Gott begegnen im Irrgarten

Unter dem Thema «Geh in meinen Schuhen, Gott!» haben die evangelisch-reformierte und die beiden katholischen Kirchgemeinden von Arth, Oberarth und Goldau zu einem Sonntagsgottesdienst im Mais-Labyrinth eingeladen. Für die Seelsorger war es ein geglücktes «liturgisches Wagnis», für an die zweihundert Mitfeiernde aber wurde es zu einem eindrücklichen Erlebnis.

von Walter Eigel

Feld- und Berggottesdienste in Gottes freier Natur gehören zu den beliebten besinnlichen Sommerangeboten unserer Kirchgemeinden. Dass ein solcher Gottesdienst mitten in einem Maisfeld stattfindet, macht das Aussergewöhnliche dieses Sinnangebotes aus. Willkommener Anlass für ein solches liturgisches Wagnis war der IrrgARTHen, das begehbare Mais-Labyrinth auf dem Erlihof im Arther Sonnenberg. An die zweihundert Besucherinnen und Besucher machten am vergangenen Sonntag von diesem Angebot Gebrauch. Es wurde für alle zu einer Erfahrung eigener Art.

Seine Mitte suchen

An diesem Sonntag spielte nicht nur das Wetter mit, sondern eben die Faszination des Labyrinths. Ist doch das Labyrinth ein Symbol, das zum ältesten Bestand von Sinnbildern gehört. Gerade im Mittelalter hat es in vielen, vor allem in gotischen Kirchen einen festen Platz eingenommen. Wer immer in das Gotteshaus eintrat, musste sozusagen initiiert, eingeweiht werden, indem er das Fussboden-Labyrinth durchschritt und symbolisch in seine eigene Mitte trat, aus der heraus er zum Gottes-Dienst schreiten durfte.

«Ich werde geführt»

Damit ein solcher Labyrinth-Gottesdienst für die Mitfeiernden zu einem sinnvollen Tun und Erleben wird, stellte er wohl eine besondere Herausforderung an liturgisches Gestalten dar. Die Verantwortlichen, Seelsorger wie Laien, haben hier ein hervorragendes Gespür für diese Aufgabe bewiesen. Einleitende Impulse bereiteten die Gottesdienstgemeinde auf den Gang durchs Labyrinth vor. Es wollte ein bewusster symbolischer Nachvollzug des eigenen Lebensweges sein und Sinnfragen ansprechen. Das Durchschreiten des Tores machte deutlich, wohin der Weg führen soll: «Zur Mitte der Welt». Über sechs Stationen wurde man zu dieser Mitte geführt. Über das Staunen ob den Wundern der Natur, über die Angst und den Schrecken ob Schmerz und Bedrohung, über dunkle Wegstrecken der Enttäuschung, über die Frage «Wer bin ich eigentlich?», über den ermutigenden Zuspruch «Ich bin bei Dir» und mit einem noch so schütteren Kerzenlicht durfte man die Erfahrung machen: «Ich werde geführt». Die «Mitte der Welt» aber erweist sich so als das eigene Innere in seiner Begegnung mit dem grossen Gegenüber. Sinnvollerweise war dieser Mittenplatz von einen Zelt überdacht: Das Zelt Gottes unter den Menschen.

Anders zurück in den Alltag

Auch der Rückweg «ins alltägliche Leben» fand in diesem besinnlichen Schreiten durch die Gänge des Maisfeldes seine Deutung. Denn noch ist der Weg nicht zu Ende, noch immer und immer neu wird der Mensch vor Entscheidungen gestellt: «Wo geht es weiter? Welchen Weg muss ich einschlagen?» Manchmal war in einer Sackgasse das Foto eines weinenden Kindes oder eines kranken Menschen zu sehen. Soll ich sie beachten, obwohl sie abseits meines Weges liegen? Vielleicht aber führt mein Weg auch in die «Nischen» der Mitmenschen. Verirrtes und Verwirrtes wieder auf einen gangbaren Weg bringen. Ein Auftrag, der aus der Erfahrung der Mitte kommt. Einfacher wird der Weg nicht, aber er ist von anderer Zuversicht begleitet. «Es glüht und glänzt noch nicht alles, es bessert sich aber alles», wie Martin Luther einmal formulierte.

Labyrinth auf dem Familientisch

Auch die letzte Station am Ausgang des Labyrinths glich nicht dem gewöhnlichen Heraustreten durch die Kirchentür. Hier erhielten alle Mitfeiernden Tischsets – zum mit nach Hause nehmen. Darauf sind einige der interessantesten christlichen Labyrinthe zu sehen und sind ein paar besinnliche Gedanken zu lesen. Auf dem Familientisch möchten sie an einen ungewöhnlichen, aber umso eindrücklicheren Gottesdienst erinnern.

Sinn-Angebot

Das Arther Mais-Labyrinth hebt sich aus allen andern gegenwärtig begehbaren Mais- oder Hecken-Labyrinthen in der Schweiz heraus, insofern es auch die spirituelle Dimension sichtbar und erfahrbar machen will. Es ehrt die Organisatoren dieses sommerlichen «Freizeit-Projektes», dass sie nicht einfach eine Tourismus-Attraktion anbieten, sondern die Besucher auch mit tieferen Werten konfrontieren möchten. Werte, die unsern menschlichen Lebensweg sinn-voll machen. Die spirituelle Ebene findet seinen weiteren Ausdruck – nach diesem ökumenischen Erlebnis-Gottesdienst – auch in dem, was als «Labyrinth-Tanz» ausgeschrieben ist. Die nächsten frühmorgendlichen bzw. spätabendlichen Anlässe dieser Art finden statt am Montag, den 28. August, und am Montag, den 25. September 2000, jeweils 06.00-07.30 Uhr, sowie am Donnerstag, den 21. September, 21.00-23.00 Uhr.

Die 3 Seelsorger der 3 Kirchgemeinden der Gemeinde Arth, v.l.: Josef Fritsche, Konrad Burri und Urs Heiniger

Der Sensemann

Station «Dunkle Erfahrungen»

Website IrrgARTHen