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Martin Annen sieht die Rücktritte der drei Schweizer Weltcup-Piloten Clemens Bracher, Rico Peter und Beat Hefti als einen Rückschlag für den Schweizer Bobsport. Aber auch als Chance für junge Piloten.

Mit Martin Annen sprach Robert Betschart, Bote der Urschweiz, 02.08.2018

Nach Beat Hefti und Rico Peter ist diese Woche auch der dritte Schweizer Weltcup-Pilot, Clemens Bracher, zurückgetreten. Wie nehmen Sie diese Entwicklung wahr?

Grundsätzlich ist es schade. Clemens Bracher ist ein relativ junger Pilot. Nachdem er in der letzten Saison in Winterberg sogar einen Weltcupsieg herausfahren konnte und an Olympia teilgenommen hat, überrascht mich sein Rücktritt doch etwas. Sicherlich ein Rückschlag für den Schweizer Bobsport.

Bracher sprach davon, dass er nicht noch eine Saison am Existenzminimum leben wolle nur für eine Saison im Weltcup-Mittelmass. Ist das Leben als Bobsportler aus finanzieller Sicht hart?

Grundsätzlich gibt es drei Faktoren, welche wichtig sind, um im Bobsport erfolgreich zu sein. Erstens der athletische Bereich, also vor allem der Start. Zweitens das Fahrerische. Und drittens das Material. Darin enthalten sind auch die Finanzen. Es braucht alle drei Komponenten. Um die nötigen finanziellen Mittel aufzutreiben, braucht es ein sehr starkes Umfeld und ein gutes Netzwerk.

Clemens Bracher sprach davon, dass er die nötigen 250 000 Franken für eine Saison nicht aufbringen konnte. Es fehlten ihm 50 000 Franken. Hatten Sie zu Ihrer Aktivzeit auch Probleme, sich die Saison zu finanzieren?

Sicherlich. Es ist nicht einfach, das nötige Geld aufzutreiben. Es geht darum, sich zu verkaufen und zu vermarkten. Das ist neben den erwähnten Aspekten im athletischen und fahrerischen Bereich fast ebenso wichtig, um im Bobsport erfolgreich zu sein. Ich hatte jedoch das Glück, ein gutes Umfeld um mich zu haben. Aber der Bobsport ist eine Randsportart. Vor allem zu Beginn einer Karriere ist es hartes Brot. Erst mit dem Erfolg wird es etwas einfacher aus finanzieller Sicht.

Als Aussenstehender scheint es etwas komisch, dass der Pilot selbst die finanziellen Mittel auftreiben muss. Unterstützt der Schweizerische Bobverband Swiss Sliding die Piloten zu wenig?

Ich denke, Swiss Sliding unterstützt die Piloten so gut es geht. Der Bobsport ist wie erwähnt eine Randsportart, und deswegen ist auch für den Verband nicht immer genug Geld vorhanden. Trotzdem sehe ich die Entwicklung im Verband sehr positiv. Man hatte in den Jahren zuvor oft mit Geldproblemen zu kämpfen. Diese Probleme sind mittlerweile gelöst.

Der Rücktritt von Clemens Bracher ist also verständlich?

Ich kenne Clemens Bracher persönlich, das Finanzielle war sicherlich ein Grund. Aber ich denke, zum Rücktritt haben ihn auch noch andere Faktoren bewogen. Man braucht immer ein schlagfertiges Team mit starken Anschiebern. Dies war bei Clemens Bracher vielleicht nicht mehr gegeben.

Wenn man in Ihre Vergangenheit schaut, hatten Sie einst Unstimmigkeiten mit dem Bobverband, als es darum ging, die Sponsorenflächen zu nutzen. Steht da der Verband den Piloten im Weg?

Ich denke, die Fälle von Clemens Bracher und mir sind zwei verschiedene Dinge. Bei mir lag das Problem darin, dass der Bobverband mir eine Werbefläche entzogen hatte, welche für einen persönlichen Sponsor reserviert war. Das Geld wäre vorhanden gewesen.

Beat Hefti war in Ihrer aktiven Zeit lange Ihr Anschieber. Er hat am Ende dieser Saison ebenfalls den Rücktritt erklärt. Er hatte in seiner letzten Saison persönliche Probleme mit Swiss Sliding. Die «NZZ» schrieb, dass er eine Verschwörung gegen sich witterte, da sie ihm keine konkurrenzfähigen Anschieber zur Verfügung stellte. Wie haben Sie die Situation eingeschätzt?

Ich kenne Beat Hefti sehr gut, und er fuhr als Pilot für unseren Bobclub Zentralschweiz. Wir vom Club haben von Beginn an mit ihm vereinbart, dass wir uns in dieser Angelegenheit nicht einmischen. Am Ende möchte ich mich an die Fakten halten. Er hatte mit seinen 40 Jahren eine sehr erfolgreiche Karriere, aber zuletzt blieben die Resultate aus. Das führte dazu, dass die Unterstützung nicht mehr vorhanden war und er sich dazu entschieden hatte zurückzutreten.

Also keine Verschwörung wegen den Anschiebern?

Jeder Pilot ist selbst dafür zuständig, ein schlagfertiges Team mit guten Anschiebern auf die Beine zu stellen. Das war bei ihm in der letzten Saison leider nicht mehr der Fall.

Es scheint momentan in der Schweiz kein Pilot mehr vorhanden, welcher auf Weltcup-Niveau mitfahren wird. Wie geht es nun weiter mit dem Bobsport in der Schweiz?

Ich sehe es nicht so schwarz. Die Anschieber von den ehemaligen Top-Piloten wie Bracher, Peter und Hefti möchten nun selbst als Piloten in die Bahn steigen. Da ist viel Potenzial vorhanden. Aber es ist klar: Es wird wohl zwei, drei Jahre dauern, bis sich die ersten Erfolge für den Schweizer Bobsport wieder einstellen.

Ist aus der Region auch mit zukünftigen Leistungsträgern zu rechnen?

Der Ausserschwyzer Michael Vogt hat aus meiner Sicht grosses Potenzial. Seine Leistungen verdienen viel Aufmerksamkeit. Er könnte ein neuer Top-Pilot werden. Auch Jan Moulinier, einem Nachwuchsmann aus dem Bobclub Zentralschweiz, traue ich viel zu. Es wird interessant sein, die Entwicklung zu verfolgen.

Martin Annen aus Oberarth in seinem Restaurant Schöntal. Bild: Christoph Clavadetscher