6. Dezember 1997

Episoden aus der Kirchengeschichte

Am Abend des 6. Dezember wird wieder einmal der traditionelle Klausenumzug durch die Arther Strassen ziehen. Das 300jahr-Jubiläum unserer Pfarrkirche St. Georg und Zeno hat den Anlaß gegeben, Szenen und Episoden aus den Jahrhunderten, weiche die Arther Geschichte säumen, zu einer vielfältigen und bunten Darstellung zu bringen.

Der junge Arther Künstier Christoph Suter hat 14 geschichtliche Sujets kreativ in eindrucksvolle Umzugswagen umgesetzt. Wir treffen hier den Arther Pfarrer und Jerusalempilger Peter Villinger als türkischen Galeerensklaven, die Malerin Eva ab Yberg beim Ausmalen des Kirchenschiffes, sowie die ersten Kapuziner, die von der Arther Pfarrmagd weggejagt wurden, weil sie meinte, es seien zwei Teufel…

Auch die unselige Epoche des Arther Hummelhandels wird in Erinnerung gerufen. Wir sehen den Organisten mit den Nikodemiten musizieren, während ihm seine Gegner die Hauswand mit einem Zürcherwappen aus Kuhdreck verschmieren! Wir begegnen Barbara von Hospenthal, die um ihres Glaubens willen ins Schwyzer Gefängnis und an den Galgen geführt wird.

Dramatisch wird es nochmals beim Dorfbrand 1719 sowie beim Hörner- und Klauenstreit, als die “Aufgeklärten” (Liberalen) 1838 den uralten Palmesel aus dem Pfarrhaus entwendeten und in den See warfen.

Selbstverständlich wird der Umzug angeführt von Sankt Nikolaus hoch zu Pferd, dem in 36 Gruppen ein Troß von rund 600 Mitwirkenden folgt: zwischen den Umzugswagen blasen verschiedene Musikkorps den eindrücklichen Klausenmarsch, lassen sich Trychier und Geisiechlepfer lautstark vernehmen und schreiten reizende Kindergruppen.

Alle Klausenfreunde von nah und fern werden begeistert sein von einer stimmungsvollen Atmosphäre, die dieses adventliche Schauspiel aus lauter Licht und Ton verbreitet.

«Gott zur Ehr und uns zur Wehr»
Die alte Kirche aus dem Jahre 1312

Vor dem ersten Bund der Eidgenossen standen im Talboden von Arth zwei Kirchen: St. Georg und St. Zeno. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts, zur Zeit der lnnerschweizer Befreiungsbewegung, beschlossen die Arther Kirchgenossen, diese beiden alten Kirchen in eine gemeinsame Talkirche und eine einzige Pfarrei zusammenzulegen.

So entstand in der Mitte des Tales, zwischen St. Georg und St. Zeno, zwischen Schattenberg und Sonnenberg, auf einer leichten Anhöhe über dem Seeufer eine neue, große Kirche mit einem mächtigen Turm. Sie stand quer zur heutigen Anlage. Die Ausmaße dieser Kirche, die anläßlich von archäologischen Grabungen festgestellt werden konnten, lassen auf ein Gotteshaus schließen, das für fast 1 000 Personen Platz bot.

Die Kirche scheint etwas gar gross geraten zu sein. Die Bevölkerung betrug damals wohl kaum 1000 Seelen. Aber wenn Arth etwas unternahm, sollte es immer auch seinen Stolz präsentieren. So mag der Ehrgeiz der jungen, sich selbst behauptenden Eidgenossenschaft dazu beigetragen haben, daß die neue Kirche so imposant ausgefallen ist. Die Arther wollten wohl ihre Bundesfähigkeit unter Beweis stellen.

Wahrscheinlich aber gab es auch noch andere Gründe. Der Kirchenbau könnte zum Vorwand gedient haben, um unbemerkt Baumaterialien für die Errichtung der Letzimauern ins Land zu transportieren, um sich (zusammen mit den Schwyzern) gegen die habsburgischen Expansionsgelüste abzusichern. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen! Der Zeitpunkt war bestimmt gut gewählt: Morgarten (1 3 15) stand vor der Tür. jedenfalls war die neue Kirche nicht bloß «Gott zur Ehr», sondern auch «uns zur Wehr!»

Ein Arther Pfarrer als türkischer Galeerensklave

Peter Villinger war von 1562-1581 Pfarrer von Arth. Schon bald nach seinem Amtsantritt plante er, sich einen lang gehegten Herzenswunsch zu erfüllen: er wollte eine Pilgerfahrt ins Heilige Land unternehmen. Seine engsten Freunde rieten ihm zwar dringend davon ab, doch schlug er all diese Mahnungen in den Wind …

Am 5. November 1565 begab er sich mit einer Reisegruppe auf den Weg. Zuerst empfahlen sie sich in Einsiedeln dem Schutz der Gnadenmutter, dann ging es über die Alpen in die Lombardei und nach Venedig. Dort bestiegen sie das Schiff, das sie nach jaffa führte. Dann statteten sie allen wichtigen Heiligen Stätten einen Besuch ab. Auf dem Heimweg geriet das Schiff in Seenot und wurde vor der kleinasiatischen Küste von türkischen Piraten aufgegriffen. Als bestgehaßte Feinde der Muslime wurden diese christlichen Pilger vom Pascha zur Sklavenarbeit verurteilt. Drei Jahre lang fristeten sie in türkischer Gefangenschaft ein Dasein als Galeeren-Sträflinge. Durch Vermittlung des venezianischen Gesandten beim türkischen Pascha wurde Villinger losgekauft, nachdem seine Arther Freunde das Lösegeld für ihn aufgebracht hatten.

Unser unglücklicher Heilig-Land-Pilger kehrte am 15. NoNovember 1568 ins Dorf am See zurück. Mit Kreuz und Fahne und unter dem Geläute aller Glocken wurde er in seine Pfarrkirche einbegleitet. Es wird berichtet, er habe kostbare ‘Heiltümer’ (Reliquien) mit sich nach Hause gebracht, die er auf dem Heimweg zu Loreto und Rom erhalten hatte.

Peter Villinger, Doktor der Theologie, stammt wahrscheinlich aus einer in Arth ansässigen Familie. Er richtete im St Anna-Pfrundhaus eine große Schreibstube mit Lehrerwohnung ein. 1569 wurde er zum Dekan des Vierwaldstätter-Kapitels gewählt und 1579 zum bischöflichen Kommissar ernannt. Er versah die Pfarrei bis zu seinem Tod im Jahre 1581.

«Sie vermeinten, es seien zwei Teufel»
Die erste Begegnung mit den Kapuzinern

Die Berufung der Kapuziner im Jahre 1655 bildet einen wichtigen Markstein in der Geschichte der Gemeinde Arth. In der Plfarrei stand – wie vielerorts in der katholischen lnnerschweiz – nicht gerade alles zum Besten. Die Geistlichkeit hatte die Seelsorge sträflich vernachlässigt.

Die katholischen Orte legten die religiöse Lebenserneuerung in die Hände der Kapuziner. Auf Betreiben der politischen Elite kamen sie 1655 auch nach Arth. Sie übernahmen das Christenlehramt in der weitläufigen Gemeinde und pflegten neue Formen der Seelsorge: das Vierzigstündige Gebet, den Seelensonntag, Haus-, Stall- und Alpsegnungen, Hausbesuche und private Glaubensgespräche. Sie wollten dem Menschen in seinem Alltag nachgehen und nicht einfach auf ihn warten. Auf diesem Wege kamen die Kapuziner mit dem Volk mannigfach in Berührung, was ihnen viele Freunde warb.

Im August 1996 – nach über 340 Jahren segensreichen Wirkens – haben die Kapuziner unser Dorf am See verlassen. Ihr Kloster aber dient seither der Syrischorthodoxen Christengemeinschaft der Schweiz als geistlicher Mittelpunkt.

Der Wagen zeigt die erste Begegnung der Arther mit den Brüdern des Heiligen Franz, wie sie uns in den Kapuziner-Annalen berichtet wird: «Im Jahre 1586 begaben sich zwei Kapuziner von Luzern über Küßnacht und Arth nach Schwyz. In Arth klopften sie im Pfarrhaus an, um sich für den folgenden Sonntag als Prediger anzubieten, damit sie auch hier bekannt würden. Da kam die Magd herab und jagte die Kapuziner mit einem Stecken fort. Der Pfarrer lag eben im Sterben… Die Leute im Dorf meinten, es seien zwei Teufel, die des Pfarrers Seel wegfuhren wollten. Sie hatten nämlich zuvor noch nie einen Kapuziner gesehen.»


Siehe auch:
Klausenumzug 1999
Klausenumzug 2001
Klausenumzug 2003