Begegnungen
Von Melanie Schnider, Bote der Urschweiz
Stirbt ein geliebter Mensch, legt sich eine unendliche Schwere und Trauer über die Hinterbliebenen. In dieser Gemütsverfassung Abschied nehmen zu müssen, ist kaum ertragbar. Doch es gibt eine aussergewöhnliche Frau, welche den Loslösungsprozess nicht nur aushaltbar macht, sondern in etwas Einmaliges und Unvergessliches verwandelt. Wie macht die 76-jährige Ritualbegleiterin Erika Goergen dies?
Anders als in vielen Religionen steht für die studierte Psychologin und Mediatorin nicht das Transzendente im Vordergrund, sondern der Mensch. Sie beschreibt dies mit folgenden Worten: «Nicht Gott steht im Zentrum, sondern der Mensch.» Dabei wirkt Erika Goergen keinesfalls wie eine rationale Atheistin oder eine übereifrige Anthropologin. Vielmehr ist sie eine charismatische und authentische Menschenfreundin. «Durch die profanen Abschiedsfeiern möchte ich die Einzigartigkeit des Lebens des Verstorbenen herausarbeiten», erklärt sie. «Während der Abdankung bin ich gedanklich komplett beim Verstorbenen. Für diesen Moment soll er der einzige Mensch auf der Welt sein», schildert die 76-Jährige, die seit zwölf Jahren weltliche Abdankungsfeiern anbietet, und dies in mehreren Sprachen.
Da Erika Goergen die Verstorbenen meistens nie persönlich kennengelernt hat, ist es kein Leichtes, deren Leben wiederzugeben. Wie gelingt ihr dies? «Ich treffe die Angehörigen jeweils auf ein gemeinsames, intensives Vorgespräch», beginnt sie. «Sie erzählen mir dabei von bedeutungsvollen Erlebnissen, von glücklichen, aber auch schweren Momenten im Leben des Verstorbenen und zeigen mir aufgenommene Fotos oder Filme.» Bis zu drei Stunden dauerten diese Treffen und seien oftmals sehr emotional, ergänzt Goergen. «Durch aktives Zuhören und mit viel Einfühlungsvermögen versuche ich, den Verstorbenen durch die Angehörigen zu erfassen und zu verstehen, ihn durch seine Liebsten kennenzulernen», sagt sie.
Auf der Basis dieses metaphysischen Kennenlernens des Verstorbenen gestaltet Erika Goergen eine Abdankungsfeier. Zelebriert wird diese entweder in sakralen Bauten oder in Besinnungsräumen. «Meist werden diese Räume sehr andachtsvoll und persönlich gestaltet. Ich erinnere mich an eine Feier, bei der die ganze Abdankungshalle in ein Meer aus Blumen getaucht wurde. An einer anderen Abschiedsfeier wurden Fotos von Bildern, die eine verstorbene Künstlerin gemalt hatte, an die Wände projiziert», erzählt sie. Neben ihren persönlichen Gedanken und dem Lebenslauf des Verstorbenen lässt Erika Goergen musikalische Einlagen in die Feier einfliessen, ebenso wie tröstende Gedichte und stille Momente. Gott erwähnt sie mit keinem Wort. «Obwohl die Abdankungsfeiern nicht religiös sind, werde ich vielmals mit ‹Frau Pfarrerin› angesprochen», schmunzelt sie.
Ob Gott an der Feier teilhabe oder nicht, sei im Endeffekt nicht wichtig. «Es geht um die Gefühle des Aufgehobenseins in der Gemeinschaft der Trauernden und der Geborgenheit, die den Schmerz lösen. Das ist für mich Religion», sagt Ritualbegleiterin Erika Goergen.
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