23. Juli 1969: Spiel ohne Grenzen in Caserta, Italien

Die Arth-Goldauer Mannschaft sorgte im beliebten Eurovisions-Fernsehspiel für Furore

von Erich Ketterer

Wer erinnert sich nicht an das alljährliche sommerliche Fernseh-Spektakel «Spiel ohne Grenzen». Jeweils Mittwoch abends spielten Städtemannschaften aus verschiedenen europäischen Ländern in unterhaltenden Wasser- und Schmierseifen-Spielen um Punkte und Sieg. Am 23. Juli 1969, vor genau 30 Jahren, wurde die Schweiz durch die Mannschaft von Arth-Goldau vertreten und sorgte für den ersten Sieg einer Schweizer Mannschaft. Beste Propaganda für die Gemeinde Arth und ein unvergessliches Abenteuer für die Beteiligten waren die Quintessenz des Abenteuers «Spiel ohne Grenzen» für unsere Talschaft.

Im November 1968 bewarb sich die Gemeinde Arth beim Schweizer Fernsehen, um beim allsommerlichen internationalen Städewettstreit mitzumachen. Am 6. März 1969 erhielten die Initianten dann die erfreuliche Mitteilung. dass sie auserwählt wurden. als Innerschweizer Mannschaft am 23. Juli die Schweiz zu vertreten. Nun machte sich eine eigentliche Welle der Begeisterung breit. und die Vorbereitungen wurden umgehend an die Hand genommen. Als Mannschaftsbetreuer stellte sich Josef Gasser. Goldau, zur Verfügung. Zusammen mit Oskar Steiner, Aldo Contratto und Josef Kunz selektionierte er die nötigen Sportler – allgemein als «Buebe und Meitli» bezeichnet – aus den ortsansässigen Sportvereinen. Das intensive Training für die unterhaltenden Spiele, wo es um Geschicklichkeit. Kraft und Ausdauer ging, wurde im Seebad Arth, Turnhalle Zwygarten und auf der «Union-Wiese» in Goldau durchgeführt. Während Reise und Unterkunft vom Schweizer Fernsehen bezahlt wurde. übernahm die Gemeinde Arth die Kosten für Geschenke bei offiziellen Anlässen und weitere anfallende Auslagen. Dank einer Sponsoren-Aktion war es der Arth-Goldauer Manschaft möglich, mit einheitlichem Trainingsanzug anzutreten. Als offizieller Gemeindevertreter nahm der damalige Gemeindepräsident Franz-Anton Kennel an der Reise teil.


Erster Sieg einer Schweizer Mannschaft beim «Spiel ohne Grenzen»

Im italienischen Caserta, in der Nähe von Neapel, ging dann am Mittwoch abend, 23. Juli 1969 vor 25’000 Zuschauern und etlichen Millionen an den Bildschirmen in ganz Europa die Mannschaft «Arth-Goldau» in die Geschichte ein: Als erste Schweizer Mannschaft überhaupt gewannen die «Buebe und Meitli» beim «Spiel ohne Grenzen»! Neben dem tollen Teamgeist, welcher durch die ganze Vorbereitung spürbar war, stand auch das nötige Schlachtenglück den Arth-Goldauern zur Seite. Besonders hervorzuheben gilt es dabei Vital Heinzer, welcher im allerletzten Spiel das Steuer zugunsten seiner scheinbar hoffnungslos zurückliegenden Mannschaft herumzureissen vermochte. Es galt dabei einen Korb mit möglichst vielen supponierten Riesenspaghetti zu füllen, wobei er, assistiert von Hilda Heinzer, nicht zu schlagen war. Der Sieg war mit einem Punkt Vorsprung errungen, der Jubel der Schweizer Mannschaft kannte keine Grenzen. Auch in der fernen Heimat erlag alles dem «Spiel ohne Grenzen»-Fieber, es identifizierte sich eine ganze Gemeinde, ja eine ganze Region mit den erfolgreichen Sportlern, zumal die bestplazierte Mannschaft jedess Landes Ende Sommer das Finale im englischen Blackpool bestreiten durfte.

Triumphale Heimkehr der erfolgreichen Sportler

Der sensationelle Erfolg der Arth-Goldauer beim Spiel ohne Grenzen. überragte als Tagesereignis selbst die erste Mondlandung der amerikanischen Astronauten, welche in genau denselben Tagen weltweit für Schlagzeilen sorgte. Kein Wunder, wollten die Daheimgebliebenen ihren Helden einen würdigen Empfang in der Heimat bescheren. Und so berichtete der Journalist einer Luzerner Tageszeitung über die Heimkehr der siegreichen Mannschaft: Freude ohne Grenzen in Arth-Goldau! Das hat es in Arth noch nie gegeben: Eine halbe Stunde nach Mitternacht bewegte sich ein imposanter Festzug unter schmetternden Marschmusikklängen zum Festplatz. Gegen ein Uhr nachts ergriff der erste Festredner das Wort, und zu einer Zeit, da sonst eine landesübliche Freinacht beendet zu sein pflegt, war erst der offizielle Teil vorüber. Das Fest selber dauerte buchstäbllich bis in den nächsten Morgen hinein. Kurz vor 22.30 Uhr am Freitag abend hätte die überglückliche Siegermannschaft mit einer Kursmaschine in Zürich-Klotcn eintreffen sollen. Aber das Flugzeug hatte fast 30 Minuten Verspätung. und der mit den Gemeindewappen geschmückte Autocar, der zur Fahrt in die Heimat bereitstand, wurde im dichten Wochenendverkehrsgewühl des Sihlwaldes aufgehalten. Kein Wunder, dass der Empfangstross beim Strandbad an der Zugerstrasse ungeduldig wurde. Als kurz vor Mitternacht ein Autobus nahte, wurden aufgeregt die Fackeln entzündet, der Dirigent der (für einmal vereinigten) Musikkorps von Arth und Goldau hob den Taktstock, und die Zaungäste applaudierten ohrenbetäubend. Doch welch ein Pech! Im Car drin rieben sich nur einige verschlafene Feriengäste aus dem Schwarzwald verwundert die Augen, der Wagen brauste vorbei – falscher Alarm! Eine Viertelstunde nach Mitternacht kamen dann aber die Richtigen doch noch. Die Fackeln flammten wieder auf, schmetternder Marsch aus allen Hörnern, Fahnen, die sich zum Gruss senkten, markige Heimatweisen der Jodlerklubs von Oberarth und Goldau, aufbrandender Applaus – und dann kletterten sie aus dem Wagen, die Burschen und Mädchen und ihre Betreuer: Strahlend und übermütig vor Freude setzten sich die Mädchen auf die Schultern ihrer Kameraden. spontane Freudentänze zum Takt der Marschmusik, Blitzlicht, Fernsehlampen. Radiointerviews, Rufe, Glückwünsche, Küsse – kurz: alles, was zu einem Jubelempfang erster Klasse in einem bodenständigen Innerschweizer Dorf gehört. Nicht einmal die Mondfahrer hätten in Arth ehrenvoller empfangen werden können. Dann setzte sich der Festzug dorfwärts in Bewegegung: Voran, wie’s der Brauch ist, Tambouren, hinterher ein strassenbreites Blumenbankett, Ehrendamen und ein Fahnenwäldchen, Turner im Leibchen. Fussballer mit Fackeln, Spruchbänder usw. Der Zug zum Festplatz war begleitet von den begeisterten Ovationen aus den Zuschauerspalieren. Sogar Blumen flogen aus den Fenstern auf die strahlend winkenden Sieger herab. Im Beisein von Ständerat Josef Ulrich, Oberst Alois Kessler und weiterer Prominenz dankte dann der Organisator des spontanen Festes, Josef Kraft, der siegreichen Mannschaft, aber auch allen Helfern, und Gemeindevizepräsident Hans Probst überbrachte herzliche Glückwünsche, ebenso wie Karl Imlig für den Einwohnerverein Goldau. Dann stellte Josef Gasser jeden einzelnen seiner Schützlinge dem Publikum vor, das die grosse Festwirtschaft unter freiem und trockenem Himmel bis auf den letzten Platz füllte. Erstaunlich, welch ein perfektes Volksfest die Arther innert weniger als 24 Stunden auf die Beine stellten. Alles war da. was dazugehört: Tische und Bänke, Festwirtschaft, Bratwurststand, Freibier und – als symbolische Siegerspeise – Spaghetti für alle.

Barfuss um den Zugersee

Einige Tage nach dem denkwürdigen Empfangsfest standen einige der erfolgreichen Spiel ohne Grenzen-«Buebe» noch einmal im Rampenlicht: Schon lange bevor sie nach Caserta abreisten, versprachen Josef Kunz und Vital Heinzer bei einem Sieg barfuss um den Zugersee zu marschieren. Der Sieg stellte sich ein – die 42 km lange Reise musste angetreten werden! Freiwillig marschschierten mit den beiden auch noch die Mannschaftskollegen Karl Betschart, Franz Weber und Othmar Willisegger mit. Schlag zehn Uhr abends am Bundesfeiertag erfolgte der Abmarsch in Arth. Aber es «rückte» den Wanderern nicht besonders: Der erste «Stundenhalt» erfolgte schon nach zwanzig Metern, als ihnen ein Glas Sekt offeriert wurde. Und in ähnlichem Stil ging’s weiter. Überall rund um den Zugersee wusste man um die Wette der erfolgreichen Sportler und betreute sie aufs beste, vor allem an der Buonaser Chilbi wurde eine sehr ausgiebige Marschpause eingelegt. Nach genau 24 Stunden trafen die Helden wieder in Arth ein, ohne «Blattern» an den Füssen, dafür waren die Hände von Josef Kunz etwas aufgeschwollen… vom Trommeln! Der Traum der erfolgreichen Arth-Goldauer Mannschaft, als beste Schweizer Mannschaft des Jahres 1969 am Finale in England teilnehmen zu dürfen, währte dann allerdings nur 14 Tage: Bei der vierten Runde gewann mit Martigny ebenfalls eine Schweizer Mannschaft und da die Walliser einen Punkt mehr auf ihrem Konto hatten als Arth-Goldau, bestritten sie das «Spiel ohne Grenzen»-Final. Trotzdem haben die Arth-Goldauer «Buebe und Meitli», welche immer wieder die tolle Kameradschaft und das hervorragende Umfeld erwähnten, mit ihrer hemerkenswerten Leistung ein Stück Arther Geschichte geschrieben und den Namen unserer Gemeinde über die Landesgrenzen hinaus zu einem Begriff werden lassen.