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Tages Anzeiger, 8. Dezember 1999

Für Olympia aufs Eis

Sieg im Viererbob im französischen La Plagne

Er ist der neue Siegfahrer im Schweizer Bob-Verband: Martin Annen, der Schwyzer Kranzschwinger, kennt im Europacup kaum Gegner.

von Peter Hegetschweiler

Bobs des SBSV gleiten zurzeit auf Erfolgskurs. Im Weltcup ist Christian Reich (gewann zum Saisonstart in Lillehammer) zum Siegfahrer avanciert, hat sich Reto Götschi (wird nach Langens mutmasslicher Disqualifikation wohl zum Gewinner des Rennens von Winterberg erklärt) eindrücklich zurückgemeldet und gilt Marcel Rohner im Vierer wie eh und je als Runner-up.

Weit spektakulärer ist allerdings das, was im Schatten der Grossen Nachwuchspilot Martin Annen bietet. Der 25-Jährige aus Arth im Kanton Schwyz jagt auf Europas Bobbahnen zurzeit von Erfolg zu Erfolg, gewann zum Saisonauftakt im Zweier in Igls und doppelte vor Wochenfrist in La Plagne im wörtlichsten Sinn mit Siegen im Zweier und Vierer nach. Jetzt steht im Europacup morgen Donnerstag und am kommenden Sonntag in Königssee die dritte Prüfung an. Als Favorit gilt auch auf dieser schwierigen Bahn Martin Annen.

Bodenständig - und schnell

Das hat Gründe. Annen, der Bodenständige, der Sachliche, liebt schnelle, stark drehende Bahnen, lebt gern mit der Geschwindigkeit und "ein wenig auch" - was er allerdings ungern eingesteht - mit dem Risiko. La Plagne ("meine Lieblingsbahn") und Königssee sind solche Pisten, die auch entsprechend Mut fordern. Und daran fehlt es Annen schon gar nicht.

Auch nicht an Zielen. Und an Ideen, wie solche zu erreichen sind. Annen hat an allen vier Bergschwingfesten, auf dem Rigi, auf dem Brünig, auf dem Stoos und in Schwarzsee, den Kranz geholt. Doch er sagt: "So gern ich noch heute schwinge und so erfolgreich ich war, einen grossen Traum habe ich noch immer: Ich will an Olympischen Spielen teilnehmen."

Beseelt von diesem Wunsch, nutzte er die erste Gelegenheit, in den Bobsport zu wechseln. Das war 1993, als Marcel Rohner, der in Baar, am andern Ende des Zugersees, wohnt, auf Martin Annen aufmerksam wurde. Der hatte eben durch ein herausragendes Ergebnis bei der Aushebung geglänzt, was die lokale Presse meldete. Also fragte Rohner an, Annen sagte Ja und wurde im Vierer des Olympia-Zweiten von Nagano schon 1995 Schweizer Meister.

Kein Mitfahrer

Doch ein Mitfahrer ist Annen nicht; einer wie er nimmt sein Geschick lieber selbst in die Hand. "Zudem", so der Schwyzer, "wurde mir rasch klar, dass ich es nur als Pilot an Olympische Spiele bringen kann." Denn Annen sieht sich trotz seiner 89 Kilo bei einer Grösse von 1,81 m nicht als Topathlet, dafür traute er sich die Fähigkeit, einen Bob zu lenken, schnell einmal zu. Das bewies er schon in der Bobschule und vor allem nach einem "Zwischenjahr" auf den Bobs des inzwischen zurückgetretenen Spitzenpiloten Dominik Scherrer. Mit dem Aargauer als Bremser bestritt er nach der WM 1997 in St. Moritz ein einwöchiges Intensivtraining - und fuhr zehn Monate später an seiner ersten Schweizer Meisterschaft bereits auf Platz 7.

Heute ist Annen im Europacup die Nummer 1, steht auf dem Sprung in die Nationalmannschaft und in den Weltcup. Erreichen will er dies über Podestplätze an den Schweizer Meisterschaften im Engadin in der ersten Januarwoche 2000. Und sowohl Dominik Scherrer, Nachwuchscoach im SBSV, als auch Sportchef Hans Hiltebrand trauen ihm das durchaus zu. Die beiden führen ihren Kollegen aus dem Zürcher Bobclub sorgfältig an diese grösseren Aufgaben heran, haben gemeinsam das gleiche Ziel im Auge: Salt Lake City.

Gut möglich, dass Martin Annens Traum von Olympia schon in zwei Jahren in Erfüllung geht.


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