Labyrinth-Tanz

Durch das Erzählen von Mythen und Sagen, durch Klänge und Tanzen, durch Gedanken und Gestalten soll die Symbolik erlebbar gemacht werden, die im Bild des Irrgartens und Labyrinths verborgen liegt.

Sonne
In ein Labyrinth zu gehen bedeutet Tod, aus ihm herauszukommen ist Wiedergeburt. Die Labyrinth-Tanzformen fördern die Erinnerung an unsere Herkunft und bereichern so die Gegenwart.

Sonnenaufgang
Mo 28. 8. und Mo 25. 9. 5–7 Uhr

Mond
Die Vollmondnächte eigenen sich besonders gut, um Symbolik sichtbar zu machen. Im Labyrinth geht es darum, eine Reise anzutreten, sich immer wieder zu verlieren, um sich dann wieder zu finden.

Sterne
Fest auf dem Boden stehend, sich Sternschnuppen wünschend schaffen wir tanzend die Verbindung zum Universum. Vom Sterntaler wissen wir, dass, uns die Sterne in den Schoss fallen.

Feuer-/Laternenzug
Do 10. 8. und Fr 10. 9. 21–23 Uhr

Der Labyrinthtanz
Einübung auf den Reigentanz des ewigen Lebens

von Walter Eigel

Das Labyrinth ist ein uraltes Symbol, das der westlichen Kultur über die griechische Antike überliefert ist. Sein Ursprung liegt im Dunkeln, doch wahrscheinlich handelte es sich einen alten Initiationsritus. In einem Tanz wurde der Tod und die Wiedergeburt den jungen Menschen sinnbildhaft erfahrbar gemacht.

Der Tanz des Theseus

Am bekanntesten ist uns dieses Symbol in der griechischen Mythologie überliefert. Der athenische Baumeister Dädalus hat für den kretischen König Minos jenes Bauwerk gebaut, in das er den Minotaurus einsperrte. Dieses Monstrum – halb Mensch, halb Stier – soll aus der schändlichen Verbindung seiner Gattin Pasiphaë mit ihrem Lieblingsstier hervorgegangen sein. Dem Untier mussten jährlich sieben Jünglinge und sieben Mädchen geopfert werden – bis der athenische Held Theseus es wagte, ihm zu Leibe zu rücken. Mit Hilfe des Fadens seiner geliebten Ariadne fand er den Ausweg aus dem Labyrinth. – Der so dem Tode entronnene Theseus soll nachher auf der heiligen Insel Delos mit den sieben Jungfrauen und sieben Jünglingen, die er vor dem Minotaurus gerettet hatte, zum ersten Mal jenen Reigen getanzt haben, dessen Wendungen den verschlungenen Irrwegen des kretischen Labyrinths nachgebildet waren.

Der Kranichtanz

Seit der Antike gab es auf der griechischen Insel Delos einen ‘Geranos’ genannten Reigen, den eben dieser Theseus gestiftet haben soll. Bei diesem “Tanz der Kraniche” beschrieb eine Tänzerkette aus jungen Männern und Mädchen eine Labyrinthfigur auf den Tanzboden. Die Tänzer waren mit einem Seil, dem Ariadnefaden, verbunden, den alle mit einer Hand festhielten. Getanzt wurde nachts und im Schein von Fackeln. Berichtet wird auch, dass die Männer während des Tanzes sangen, die Mädchen aber schweigend tanzten. Der wichtigste Tänzer war der Chorführer am Anfang des Seiles. Er führte die Mittänzer ins Labyrinth hinein bzw. hinaus und musste dafür sorgen, dass die Kette sich nicht verwirrte. Falls der Vortänzer aus dem Schritt kam, büßte er erheblich an Ansehen bei seinen Mittänzern ein: Er hatte den «Faden verloren» und damit sich und die anderen aus der glücklichen Versunkenheit des Tanzes gerissen.

Tod und Wiedergeburt

Der in tiefer Nacht ausgeführte “Geranos” fand in Gegenrichtung zum Sonnenlauf statt, also in der Richtung des Todes. Das Ende des Tanzes, der Ausgang des Labyrinths. entsprach dann der Wiedergeburt. Der Labyrinth-Tanz symbolisiert so den schwierigen Weg von der Geburt bis zum Tod und zur Wiedergeburt, in dessen Zentrum Tod und Wiedergeburt zugleich stehen, das Hinein- und wieder Hinausgehen, Sinken und Steigen, der Abstieg in die Tiefe und das Aufsteigen zu den Höhen.

Der Balztanz der Kraniche

Dass der Tanz nach den Kranichen benannt wurde, hat seine besondere Bedeutung. Der Kranichtanz imitiert nämlich das Balzverhalten jenes Vogels, der ein wichtiger Symbolträger ist. Sie führen ihren Balztanz, einen Spring- und Hüpftanz, im anbrechenden Frühjahr während der Nacht durch und beenden ihn bei Sonnenaufgang. Das Erscheinen der Sonne begrüssen sie mit trompetenartigem Geschrei.

«Von großer Uferhöhe konnte ich auf eine Lagune hinabschauen und sah Kraniche tanzen. Ihr Verneigen und Stolzieren, ihr Flügelschlagen und Drehen, ihre schwärmerischen Kreisflüge, ihre Sprünge, die hoch in die Luft gehen, ohne dass sie die Schwingen dabei entfalten, ihre Verneigung vor den Kollegen, ihr Humor – das ganze Gemache bezaubert. Es tanzen auch beide Geschlechter. Der Kranichtanz ist Glück, Spiel, Körperlust, Anmut, Gelenkfreude, Selbstgenuss der Bewegung, Tanz eben.» (Erhart Kästner)

In christlicher Deutung

Aus der mittelalterlichen Überlieferung ist der religiöse Tanz in der Art einer sinnbildlichen Wallfahrt auf den Bodenlabyrinthen der gotischen Kathedralen bekannt. Besonders interessant ist der Ostertanz auf den mittelalterlichen Labyrinthen. Es ist belegt, dass einige französische Kirchenlabyrinthe für rituelle Zwecke, auch für Tänze des Chores dienten. An Ostern wurde in den großen Kathedralen von Amiens, Chartres oder Reims ein heiliger Ostertanz aufgeführt. Nach der Ostervesper tanzte der Dekan im Dreischritt durch das Labyrinth und warf dabei einen goldenen Ball als Symbol der Auferstehung den anderen Klerikern zu, die im Kreis um das Labyrinth tanzten.

Darin lassen sich Parallelen zu dem antiken Kreistanz erblicken. Möglicherweise lebt hier in einer gänzlich christlichen Feier ein heidnisches Original weiter. Die Kreisform spiegelt Tod und Auferstehung Christi.