Atheist Daniel Annen glaubt weder an Gott noch ans Gebet. Er verrät, wie er über den Tod denkt und was er sich von der Kirche wünscht.

von Andrea Schelbert, Bote der Urschweiz

«Ich meine, dass wir im Leben ohne Gott auskommen. Alle Fakten sprechen dagegen, dass Gott existiert. Trotzdem weiss in letzter Konsequenz keiner von uns, ob es Gott gibt», sagt Daniel Annen. Der 56-jährige Arther bezeichnet sich als Atheist. Er betont: «Ich bin nicht gegen einen Gott. Als Atheist stelle ich vielmehr alle Autoritäts- und Glaubenssysteme infrage.» Er sei schon als Jugendlicher freiheitsliebend gewesen und habe vieles hinterfragt. Wichtig für ihn sei, zwischen Inhalten und dem, was Religionen und Kirchen daraus machen würden, zu unterscheiden. «Das Christentum beinhaltet viele spannende Botschaften, und auch die historisch nicht belegte Figur Jesu soll einige interessante Sachen gesagt haben. Es sind das Drumherum und die Machtstruktur der Kirchen, die mich stören.»

Ein Freidenker

Daniel Annen ist mit seiner Familie 2007 aus der katholischen Kirche ausgetreten. Ein Jahr später reaktivierte er mit einigen Gleichgesinnten die Freidenker-Sektion Zentralschweiz, die der Informatiker seit einem Jahr präsidiert. 75 Mitglieder gehören der Sektion Zentralschweiz an, schweizweit sind es rund 2000. Doch welche Ziele verfolgt diese Organisation? «Wir haben nichts gegen Menschen, die an etwas glauben. Wir sind auch nicht dazu da, um ihren Glauben zu zerstören. Unser Ziel ist es, die Ungerechtigkeiten aus der Welt zu schaffen, wie etwa die Tatsache, dass Kirchen von Firmen Steuergelder erhalten. Diesen Zustand finde ich sehr stossend», erklärt Annen. Der Verein setze sich unter anderem aktiv für die Trennung von Kirche und Staat ein. «Ich wünsche mir, dass die Kirche den Mut hätte, auf die zwangsweise eingetriebenen Steuern zu verzichten, und sich selber durch Spenden finanzieren würde.»

Das, was heute in den Kirchen verbreitet wird, sind für Annen Verschwörungstheorien. «Es tut mir richtig weh, wenn ich solche Sachen höre. Ich tausche mich gern mit Menschen aus, die eine konträre Meinung haben. Doch es liegt mir fern, die Lehren der katholischen Kirche zu übernehmen. Solche Dogmen sind für mich längst überholt», sagt der Informatiker. Er selber glaubt weder an ein Jenseits noch an die Wirksamkeit des Gebetes. «Es ist wissenschaftlich untersucht und bewiesen worden, dass Gebete die Naturgesetze nicht ausser Kraft setzen. Für den Weltfrieden zu beten, ist darum eher eine Alibiübung. Man sollte besser etwas für den Weltfrieden tun», sagt der Präsident der Freidenker Zentralschweiz.

Dass die katholische Kirche wegen der Segnung von zwei Lesben in Uri in Kritik geriet, findet Annen hingegen eher amüsant: «Ich verstehe nicht, dass man so ein Theater daraus macht. Eigentlich ist die Meinung der Kirche zur Homosexualität ja klar definiert. Es ist logisch, dass die Kirche das traditionelle Familienbild aufrechterhalten will.» Er erwarte nicht, dass sich die katholische Kirche anpasse. «Ich kann nachvollziehen, dass katholische Homosexuelle ihre Partnerschaft anerkennen oder segnen lassen möchten. Doch ich frage sie: Habt ihr das wirklich nötig? Lebt doch einfach das, was ihr wollt!» Jeder habe die Möglichkeit, aus der Kirche auszutreten und sein Leben so zu gestalten, wie er es für richtig erachte.

«Für den Weltfrieden zu beten, ist eher eine Alibiübung. Man sollte besser etwas für den Weltfrieden tun», sagt Freidenker Daniel Annen. Bild: Andrea Schelbert

Nicht-Aggressionsprinzip

Für Daniel Annen hat das Leben keinen tieferen Sinn. «Der Sinn des Lebens ist nicht irgendwo zu finden. Jeder Mensch gibt seinem Leben seinen eigenen Sinn. Dies ist ein aktiver Prozess und nichts, was man von jemandem einfach übernehmen kann», ist er überzeugt. Für ihn selber hat das Nicht-Aggressionsprinzip eine grosse Bedeutung. «Ich versuche meine Leben so zu leben, ohne dass ich andere Menschen verletze. Ich schreibe niemandem vor, wie er sich zu verhalten hat oder was richtig oder falsch ist. Jeder soll die Möglichkeit haben, das selber herauszufinden und seinen Weg zu gehen.»

Annen erwähnt Steve Jobs, der sagte, dass der Tod die beste Erfindung sei, um Platz für Neues zu schaffen. «Das tönt im ersten Moment schön, doch wenn man den Tod persönlich erlebt, ist er eine harte Nuss. Wir werden mit dem unwiderruflichen Todesurteil geboren. Für alle wird der Tod eines Tages stattfinden. Es ist gut, wenn man sich den Tod schon im Leben vor Augen führt.» So könne man sich immer wieder Gedanken darüber machen, ob man das Leben so gestalte, wie man es wolle. «Die Menschen sind sich zwar schon bewusst, dass sie eines Tages sterben werden. Doch viele haben das Gefühl, für sie gelte es dann nicht.» Als Atheist brauche er sich weder vor Höllenqualen noch dem Fegefeuer zu fürchten. «Weil ich glaube, dass nach dem Tod nichts mehr folgen wird, kann ich all dem locker entgegenschauen.»