Naturfan Luca Marty aus Goldau lebte für fünf Wochen in einer Jurte am Rossberg.

Alain Hospenthal, Bote der Urschweiz

Aus dem Alltag aussteigen, das Leben im Hier und Jetzt bewusster wahrnehmen und sich Zeit nehmen, um Briefe zu schreiben und über Dinge nachzudenken, die in der Hektik des Alltags zu kurz kommen. Dies klingt nach einem geplanten Robinson-Crusoe-­Aufent­halt, sprich Sabbatical eines gestressten Managers, der sich teuer an einem Ruheort zur Klausur einmietet.

Luca Marty aus Goldau tat genau dies, allerdings nicht, weil er übermässig gestresst war, sondern einfach weil der 23-jährige Landschaftsgärtner aus Goldau eine Alternative zur Hektik des Alltags suchte. Gefunden hat der Jungwacht-Schar- und -Lagerleiter diese auf dem Chalchofä, einem beschaulichen Platz am Rossberg mit Blick auf Arth. Hier oben, wo früher Kalk gebrannt wurde, richtete Luca Marty vor fünf Wochen seine Jurte auf. Auf die Idee brachte ihn ein Ferienaufenthalt in Ägypten. Dort habe er oftmals kein Internet gehabt und sei zur Erkenntnis gekommen, dass er dadurch mehr Zeit für sich gewonnen habe. Da er nur fünf Wochen Ferien pro Jahr habe, um der Informationsflut und der Hektik zu entrinnen, entschied er sich kurzum, ausserhalb der Arbeitszeit auf die Insel zu gehen.

«Hinter dem Zaun beginnt die Internetsperrzone, und hier gilt striktes Handyverbot, an das sich auch Besucher halten müssen. Wer ans Handy will, muss auf die andere Seite des Zauns und darf erst dort wieder den Flugmodus deaktivieren», erklärt Luca Marty. Mit dieser Massnahme will er den Besuchern klarmachen, wie oft sie unbewusst zum Handy greifen. Luca Marty arbeitet untertags in Sihlbrugg als Landschaftsgärtner, und er freut sich jeweils, wenn er abends hier oben ankommt. «Das fühlt sich für mich an wie Ferien», bekräftigt der Naturfan.

«Ich nehme mir Zeit zum Schreiben und Nachdenken»

Unter Ferien versteht Luca Marty die Möglichkeit, sich vom stressigen Treiben der Gesellschaft abzunabeln, um den Fokus auf die Dinge zu legen, die ihm wirklich wichtig sind. So hat er hier oben beispielsweise wieder angefangen, Briefe mit richtiger Tinte zu schreiben. «Ich nehme mir Zeit und schreibe Dankesschreiben oder Freundschaftsbriefe. Ich brauche pro Brief ungefähr zwei Stunden – vom Entwurf bis zur Reinschrift in ‹Schnüerlischrift›.»

Luca Marty betont, er sei nicht auf einem Selbstfindungstrip. Der Abstand zur Hektik gebe ihm aber die Möglichkeit, vertieft über seine Zukunftspläne nachzudenken und diese entsprechend zu präzisieren. Er wähle jeweils ein Thema, das er dann gedanklich auslege und zu dem er seine Schlüsse niederschreibe. «Ich hatte früher nie wirklich die Möglichkeit, weiter in die Zukunft zu denken. Hier oben kann ich mit Weitblick meine Gedanken gestalten und überlegen, wohin mich das Leben führen soll.» Luca Marty sieht, dass aufgrund der Alltagshektik dies in unserer Gesellschaft zu wenig möglich ist und wir uns dadurch nicht in die Richtung entwickeln können, in die wir eigentlich gehen möchten. Er geniesse es aber auch, im Hier und Jetzt innezuhalten und so das Leben bewusster zu verinnerlichen.

Luca Marty neben seiner Jurte am Rossberg. Er hat sich einfach eingerichtet. Die Annehmlichkeiten seiner Wohnung fehlten ihm während dieser Zeit nicht.Bild: Alain Hospenthal

«Wind und Wetter habe ich noch nie so intensiv erlebt»

«Als ich im April hier oben ankam, war es nachts fünf Grad kalt», erinnert er sich. Zum Schlafen sei das eigentlich kein Problem, aber am Morgen sei das Aufstehen schon «zäch» gewesen. «Nachts ist die Atmosphäre hier oben ganz speziell. Es gibt viele Geräusche, und ich liebe vor allem das Grillenzirpen beim Einschlafen, aber auch die Klänge der Geissenglöckchen. Ab und zu knackst was im Wald, aber bisher kam nichts in die Jurte rein», schmunzelt Luca Marty.

«Noch nie habe ich ein Gewitter so nah erlebt wie am 15. Mai, als tausend Blitze den Nachthimmel überzogen. Es war ein unvergessliches Erlebnis. Im Gegensatz zur Wohnung bin ich hier in der Jurte der Natur ausgesetzt, sei es bei Regen, Wind oder Hagel. Ich bekomme hier alles hautnah mit, und genau das liebe ich, die Natur erleben und spüren.»

Für Luca Marty endet das Abenteuer morgen Sonntag. Für ihn steht fest, dass es nicht das letzte Mal war.