoch oben im 70 Meter hohen Turm. Es ist ein Dur-Geläute und hat folgende Glocken:

1. Die grösste unter den sechs Glocken, die (neue) Georgs-Glocke, ist auf den tiefen Ton G gestimmt und wiegt fast 6 Tonnen (nach Einsiedeln die grösste Glocke im Kanton Schwyz!). Sie trägt die Inschrift: «Divinum auxilium maneat per intercessionem Sancti Georgii semper nobiscum» («Die Hilfe Gottes bleibe auf die Fürsprache des Heiligen Georg allezeit mit uns»). Auf ihr sind die Familienwappen Reding, Mettler, Jütz-von Reding, Weber-Räber und Barmettler sowie das Bild des Heiligen Georg eingegossen.
2. Die alte Bruderklausen-Glocke hat den Ton H und ein Gewicht von 3200 kg. Sie wurde 1637 von Jost Rüttimann in Luzern gegossen und trägt als Bilder die Madonna, den hl. Georg, Bruder Klaus (mit Stab und ‘Bätti’) sowie den hl. Adrian. Die Inschrift lautet: «Ego laudo Deum, cano vivis, funera plango, cœli placo minas, spectra repello stygis» («Ich lobe Gott, rufe die Lebenden, beweine die Toten, besänftige die Gewitter, wehre dem Angriff der Unterwelt»).
3. Die Evangelisten-Glocke wurde 1447 am Ende des alten Zürichkrieges gegossen und bittet mit ihrem Spruch um die Gabe des Friedens: «O rex gloriæ xpe veni nobis cum pace. Amen.» («O König der Herrlichkeit, Christus, komm zu uns mit deinem Frieden. Amen»). Sie wiegt 1948 kg und musste 1955 geringfügig auf den Ton d umgestimmt werden, um mit dem übrigen Geläute zu harmonieren.
4. Die Muttergottes-Glocke ist neu, hat den Ton e und wiegt 1208 kg. Auf ihr steht geschrieben: «Maria Regina cœli et terræ plebi tuæ sucurre» («Maria, Königin des Himmels und der Erde, komme deinem Volk zu Hilfe»). Sie trägt neben dem Marienbild die Wappen Fassbind und Kenel-Haberthür.
5. Die Heilig-Kreuz-Glocke wiegt 903 kg und ist auf den Ton fis gestimmt. Ihre Inschrift kennzeichnet sie als Wetter-Glocke: «A fulgure, grandine et tempestate libera nos Domine Jesu Christe» («Vor Blitz, Hagel und Ungewitter bewahre uns, Herr Jesus Christus»). Sie ist mit dem Kruzifix geziert sowie mit den Wappen Steiner und Ackermann.
6. Die kleinste ist mit 735 kg die Schutzengel-Glocke: sie hat den Ton g und die Inschrift: «Sancti Angeli custodes nos in viam vitæ custodite»(«Heilige Schutzengel, begleitet uns auf unserem Lebensweg»). Sie trägt das Bild eines Schutzengels sowie die Wappen Föry und Weber-Dettling.

Viele grosse und kleine Spender haben es ermöglicht, dass in unserem Turm eines der schönsten Glockengeläute der Innerschweiz hängt. Die ganze Bevölkerung hat mitgetragen. Die Namen und Wappen jener aber, die bei der Weihe ‘ihrer’ Glocken am 19. Mai 1955 Pate stehen durften, sind auf den Glocken verewigt.
Nicht alle sind verstummt

Die drei ‘ausrangierten’ Glocken des alten Geläutes aber sind noch immer erhalten. Zwei davon rufen noch immer Christen zum Gottesdienst – nur haben sie den Erdteil gewechselt. Die eine, die Sebsatians-Glocke von 1624 (aus der Pestzeit – Sebastian ist der Pestheilige!), wurde unserem Arther Missionar P. Martin Weber für seine Missionskirche in Gokomere/Zimbabwe (ehemals Rhodesien) geschenkt. Ich habe sie an Ostern 1996 aufgesucht; die im Turm hausenden Eulen setzen ihr zwar arg zu, aber sie besitzt immer noch einen wunderbaren, samtwarmen Klang.

Die andere, die Kinder-Glocke, die 1757 von Daniel Sutermeister in Zofingen gegossen wurde, muss irgendwo in Dar-Es-Salaam hängen. Erkundigungen bei den Kapuzinern, denen sie für ihre Mission in Tanzania geschenkt wurde, konnten den genauen Standort leider nicht ausfindig machen. Aber wir dürfen wohl annehmen, dass sie auch im fernen Afrika, treu wie eh und je, die Christengemeinde zum Gottesdienst ruft.

Die dritte, die uralte Georgs-Glocke von 1389, steht seit 1955 auf einem Granitfindling beim Friedhofeingang neben der Heilig-Kreuz-Kapelle und erinnert mit ihrem Spruch auch an den heute noch höchsten und doch so gefährdeten Wert des Friedens: «O König der Herrlichkeit, Christus, komme mit Deinem Frieden!»

18. «Lobet Gott mit Saitenspiel und Schalmei»

Musik und Gesang im kirchlichen Leben

In den alten Beschreibungen des gottesdienstlichen Lebens von Arth hören wir immer wieder von der Musik: von Klang der Instrumente und vom frohen, festlichen Gesang zum Lobe Gottes. Musik als Sprache der Hoffnung hat im Gottesdienst der Gemeinde einen unverzichtbaren Platz. So war es seit Alters her – so ist es auch heute noch.

Die Kirchenorgel

Über die Orgeln in unserer Pfarrkirche haben wir für die Zeit vor 1896 (der ‘zweiten Säcularfeier’) nur wenig geschichtliche Kenntnisse. Bekannt ist lediglich, dass schon in der alten Kirche vor 1697 eine Orgel über der Emporkirche stand.

Orgelprospekt der Arther Kirchenorgel nach der Erneuerung von 1970

Der Schwyzer Geschichtsschreiber Kommissar Thomas Fassbind weiss um 1820 zu berichten, dass die damalige Orgel 14 Register hatte. Anderswo lesen wir, dass es eine ‘Bossart-Orgel’ war – und das ist der Orgeln beileibe nicht die geringste! Der Zuger Orgelbauer Viktor Ferdinand Bossard hatte ja auch die grosse Münsterorgel in Bern geschaffen – und sich dabei sehr gewundert, dass die Protestanten katholische Kirchenmusik spielen! Was Arth betrifft, so schlossen am 21. Dezember 1764 Siebner Georg Frantz Schreiber und Viktor Ferdinand Bossard den Liefervertrag für eine neue Orgel ab. Das Werk sollte 18 Register umfassen und dabei aus der alten Orgel drei Register übernehmen.

Die anlässlich der Kirchenrenovation von 1896 neu eingebaute Orgel – sie umfasste 30 Register! – verwendete eine neue Technik, der allerdings erhebliche Mängel anhafteten, die nach einer Erneuerung riefen. Weiter kann man in einem Befund von 1946 lesen: «Übrigens ist der Holzwurm in der ganzen Orgel verbreitet und droht die Orgel in einen Trümmerhaufen zu bohren.» Die Bestrebungen für einen Neubau wurden jedoch aus Kostengründen Jahr für Jahr verschoben. Am 20. Dezember 1970 war es endlich soweit, dass am 4. Adventssonntag im Festgottesdienst und im Kollaudations-Konzert eine neue Orgel erklingen konnte. Unsere Pfarrkirche und somit die Gottesdienstbesucher erhielten damit ein Instrument, welches die hohen Ansprüche der Kirchenmusik in schönstem Mass zu erfüllen vermag. In der Folgezeit erklingt diese Orgel nicht mehr nur im Gottesdienst, sondern auch in Konzerten, die mittlerweile nun schon zur Tradition geworden sind und Orgelmusikfreunde von weit und breit herbeizulocken vermögen.

Die berühmte Orgel-Pasquill von 1623

Die Arther Orgel aber machte bereits zur Hummelzeit, im 17. Jahrhundert, Schlagzeilen. Der Organist Gugelberg fand nämlich im Jahre 1623 neben seiner Orgel ein Hohngedicht (eine ‘Pasquill’), worin er als ‘Hümmel’ und ‘Kätzer’ verspottet wird:

Beÿ einer Winter langen nacht,
Ein traum mir wunderbarlich fürbracht,
Den Traum soll man recht verstahn,
Die Seüw wend Lehren Lauten schlahn,
Den traum kan Ich nicht verschweÿgen,
Die Hümmel könend Orgelen und geÿgen,
Und führend dermassen ein solches Gsang,
Ich glaub dass es übern Albis gang,
Das ist wahr, und ist kein Lug,
Da gsangbücher reichend Ihr zu Zug,
Andere bücher muss euch der Wolff von Zürich trücken,
Aller fauler Ehlosser Kätzer tücken.

Der Organist Gugelberg aber muss ein ‘Vollblutmusiker’ gewesen sein, der ums Leben gerne mit den musikliebenden Nikodemiten zusammen musizierte und ihren Chorgesang, vor allem deutsche Psalmen, begleitete. Zusammen sangen sie und spielten auf Lauten, Geigen und Flöten, auf Spinett, Harfe und Orgel. Die ‘Altgläubigen’ aber vermuteten in ihm einen verkappten Nikodemiten und nannten seinen Orgeltisch ‘die lutherische Emporkirche’.

Mit Lauten, Geigen und Flöten

Wahrscheinlich dürfen wir in diesen frühen Instumentalisten die Vorläufer und Vorläuferinnen unseres (einstigen) Kirchenorchesters erblicken. Wer von uns möchte an den hohen Festtagen die Orchstermessen vermissen? Die ‘Lebkuchenmesse’, die Missa brevis in D-Dur von Mozart, das Halleluja von Händel, und soviele andere musikalische Kostbarkeiten, die den Gottesdienst zum besonderen Erlebnis machen.

An den Fronleichnamsprozessionen ist auch heute noch die Begleitung durch die Blasmusik nicht wegzudenken. Der weihevolle Schritt des Musikkorps schlägt auch in den Herzen der Mitschreitenden einen eigenartigen, ergreifenden Ton an. Es fügt sich gut, dass im Jubiläumsjahr unserer Pfarrkirche die Musikgesellschaft Arth ihr 125-jähriges Jubiläum feiert. Der Segen zum Abschluss des festlichen Gottesdienstes am 4. Mai 1997 kann als Zeichen dafür gelten, dass ‘die Kirche im Dorf bleibt’.

Cäcilienverein – Kirchenchor
Zum kirchenmusikalischen Leben aber gehört auch unverzichtbar der Kirchenchor. Er führt ja die wohl älteste Tradition der Kirchenmusik weiter: den Chorgesang. «Wer singt, betet doppelt», pflegt man zu sagen. Die Sängerinnen und Sänger, die zum Lobe Gottes ihre Stimmen einander unterordnen, haben seit eh und je dazu beigetragen, die ‘aktive Teilnahme’ der Gläubigen an der gottesdienstlichen Liturgie zu fördern.

Und als ob sie es ausgerechnet hätten: auch sie feiern heuer einen runden Geburtstag! Es jährt sich zum 100. Mal die Gründung des Cäcilienvereins. Dieser denkwürdige Anlass wurde am Pfingstfest 1997 in einem festlichen Gottesdienst gefeiert. Dabei sang der Kirchenchor die kleine Orgelsolo-Messe von Joseph Haydn, mit dem vollen Titel ’Missa Brevis in honorem Sancti Iohannis de Deo’. Wahrlich ein festliches Jubiläumsgeschenk!

Alleluja!
Lobet Gott in seinem Heiligtum,
lobet ihn in seiner starken Feste!
Lobe ihn ob seiner mächtigen Taten,
lobet ihn nach der Fülle seiner Hoheit!
Lobet ihn mit dem Schall der Posaunen,
lobet ihn mit Psalter und Harfe!
Lobet ihn mit Handpauken und Reigen,
lobet ihn mit Saientspiel und Schalmei!
Lobet ihn mit klingenden Zimbeln,
lobet ihn mit schallenden Zimbeln!
Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!
Alleluja!
Psalm 150


19. «Von ruchloser Hand in den See geworfen»

Das Schicksal des Arther Kirchenschatzes

In den ‘Gedenkblättern aus der Geschichte der Pfarrei Arth (1896)’ wird uns mit Entrüstung gemeldet, «dass 1838 der früher in der Sakristei aufbewahrte Palmesel von ruchloser Hand in den See geworfen wurde.» Der Palmesel ist eine Art grosses ‘Spielzeugross’ auf vier Rädern, worauf Jesus sitzt wie auf seinem Einzug in Jerusalem; er fand bei Palmprozessionen und in geistlichen Dramen zur Passionszeit Verwendung. Noch liegt er auf dem Grund des Sees… Ironie des Schicksals, die wir wiederum einer Turmknopf-Urkunde entnehmen können: Man fürchtete damals, 1838, die ‘Aufgeklärten’ (‘Liberalen’), denen der Palmesel schon längst ein Dorn im Auge war, könnten diesen eines Tages entwenden. Der Kirchenrat beschloss daher, den Palmesel ins Pfarrhaus in Sicherheit zu bringen. Genau dort aber haben sie ihn dann geholt. «Die Süüchöge!»

Glücklicherweise ging es nicht mit dem ganzen Kirchenschatz so. Noch ist der grösste Teil vorhanden, aber vieles ist dem Zufall zu verdanken – und dem Pflichtbewusstsein der Sigristen! Zweimal konnte in den letzten drei Jahrzehnten ein Brand der Kirche mit knapper Müh und Not verhindert werden. Ein Pfarrer wollte ein altes, brokatenes Messgewand zu ‘Sets’ verarbeiten lassen – wenn der Sigrist ihn nicht davon abgehalten hätte.

Kurz vor dem Pfarrhausbrand 1988 hat der Pfarrer auf dem Estrich eine Schuhschachtel voller alter Dokumente (72 an der Zahl!) gefunden, deren älteste ins 14. Jahrhundert zurückzudatieren sind…

Just einen Tag vor dem schicksalshaften
21. Dezember brachte der Pfarrer eines der kostbarsten Kunstwerke unserer Pfarrei aus dem Pfarrhaus in die Nebensakristei: die gotische Pietà aus dem 14. Jahrhundert. Die einzige im Pfarrhaus verblieben Statue, eine Anna Selbdritt, ist dem Brand zum Opfer gefallen; sie steht nun ganz verkohlt auf der Chorempore – restaurierungsfähig ist sie leider nicht.

Vor wenigen Monaten, als ich mich beim Sigristen nach den in der Literatur erwähnten berühmten ‘Nürnberger Schüsselchen’ erkundigte, da schüttelte er nur den Kopf. Zwei Stunden später rief er mich an, er habe unter dem ‘Grümpel’ von Blumenvasen und Schalen etwas gefunden… Es waren genau die gesuchten beiden ‘Nürnberger Schüsseln’ aus dem 16. Jahrhundert.

Auch andere ‘Funde’ sind erwähnenswert: So wurde bei der Kirchenrenovation 1954-1956 das grosse Hungertuch aus dem 17. Jahrhundert auf dem Dachboden wiedergefunden. Und eines des kostbareren Exponate des Schweizerischen Landesmuseums, das Altartriptychon aus dem Jahre 1475 mit ‘Maria Verkündigung’ und ‘Ritter Georg’ vom Maler Ulrich Mair von Kempten lag bis 1881 unbeachtet auf einer Russdiele. Leider war es nicht möglich, dieses Tafelbild im Jubiläumsjahr 1997 an die Ausstellung des Arther Kirchenschatzes als Leihgabe zu bekommen.

In alten Beschreibungen unseres Kirchenschatzes werden Objekte genannt, die nirgends mehr aufzutreiben sind. Präzisere und gezieltere Nachforschungen – und glückliche Zufälle – könnten uns also noch manche Überraschung bescheren.

Aber wer einmal das Glück hatte, dabei zu sein, wenn die Tresortür in der Sakristei oder die Schränke der Custodie (Nebensakristei) sich öffneten, der muss nur staunen vor der kostbaren Fülle dessen, was uns aus sechs Jahrhunderten kirchlicher Kunst erhalten geblieben ist. Umso eindrücklicher war es, dass dieser Kirchenschatz im Rahmen unserer Dreihundertjahrfeier in einer Sonder-Ausstellung einer breiteren Öffentlichkeit gezeigt werden konnte. Für die meisten Besucher bleibt dies als erst- und einmaliges Erlebnis in Erinnerung.

Der Kirchenschatz zeugt vom unbeirrbaren Glauben unserer Vorfahren, die im Gottesdienst Ermutigung für ihren nicht immer so leichten Alltag und in der religiösen Praxis auch Sinn für ihr Leben fanden. Sie haben sich dafür sichtbare Zeichen gegeben, die für uns Erbe und Auftrag zugleich sind.

20. «Ecclesia semper reformanda»

Die äussere und innere Erneuerungsbedürftigkeit der Kirche

Wir haben in den voraufgehenden Kapiteln einen Gang durch Jahrhunderte gemacht: die Geschichte rund um unsere nunmehr 300-jährige Pfarrkirche aufgerollt. Wir haben es getan, weil diese Kirche uns etwas bedeutet. Wer aber an dieser Kirche bleibende Freude haben will, der muss dazu Sorge tragen.

Mit der Einweihung der Kirche am 13. Oktober 1697 erhielt die Gemeinde Arth ein Gotteshaus, das zu den schönsten Barockbauten der Innerschweiz zählt. Schon damals wurde die Arther Kirche als ein halbes Weltwunder bestaunt. Aber immer wieder musste ausgebessert oder wollte erneuert werden. In Fassbinds Religionsgeschichte lesen wir: «Anno 1793 ist die Kirche zum ersten mal von aussen repariert und mit neuen Fenstern geziert worden, davon jedes 60 Gulden gekostet hat. Anno 1819 ward sie von innen renoviert, ausgewisset etc.» Die grosse Gesamtrenovation von 1894-96 fand just auf die ‘zweite Säcularfeier’ hin (1897) ihren Abschluss; diese hat wohl die einschneidensten Umgestaltungen mit sich gebracht, die dann, nochmals fast hundert Jahre später, 1979-82, in einer Innenrenovation wieder rückgängig gemacht wurden. Die bislang letzten Restaurationen des Äussern fanden 1954-56 und 1990-91 statt.

Der innere Bau der Kirche – unserer Arther Pfarrei – aber bleibt eine nie zu vollendende Aufgabe; Generation um Generation muss immer wieder neu hineinwachsen in eine Gemeinschaft, die sich auch vor Gott füreinander verantwortlich weiss. Jede Generation war erneuerungsbedürftig – es sei hier bloss an die ‘päpstliche Mission’ des Jahres 1700 erinnert! Erneuerung heisst, sich seiner geistigen Wurzeln und Herkunft wieder bewusst werden. Erneuerung heisst, sich den aktuellen Herausforderungen aus christlicher Glaubensverantwortung heraus zu stellen. Denn: «Ohne Vergangenheit keine Zukunft!»

Das vergangene Jahr hat unserem Dorf eine einschneidende Veränderung gebracht. Jene Bettelmönche, welche nach den Wirren der Reformation und der Hummelzeit unsere Gemeinde zu einer religiösen und geistig-geistlichen Erneuerung geführt und auch auf den Bau der Barockkirche von 1697 einen massgeblichen Einfluss ausgeübt hatten, sind nicht mehr bei uns. Am 25. August 1996 haben die Brüder des Heiligen Franz, die Kapuziner, nach fast 350 Jahren segensreichen Wirkens in Arth ihr Kloster verlassen und es den syro-orthodoxen Christen der Schweiz als neue geistige Heimat übergeben.

Damit aber eröffnet sich für unsere Bevölkerung eine neue Dimension der Ökumene. Am Auffahrtstag, am 8. Mai 1997, feierte die Pfarrei Arth zum ersten Mal in ihrer Geschichte den Gottesdienst zusammen mit den syro-orthodoxen Mitchristen. In ihrer Liturgie und in ihrem Umgang sprechen sie übrigens Aramäisch, die Muttersprache Jesu!

Eine nicht weniger anspruchsvolle Ökumene ist im sozialen Bereich von uns gefordert: Das Zusammenleben mit ausländischen Mitmenschen – Gastarbeitern und Asylanten – stellt hohe Anforderungen an eine Gemeinschaft, die sich infolge einer krisenhaften Wirtschaftsentwicklung (Arbeitslosigkeit, Sozialabbau, und wachsende Rücksichtslosigkeit des Kapitals) immer stärker gegen diese ‘Bedrohung von aussen’ abzugrenzen versucht.

Wir sind heute herausgefordert, wo wir es nicht wählen können. Wir können nicht auf einen so fürstlichen und wohltätigen Asylanten warten, wie wir ihn in Pankratius Forster, dem letzten Fürstabt des Klosters St. Gallen, 1816-1819 bei uns im Dorf hatten. Lebendige kirchliche Gemeinschaft aber will uns befähigen, alle diese Herausforderungen im Geiste jenes Jesus von Nazareth aufzugreifen, dessen Hoffnungszeichen zuoberst auf der Kirchturmspitze steht: das Kreuz. Es vereinigt Waagrechte und Senkrechte, verbindet unsere Erde mit dem Himmel, unsern Alltag mit dem Tag, der kein Ende haben wird.

Die Feier eines Kirchenjubiläums ist somit letztlich ein Ausdruck der Freude an unserer Kirche, noch mehr an unserem christlichen Glauben, den wir von unsern Eltern und Ahnen über Generationen empfangen haben und der auch heute noch überzeugende Sinnstiftung unseres menschlichen Lebens ist; Freude auch an einer lebendigen Gemeinschaft, die sich nicht bloss an Wirtschaft und Konsum orientiert, sondern sich auch um das tägliche Brot für unseren inneren Menschen sorgt.

21. Rückblick auf 1000 Jahre Arther Kirchengeschichte

Eine kleine Chronologie

10.Jh.
Karolingischer Kirchenbau bei St. Georg nachgewiesen

1036
Erste schriftliche Erwähnung einer Kirche St. Georg in Arth

11./12.Jh.
Romanische Fundamente der Zeno-Kirche nachgewiesen

1290/1299
Ablassbriefe für die Kirchen St. Georg und St. Zeno

um 1300
Erstmalige Erwähnung von Goldau und Röthen

1312
17. Februar: Bischof von Konstanz erlaubt den Arther Kirchgenossen den Abbruch der beiden Kapellen St. Georg und St. Zeno unter der Bedingung, dass die Friedhöfe geschont werden

vor 1315
Bau einer gemeinsamen Pfarrkirche in der Talmitte (zusammen mit Letzimauer)

1353
Markgräfin Maria von Baden verkauft ihre herrschaftlichen Güter an die Talleute (Kirchgenossen) von Arth und Goldau um 200 Mark Silber

1354
Arther Wegweisbrief: Ausscheidung und Teilung der Allmeindgüter sowie Bestimmung der Fuss- und Fahrwege

1379
Weihe des Michaelsaltars in der alten Pfarrkirche

1389
Georgs-Glocke gegossen, nach den Schlachten von Sempach und Näfels; diese älteste Arther Glocke ist am Passionssonntag 1954 gesprungen und steht seither auf einem Granitfindling neben der Heilig-Kreuz-Kapelle auf dem Friedhof

1447
Evangelisten-Glocke gegossen, als Friedensglocke am Ende des Alten Zürichkriegs

1448
Arther Kirchensatz geht an Schwyz über (mit dem Recht zur Verleihung der Pfarrpfründe)

1466
Bau der Marienkapelle in Oberarth

1471
Weihe der Marienkapelle durch den Konstanzer Weihbischof, als er auf dem Weg in den Ranft war, das Fastenwunder des Bruder Klaus zu prüfen

1475
Altartriptychon mit ‘Maria Verkündigung’ und ‘Ritter Georg’ des Ulrich Mair von Kempten; stand bis 1694 in der alten Kirche, war 200 Jahre lang verschollen und kam 1886 ins Landesmuseum Zürich

1477
Evangelisten-Glocke gegossen

1480
Bau der St.Adrians-Kapelie am Altensee (beim Rufibach); 1486 geweiht

um 1500
Anbau eines Turmes an die alte Pfarrkirche; steht heute noch (ohne Aufbau)

um 1500
Neubau der St. Georgs-Kapelle; geweiht 1514

1506/1509
Das Pestweib und der grosse Riesenbarsch von Arth säen Schrecken unter der Bevölkerung und verkünden Unheil: es folgt eine Pestepidemie

1510
Inschrift auf der Wand des alten Kirchenschiffes: “Da man 1510 Jar zalt … ”

1514
Oberarther Marienkapelle vom Aabach zerstört; 1516 neu geweiht

1521
Reformation hält Eingang in Arth durch Pfarrer Balthasar Trachsel; Versuch scheitert an der ‘Hitzköpfigkeit und Unklugheit’ dieses Pfarrers

1564
Pfarrer Peter Villinger unternimmt eine Wallfahrt ins Heilige Land und gerät auf der Rückreise in türkische Gefangenschaft

1568
Pfarrer Villinger wird durch Vermittlung seines Freundes Georg Reding über den venezianischen Gesandten von den Türken losgekauft und kehrt in seine Heimat zurück

1583
Bau einer ersten Dionys-Kapelle in Röthen aufgrund des Gelöbnisses eines Beeler
bei der Schlacht von Dreux/Blaville 1561

1600
Stiftung der Sennen-Bruderschaft St. Wendelin und Antonius

1607
Päpstliche Bestätigung der Michaels-Bruderschaft (Zunft der Handwerksmeister)

1611
Pest-Epidemie: in unserer Gemeinde sterben über 300 Menschen am ‘Beulentod’

1616
Zeno-Kirche wird umgebaut und neu geweiht

1620
Kirchensatz kommt von Schwyz an Arth: die Pfarrpfründe kann nun von den Arther Kirchgenossen selber verliehen werden

1623
Einführung der Rosenkranz-Bruderschaft

1624
Sebastians-Glocke wird von I. G. Haseloch gegossen; nach der Erneuerung des Geläutes 1955 kommt sie nach Afrika, in die Missionskirche von Gokomere (Zimbabwe)

1637
Bruderklausen-Glocke, die grösste Glocke des alten Geläutes, wird von Jost Rüttimann in Luzern gegossen und

1638
9. Januar: durch den Abt von Muri, Jodokus Singeisen, feierlich konsekriert

1648
Neubau der Dionys-Kapelle in Röthen; geweiht 1654

1650
Bau einer größeren Kapelle in Goldau; Weihe 1652

1652
Neubau der St. Georgs-Kapelle; Weihe 1656

1655
12. September: Flucht der Arther Nikodemiten nach Zürich führt zum Hummelhandel und löst den I. Villmergerkrieg aus

1656
Berufung der Kapuziner nach Arth; sie bekommen die alte Zeno-Kirche und wohnen vorläufig neben der ‘Sonne’ in einem alten Haus; schon bald wird ihnen ein kleines Hospiz gebaut

1667
Weihe der erneuerten Zeno-Kapelle als Klosterkirche

1668
Landrätliches Verbot des Schimpfwortes ‘Hummel’ für die Arther ‘bei einer Busse von 200 Gulden’

1669
Erneuerung der (uralten) Barbara-Bruderschaft zur Verherrlichung des Fronleichnamsfestes

1671
Stiftung der Sebastians-Bruderschaft der Schützen

1671
Arth erhält Reliquien der Katakombenheiligen Flora; Geschenk des päpstlichen Nuntius in der Schweiz, Kardinal Friedrich Borromäus

1682
Beginn eines Klosterbaues für die Kapuziner

1687
Einführung der Skapulier-Bruderschaft

1688
Bau einer Kapelle auf Rigi-Klösterli

1690
Johann Balthasar Steiner von Arth malt das Gnadenbild ‘Maria zum Schnee’

1694
Niederlegung der alten Pfarrkirche von 1312 (mit Ausnahme des Turmes), um für die neue Barock-Kirche Platz zu machen; Beginn des Baus der neuen Pfarrkirche

1695
12. April: Grundsteinlegung durch Pfarrer Johann Carl Büeler, am Fest des Heiligen Zeno; das Ereignis ist auf einer Inschrift an der Kirchenecke festgehalten

1696
Die von Pfarrhelfer Jeremias Schmid geleitete Kirchenbaute wird vollendet

1697
13. Oktober: Feierliche Weihe der neuen Pfarrkirche durch den päpstlichen Nuntius Michael Angelus Conti, dem späteren Papst Innozenz XIII.

1698
Johann Balthasar Steiner vollendet die Seitenaltar-Gemälde

1700
4. Juni: Ein gewaltiger Weststurm bricht den Helm der alten Kirche

1700
Vollendung der Innenausstattung der Kirche (Altäre, Chorgestühl)

1700
Weihe der Kapelle ‘Maria zum Schnee’ auf Rigi-Klösterli

1702
Errichtung einer Kaplanei in Goldau

1705
Neuer Turmaufbau (barocke Laternenkuppel)

1715
Kapuziner übernehmen die Betreuung der Kapelle im Rigi-Klösterli

1716
Vergrösserung der Kapelle Maria zum Schnee; Weihe 1721

1719
(Neu-)Bau der Friedhofkapelle (Beinhaus) St. Michael; Weihe 1729; in den 1920er-Jahren abgebrochen

1719
22. Juli: Grosser Dorfbrand von Arth; innert Stunden verbrennen 77 Häuser im vorderen Dorf, wertvolle alte Dokumente gehen verloren

1726
Pfarrkirche erhält Presbyterien (Priestersitze) und Kredenz im Chorraum

1727
Auf dem Hof ‘Gummen’ in Röthen werden die ersten Erdäpfel gepflanzt, die ein Soldat aus dem Elsass mitgebracht hatte; daher ‘Gummel’ genannt

1738
Neues Hauptportal mit den Reliefbüsten der beiden Kirchenpatrone

1739
Furchtbarer Sturmwind richtet entsetzlichen Schaden an, lässt kein Haus unbeschädigt und reisst ganze Waldungen nieder

1742
Einrichtung einer Frühmesserei in Goldau

1745
Oberarther Marien-Kapelle wird weggeschwemmt; Neubau 1749;Weihe 1753

1749
Georgs-Kapelle erhält ein Glöcklein (von Daniel Sutermeister in Zofingen)

1752
Kleine Glocke im Kirchturm, Kinderglocke genannt, wird von Daniel Sutermeister in Zofingen gegossen; sie kommt 1955 nach Dar-Es-Salaam (Tanzania)

1757
Bau der Heilig-Kreuz-Kapelle; geweiht 1769

1758
Heilig-Kreuz-Kapelle erhält ein Glöcklein

1759
25. Dezember: Zweiter Dorfbrand von Arth; das ganze hintere Dorf wird durch Feuer in Schutt und Asche gelegt, ausser Kirche, Kloster und Pfrundhäuser

1760
Gemälde des Arther Dorfbrandes von 1719 wird in die Georgs-Kapelle gebracht

1764
Erstellung einer neuen Orgel durch Viktor Friedrich Bossard von Zug

1764
Einbau neuer Beichtstühle in die Arther Pfarrkiche

1775
Kapuziner betreuen Rigi-Klösterli das ganze Jahr hindurch

1779
Klosterkirche wird renoviert: Einwölbung des Schiffes, Einbau neuer Altäre

1784
In Arth wird unter grossem Volkszulauf der Ursprung des Schweizerbundes in einem Schauspiel aufgeführt

1793
Aussenrenovation der Pfarrkirche

1798/99
Einfall der Franzosen; die Bevölkerung wird misshandelt und geplündert, alte Waffen aus eidgenössischen Befreiungskriegen werden vernichtet

1806
2. September: Goldauer Bergsturz begräbt 475 Menschen unter 30 m dickem Schutt; zwei Kirchen, 300 Wohnhäuser und andere Gebäude werden zerstört

1807
Goldauer erbauen das Pfrundhaus

1810
In der Kapelle des Pfundhauses wird Messe gelesen

1811
Chorturm der Pfarrkirche erhält ein neues Glöcklein

1816-19
Pankratius Forster, der letzte Fürstabt des säkularisierten Klosters St. Gallen, erhält im Arther Pfarrhaus Asyl. Er erweist sich als grosser Wohltäter der Bevölkerung während den Hungerjahren 1817/1818

1818-19 .
Innenrenovation der Pfarrkirche; Choraltar wird abgebrochen

1819
25. Dezember: Ein unerhörter Sturmwind fegt 10’000 Ziegel vom Kirchendach und entwurzelt über 300 Obstbäume

1821
Errichtung des Hünenberg-Denkmals an der Sonnenberger Letzimauer

1829
Neubau der Goldauer Kapelle: Fertigstellung 1849; Weihe 1859

1833
Eidgenössische Truppen besetzen den Kanton Schwyz, um die Rückgängigmachung der Kantonsteilung zu erzwingen. In unserer Gemeinde weilt Zürcher Militär; sie ‘plagten uns fast mehr als ganz frembdes feindliches Militair’

1838
Arther Palmesei wird ‘von ruchloser Hand in den See geworfen’

1842
Georgs-Kaplle erhält eine zweite Glocke (gegossen von Jakob Rüetschi in Aarau)

1842
Renovation des Kirchturms: Einlage von Pamphleten gegen die religiösen Orden in den Turmknopf

1875
Eröffnung der Arth-Rigi-Bahn

1882
Eröffnung der Gotthardbahn

1889
Abriss der alten Adrians-Kapelle am Altensee und Neubau auf einem Moränenhügel näher beim Dorf, in Gengigen; Weihe 1892

1891
Renovation des Kirchenäussern und des Turms; neues Glöcklein für Chorturm

1891
Eröffnung der Südostbahn

1894-96
Umfassende und verändernde Innenrenovation unter Leitung des Einsiedler Kunsthistorikers P. Albert Kuhn OSB; Deckengemälde von Ludwig Thoma und Fritz Kunz; neue Glasfenster

1896
Einbau einer neuen Orgel durch die Firma Goll in Luzern

1897
Gründung des Cäcilienvereins (Kirchenchor)

1897
Neubau des Keil-Bahnhofs Arth-Goldau und des Rigi-Bahn-Hochperrons

1900
Bau der Evangelisch-Reformierten Kirche in Oberarth

1906
2. September: Grundsteinlegung zur neuen Herz-Jesu-Kirche in Goldau, am 100. Jahrestag des Bergsturzes

1908
16. August: Goldauer Glockenweihe durch Bischof Johannes Fidelis Battaglia

1909
5. September:Weihe der neuen Goldauer Kirche durch Bischof Gregorius Schmid

1910
Abbruch der alten Goldauer Kapelle: ein Italiener kommt beim Sprengen ums Leben

1914-18
Erster Weltkrieg

1921
Renovation der Klosterkirche

1928
Renovation der Georgs-Kapelle; Eröffnung des Ambrosius-Grabes

vor 1930
Abriss des Beinhauses St. Michael auf dem Arther Friedhof

1939-45
Zweiter Weltkrieg

1940
26. August: Goldau wird durch bischöfliches Dekret eigene, unabhängige Pfarrei

1941
Notsanierung des Gewölbes der Pfarrkirche

1942
Innenrestauration der Pfarrkirche

1954
Am Passionssonntag springt die alte Georgs-Glocke von 1389; Anlass zur Erneuerung des gesamten Geläutes

1954-56
Aussenrenovation der Pfarrkirche; Bemalung der äusseren Chornischen; Öffnung der gotischen Fenster am Kirchturm; Majolika-Mosaik und Priestergrabstätte

1955
Bau der neuen Friedhofkapelle; Hans Schilter malt die Schutzmantelmadonna und fünf Glasfenster

1955
Renovation der Klosterkirche zum 300-Jahr-Jubiläum der Berufung der Kapuziner

1955
19. Mai: Feierliche Glockenweihe durch Bischof Christianus Caminada von Chur

1968
Renovation der Georgs-Kapelle, archäologische Grabungen

1970
Renovation der Oberarther Marienkapelle; die ganze Bevölkerung, vor allem die Oberarther, haben grosszügig zur Erneuerung ‘ihrer’ Kirche beigetragen

1979-81
Umfassende Innenrestaurierung der Pfarrkirche; archäologischer Grabungen

1981
5. Oktober: Feierliche Wiedereröffnung der Pfarrkirche

1988
21. Dezember: Brand des über 300-jährigen Pfarrhauses

1990
Erneute Aussenrenovation der Pfarrkirche; die bei der Renovation 1954-56 verwendeten Materialien haben sich nicht bewährt

1997
300-Jahr-Jubiläum der Pfarrkirche St. Georg und Zeno Arth