Oberarth

Seit November ist die Oberarther Badewannen-Herstellerin Wilhelm Schmidlin AG definitiv auf dem US-Markt angekommen. Urs Wullschleger erklärt, wie der Einstieg angepackt wurde und weshalb er an diesen Markt glaubt.

Jürg Auf der Maur, Bote der Urschweiz, 30.12.2023

Seit 2017 gibt es auf dem amerikanischen Markt die Marke Schmidlin, und im Frühjahr haben Sie nun auch eine Niederlassung in den USA gegründet. Weshalb zieht es Sie in die Staaten und nicht in andere Märkte?

Es sind mehrere Gründe, die uns damals zu diesem Schritt bewogen haben. Die Produktion auf Mass ist eine unserer Spezialitäten, wo wir uns von den Wettbewerbern abheben. Das heisst, wir können unsere Bade- und Duschwannen genau so anbieten, wie das die Kundschaft in den USA wünscht. Bekanntlich haben die USA ja kein metrisches Masssystem. Sie rechnen in Inches, nicht in Millimetern.

Das ist ein Vorteil für Schmidlin?

Unsere Analysen zeigten, dass unsere europäischen Mitbewerber unter anderem deshalb einen Bogen um den amerikanischen Markt machen, weil sie das nicht anbieten können. Wir sind flexibler und können auf die Bedürfnisse eingehen. So konnten wir vor sieben Jahren in diesen Markt eintreten, ohne dass wir extrem hohe Investitionen tätigen mussten.

Trotzdem: Das allein erklärt ja nicht, weshalb Sie sich für diesen als kompliziert bekannten Markt entschieden haben.

Nein, wir haben evaluiert, wo es auf der Welt für den Absatz unserer Produkte spannend sein könnte. Der US-Markt zählt 350 Millionen potenzielle und auch zahlungskräftige Kundinnen und Kunden. In Europa stecken wir relativ schnell in einem Preiskampf. Unser Material ist glasierter Stahl, wo wir uns qualitativ in den USA von den Produkten aus Kunststoff und Guss abheben. Daher sahen wir gute Chancen, uns auch preislich attraktiv zu positionieren.

Wie genau lief der Markteintritt ab?

Ich ging 2016 mehrere Male in die Staaten und wollte verstehen und sehen, wie der Badewannen-Markt dort funktioniert, welche Bedürfnisse existieren, wie die Produkte eingebaut werden, wie Händler und Architekten arbeiten.

Und, was stellten Sie fest?

Wenn man mit offenen Augen an die Sache geht, sieht man schnell, was wichtig ist und was nicht. Wichtig ist, dass der Einbau gut funktioniert. Wir müssen unsere Produkte so anbieten, wie es der amerikanische Markt will. Wir müssen uns ihnen anpassen und nicht umgekehrt.

Gibt es denn grosse Unterschiede?

In Amerika werden die allermeisten Wannen in eine Nische mit klar normierten Massen eingebaut. In Europa werden unsere Produkte hingegen meistens in eine Ecke eingebaut. Die Amerikaner kennen den sogenannten Unterlagsboden nicht, daher erwarten sie eine integrierte Schürze zum einfacheren Einbau. Die integrierte Zarge, eine Schmidlin-Spezialität, war in den USA bereits bekannt und wird sehr geschätzt.

Der US-Markt gilt auch als heikel, weil schnell Klagen drohen. Haben Sie keine Angst, eine Millionenklage ins Haus zu bekommen, sollte ein Kunde in einer Schmidlin-Wanne ausrutschen?

Im Unterschied zu Europa muss jedes Produkt im Voraus durch ein Labor in Kalifornien zertifiziert werden. Besteht das Produkt diese Prüfungen, so ist es zugelassen. Unser gesamtes US-Sortiment ist zertifiziert.

Wie läuft das ab?

Für jeden Artikel, welchen man im Markt einführen möchte, müssen genaue Beschriebe und exakte Zeichnungen eingereicht werden. Die Behörde legt dann fest, welche Produkte physisch ins Labor nach Kalifornien zur genauen Prüfung gesendet werden müssen. Zudem kommt jedes Jahr ein Kontrolleur nach Oberarth in unsere Produktion. Er prüft, ob alles gemäss den Zertifikaten hergestellt wird. Es geht dabei nicht nur um die Herstellung der Wannen, sondern auch darum, wie sie etikettiert oder verpackt werden.

Macht das Sinn?

Die Amerikaner wollen geprüfte Produkte auf dem Markt haben, damit ihre Einwohner vor schlechter Ware geschützt werden. Das kommt uns letztlich auch entgegen.

Inwiefern?

Unser Anwalt sagte, dass die Zertifizierung zwar ein langwieriger und mühsamer Prozess sei. «It’s a pain», betonte er jeweils. Der Vorteil daraus ist aber auch, dass wir zu einem gewissen Grad vor Klagen geschützt werden. Solange wir die Wanne gemäss der Zertifizierung hergestellt haben, sollte uns niemand wegen Ausrutschen oder Elektroschock anklagen können. Wichtig ist, dass wir die erforderliche Qualität herstellen, denn eine undichte Wanne in der 57. Etage eines Hochhauses könnte natürlich teuer werden.

Wie sehen die Verkaufszahlen aus? Hat sich der Aufwand für Schmidlin gelohnt?

Wir konnten 2023 unsere Verkaufszahlen gegenüber dem Vorjahr erheblich steigern. Gegenüber dem europäischen Markt fällt das zahlenmässig noch nicht so ins Gewicht. Aber wie erwähnt: Wir sind noch am Anfang und am Wachsen.

Wie sehen die Zahlen konkret aus?

Wir betreiben ein eigenes Lager in Florida. Vor Corona haben wir alle drei Monate einen Container nach Miami gesendet. Dieses Jahr haben wir alle sechs Wochen einen Container gesendet, und für nächstes Jahr planen wir monatlich einen Container.

Was macht Sie so zuversichtlich, dass es so positiv weitergeht?

Wir haben im Februar 2023 mit der Schmidlin USA Inc. eine Niederlassung als US-Firma gegründet. Seit November haben wir nun mit Céline Marcotte eine Verkaufsleiterin angestellt. Sie ist die erste Vollzeitmitarbeiterin unserer US-Niederlassung und ist von unseren Produkten überzeugt. Sie kniet sich voll rein und freut sich, die Marke in den Vereinigten Staaten aufbauen zu können. Und sie ist kein Neuling, sie arbeitet schon seit über 20 Jahren im Badeartikel-Business. Bis jetzt hatten wir nur ein Lager in Miami. Jetzt sind wir mit einer eigenen Firma präsent und können unsere Marke noch besser aufbauen.

«Jetzt können wir die Marke noch besser aufbauen.»

Urs Wullschleger, Inhaber und Geschäftsführer der Wilhelm Schmidlin AG, im Betrieb in Oberarth, wo die bekannten Badewannen produziert werden.
Bild: Jürg Auf der Maur

Gibt es schon überall Badewannen aus Oberarth?

Unser Hauptmarkt ist New York. An zweiter Stelle kommt Kalifornien. Der Grossraum Boston und die Gegend um Chicago entwickeln sich auch sehr gut. Eher weniger lief es bisher in Florida, obwohl das ja aufgrund unseres Lagerhauses in Miami so etwas wie unser «Heimmarkt» wäre. Das hatte aber auch mit dem dortigen Handelsvertreter zu tun. Hier wird Céline einige Anpassungen vornehmen, denn Florida ist interessant, da viel gebaut wird. Ein grundsätzliches Problem in den USA sind die Transportschäden der grossen Logistikfirmen. Hier wollen wir uns von den Mitbewerbern abheben.

Werden Sie früher oder später in den USA ein Werk aufbauen?

Nein, das ist nicht geplant. Wir produzieren nur in der Schweiz und wollen auch in Oberarth bleiben. Es ist uns wichtig, mit der Marke Schmidlin am Markt zu sein, denn dies gibt Unabhängigkeit, auch wenn es im Vergleich zu einem OEM-Vertrieb langsamer geht. Die Marke in einem so grossen Markt aufzubauen, ist anspruchsvoll, aber es gehört auch zu unserer Nachhaltigkeitsphilosophie. Wir wollen nicht nur ökologisch produzieren, sondern auch ein nachhaltiges Geschäftsmodell aufbauen. Die Stärkung der Marke ist dabei sehr wichtig.

«Wir produzieren nur in der Schweiz und wollen auch in Oberarth bleiben.»

Braucht es auch mehr Sprudelwannen oder solche mit einem eingebauten Soundsystem?

In den USA bieten wir solche Badewannen nicht an, obwohl dies in der Schweiz ein erfolgreiches Nischenprodukt ist. Mit den aktuellen Verkaufszahlen in den USA würde sich das im Moment nicht rechnen, wir müssten ja zusätzlich alles auch noch auf die Elektronormen zertifizieren lassen. Aber ich schliesse nicht aus, dass wir dies in vier, fünf Jahren nicht auch anbieten werden.

Zur Person

Name: Urs Wullschleger

Geburtstag: 30. August 1969

Zivilstand/Familie: verheiratet, zwei Söhne

Wohnort: Arth

Beruf: Dipl. Betr.- und Prod.-Ing. ETH

Hobby: Skifahren/Freeriden, Wasserski, Mountainbiken

Lieblingsessen: Filet Wellington meiner Mutter

Lieblingsgetränk: Wasser mit Zitronenschnitz

Da mache ich Ferien: gerne in der Schweiz, fast nie am gleichen Ort (Ausnahme: Zermatt)

Diese Apps brauche ich täglich: Todoist, Evernote, Whatsapp, Podcast Addict, Android Auto

Diese Sendungen am TV verpasse ich nicht: Weltcup-Skirennen, Skicross und MotoGP