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Donnerstag, 4. Oktober 2001

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Der Weltcupsieger im Zweierbob, Martin Annen, vor einer Saison mit vielen Höhepunkten

Fast kometenhaft ist der ehemalige Kranzschwinger im vergangenen Winter an die Spitze der Bobszene gefahren. Sein nächstes grosses Ziel ­ nebst der Verteidigung des Weltcupsieges ­ ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen im Februar 2002 im amerikanischen Salt Lake City.

MIT MARTIN ANNEN SPRACH ALFRED WOLF

Sie gehören seit dem vergangenen Winter zu den absoluten Top-Piloten sowohl im Zweier- wie auch im Viererbob. Was hat sich für Sie geändert, oder haben Sie sich verändert?
 
«Ich hoffe und glaube auch, dass ich immer noch der gleiche Martin Annen bin. Ich bezweifle, ob es gut wäre, wenn ich mich wegen des Erfolges auf einmal anders geben würde. Geändert hat sich aber ganz sicher insofern etwas, als ich zusammen mit meiner Mannschaft versucht habe, noch professioneller zu arbeiten. Am Ende entscheiden kleine Details über Sieg oder Niederlage.»

Werden Sie auf der Strasse angesprochen, oder können Sie sich nach wie vor frei bewegen?
 
«Sicher wird man erkannt, aber es ist nicht so, dass dies für mich ein Problem wird. Man merkt sicher, dass über einen gesprochen wird, aber direkt angesprochen werde ich nur ganz selten. Zudem ist es im Winter sicher aktueller als im Sommer.»

Sie werden im kommenden Winter in einem neuen Zweierbob unterwegs sein. Was versprechen Sie sich davon, und haben schon erste Tests stattgefunden?

«Der neue Zweierbob wurde im Windkanal getestet. Ich glaube, dass ich über super Material verfüge. Jetzt liegt es an mir und meinen Hinterleuten, aus diesem Material das Optimum herauszuholen. Was im Vierer läuft, da hülle ich mich vorläufig noch in Schweigen. In La Plagne werden schon in den nächsten Wochen die ersten Tests im Bobkanal stattfinden.»

Dann dürfen wir also hoffen, dass Sie auch den Deutschen Christoph Langen in die Schranken weisen können?

«Ich habe und hatte vor Christoph Langen noch nie Angst. Sicher ist er ein ausgezeichneter Pilot. Aber ich habe ihn auch schon bezwungen. Lassen wir das alles einmal auf uns zukommen.»

Können Sie vom Bobsport inzwischen leben?

«Der Bobsport ist nach wie vor eine Randsportart. Zudem sind unsere Sportgeräte enorm teuer. Ich habe durch meine Erfolge inzwischen sehr gute Sponsoren und Gönner, die mich unterstützen, ansonsten wäre es kaum möglich, meine Familie und mich zu unterhalten. Ich muss aber erwähnen, dass ich von Frühling bis Herbst bei der Victorinox in Ibach in der Packerei angestellt bin, aber natürlich nicht mit einem Vollpensum.»

Wollen Sie den Titel im Weltcup verteidigen, oder gilt Ihr Augenmerk vor allem den Olympischen Spielen?

«Das eine geht nicht oder das andere. Zuerst muss ich mich einmal für die Spiele in Salt Lake City qualifizieren. Das geht nur über gute Resultate im Weltcup. Das heisst also, dass ich schon bei den ersten Rennen Anfang November bei den Leuten sein muss. Zudem zeichnet der Weltcupsieg den besten Piloten der Saison aus. Bei einem Olympiasieg spielt die Tagesform und auch das Glück eine nicht zu unterschätzende Rolle. Der Gesamtweltcup sowohl im Zweier als auch im Vierer hat für mich einen sehr hohen Stellenwert.»

Sie haben jetzt fünf Bremser, aber höchstens drei können Sie einsetzen. Ist die Gefahr nicht gross, dass es zu Unstimmigkeiten innerhalb der Mannschaft kommen kann?

«Die Gefahr ist sicher vorhanden. Aber meine Hinterleute kennen die Situation und haben sich damit einverstanden erklärt. Natürlich gibt es hie und da Diskussionen, aber das gehört einfach dazu. Gerade in solchen Momenten zeigt sich aber, wie der Geist in der Mannschaft ist. Ich habe jedenfalls ein gutes Gefühl. Der grosse Unterschied ist, dass ich heute aus Schwingkreisen oder gute Kollegen in der Mannschaft hatte. Jetzt sind effektiv zwei Spitzenleichtathleten dazugekommen. Die haben ihre Leistungen vor allem auch erbracht, weil sie vielleicht spezielle Charaktere haben. Aber genau das ist für mich als Pilot eine echte Herausforderung.»

Werden die Sommertrainings vom Verband organisiert, oder trägt der Pilot für alles die Verantwortung?

«Im Hinblick auf den Grossanlass im kommenden Winter gab es mehr Zusammenzüge vom Verband aus als auch schon. Aber mehrheitlich sind schon die einzelnen Teams respektive Piloten für das Trainingsprogramm verantwortlich.»

Sind Sie für die ersten Weltcuprennen gesetzt, oder müssen Sie auch als Weltcupsieger noch durch die Qualifikationsmühlen?

«Wir haben sowohl im Zweier- als auch im Viererbob drei Startplätze. So müssen gar keine Qualifikationen gefahren werden. Ich habe mit meiner Mannschaft den Vorteil, dass ich im Zweier- wie im Viererbob “Schweiz 1” bin, was bedeutet, dass ich gegenüber einem Reto Götschi sicher von besseren Startnummern profitieren kann. Das gilt vorerst einmal fürs erste Rennen. Diese Konstellation kann sich aber im Laufe der Saison verändern.»

Stichwort Götschi. Bekanntlich hat einer der schnellsten Hintermänner, der 100-Meter-Sprinter Cédric Grand, von Götschi zu Ihnen gewechselt. Könnte das eine besondere Rivalität hervorrufen?

«Das war die Entscheidung von Grand. Ich habe mit Reto Götschi keine Probleme, und ich hoffe, er mit mir auch nicht.»

Warum fehlt es dem Bobsport in der Schweiz doch etwas an Popularität, obwohl unser Land gerade in dieser Sportart immer wieder grosse Erfolge feiern kann?

«Wir haben mit St. Moritz nur eine Bobbahn. Das ist sicher ein Hauptgrund. Wenn dort aber gefahren wird, ist das jeweils ein Riesenspektakel. Sicher wäre es schön, wenn auch das Fernsehen mehr von uns zeigen würde. In Salt Lake City sind die Bob-Wettbewerbe schon seit Monaten ausverkauft. Das zeigt doch, dass wir nicht nur ein “Mauerblümchen-Dasein” fristen.»

In den kommenden Monaten werden Sie mehr oder weniger von zu Hause weg sein. Wie vereinbaren Sie dies mit Ihrer Lebenspartnerin und Ihrer Tochter?

«Meine Partnerin und ich  kennen uns jetzt schon lange, und wir wissen, was uns im Winter jeweils erwartet. Aber wir haben uns für diesen Schritt entschieden, und ich muss alles dem Sport unterordnen. Mit den heutigen Kommunikationsmitteln ist es aber auch nicht mehr so extrem wie früher. Ich komme mir manchmal vor ­ wenn ich meine Telefonrechnung sehe ­ wie ein Sponsor der Swisscom.»

Die Anschläge in den USA werden sicher einen Schatten auf die Olympischen Spiele werfen. Mit was für Gefühlen haben Sie die schrecklichen Ereignisse verfolgt?

«Ein grosser Traum von mir war immer, einmal an Olympischen Spielen bei der Eröffnungs- und Schlusszeremonie dabei zu sein. Nach diesen Ereignissen werde ich im Falle einer Qualifikation für die Spiele aber auf beides verzichten. Ich traue den Terroristen zu, dass sie genau einen solchen Anlass wieder dazu benützen, um einen Anschlag zu verüben. So würde es ihnen wieder gelingen, auf der ganzen Welt für Aufsehen zu sorgen. Auch der Fall von Zug hat gezeigt, dass die Hemmschwelle einfach anders ist als noch vor ein paar Jahren.»

Mediendienst Annen Bob Team


 


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