Linke Rhetorik
Einzig Nationalrätin Chantal Galladé sprach sich für die freie Schulwahl aus, die von ihren Parteikollegen erwartungsgemäss grossmehrheitlich vehement abgelehnt wird. Die Hauptargumente gegen die Liberalisierung betreffen die Finanzierbarkeit und den Verlust der gesellschaftlichen Durchmischung und Kohäsion. Altgediente Genossen empörten sich, der Vorstoss korrumpiere das wichtige Anliegen der “Chancengleichheit”. Sie verkennen dabei, dass unsere Volksschule den Kindern faire Startchancen gibt. Den Bildungserfolg kann sie nicht garantieren. Das liegt weniger am System als an der Vielfalt der menschlichen Natur. Persönlich würde ich es sehr begrüssen, etwa mittels Bildungsgutscheinen selbst entscheiden zu können, welches Angebot den Neigungen und dem Charakter meiner Söhne am gerechtesten wird. Eine Öffnung – auch gegenüber privaten Mitbewerbern – brächte den nötigen Qualitätsschub und eine Besinnung auf die wirklichen Aufgaben der Schule.
Optimale Grundausbildung?
Die öffentliche Schule müsse die bestmögliche Grundausbildung für alle bieten, unsere Kinder gehörten in professionelle Hände, dies der gängige Tenor unter linken Bildungspolitikern. Die Erziehungskompetenz wird den Eltern genommen und dem Staat übertragen, der den Nachwuchs “individuell fördern” will. Dafür, dass sie sich um unser Liebstes kümmern, während wir die Konjunktur und den Verwaltungsapparat am Laufen halten, bezahlen wir den Vollzeitpädagogen natürlich ein angemessenes Entgelt – aus immer höheren Steuern, denn ohne liessen sich all die sozialen Verheissungen nicht berappen.
Basler Pharmakonzerne rekrutieren mehr Lehrlinge in Nachbarskantonen und aus Deutschland als unter den eigenen Schulabgängern, denen ein mangelndes Interesse für die Branche, unzureichende Bemühung bei der Stellensuche, und eine vergleichsweise schlechtere Befähigung nachgesagt werden – das Resultat einer Reform, bei der auf Noten verzichtet und mit wenig leistungsorientierten Einheitsklassen operiert wurde. Disziplin- und Motivationsprobleme waren die Folge. Zuständige reden das Fiasko schön, verweisen auf den hohen Anteil Fremdsprachiger und die vielen Kinder aus schwierigen Verhältnissen. Mit einer Reorganisation und aufgestockten Finanzmitteln will man Abhilfe schaffen.
Zum Glück wolle man wieder zurück zum “schweizerischen” Modell, kommentierte ein Leser die Meldung – Welches Modell fragt man sich da als Laie, ist das Bildungswesen doch seit Jahren im „Aufbruch“. Gegenwärtig wird sogar eine gesamtschweizerische Umgestaltung des Schulobligatoriums angepeilt, mit uniformen Standards und einer möglichst frühen Sozialisierung. Da ist von einer altersübergreifenden Basis- und Grundstufe die Rede und weiteren „integrativen“ Experimenten. Bisherige Projektversuche liefern widersprüchliche Erkenntnisse, verschiedene wurden kurzfristig abgebrochen. In Schwyz sind Werkschule, Sek und Real in der Orientierungstufe zusammengefasst; gewisse Fächer werden in durchlässigen Niveaugruppen (A und B) geführt, Begabte neuerdings in Talentklassen („Kunst & Sport“) unterrichtet. Wird HarmoS landesweit eingeführt, verlieren die Kantone jedoch ein weiteres Stück Bewegungsspielraum.
Arbeit kennt keine Grenzen
Die Reaktion der Chemiebetriebe ist indirekt ermutigend. Sie zeigt, dass sich längerfristig – auf Umwegen zwar – der bzw. das Bessere durchsetzt. Wenn der lokale Fundus wenig hergibt werden geeignete Kandidaten anderswo gesucht, auch jenseits der Grenze. Schade, dass dabei eine oder zwei Generationen Schulkinder als “Versuchskaninchen” unter die Räder kommen: absolvierten früher “bildungsschwache” Jugendliche eine Anlehre, soll ihnen künftig die sogenannte “Berufslehre mit Attest” einen “niederschwelligen Einstieg ins Berufsleben“ ermöglichen. Spätestens da werden die jungen Leute erfahren, was mit „Selektion“ gemeint ist.
Der Markt funktioniert übrigens nicht nur bei „Azubis“. Gerade bei (hoch-) qualifizierten Jobs ist die Freizügigkeit auch ohne spezielle Abkommen gegeben; an renommierten Universitäten lehren internationale Fachleute; der Informatik – Spezialist aus Indien arbeitet bei Novartis in Basel genauso problemlos wie bei Google in Zürich – denn er hat zuhause nebst dem technischen Know-how auch perfekt Englisch gelernt. Didaktik-Ausschüsse rätseln noch darüber, ob nicht doch lieber Französisch bevorzugt werden soll – schliesslich ist da ja auch noch der 1996 angenommene revidierte Sprachenartikel, dessen Umsetzung die Geister bis heute scheidet. Aber das Cassis-de- Dijon-Prinzip, dozierte kürzlich unsere Wirtschaftsministerin, brauche die Schweiz unbedingt, wegen der Globalisierung, und für mehr Wettbewerb.
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