(GTA) Wir trennen uns ungern von liebgewonnenen (nicht selten falschen) Überzeugungen, Angewohnheiten und (unvernünftigen) Verhaltensweisen. Eine Meinung lässt sich mit noch so triftigen Argumenten schwerlich entkräften.

Von Hegel stammt das Bonmot: “Wenn die Fakten nicht mit der Theorie übereinstimmen – Pech für die Fakten!” Faktenresistent ist z.Bsp. ein Asthmatiker, der weiterraucht, weil “ein radikaler Nikotinstopp den Körper zu sehr stressen würde”. Oder der Ewig-Rote, der Werkschliessungen mit Streiks bekämpft, Schulter an Schulter mit dem AKW-Gegner, der dezidiert fürs Kyotoprotokoll aber gegen die Globalisierung marschiert.

Jeder weiss, wie schwierig es ist, aus der wohligen Bequemlichkeit auszubrechen; wir hängen an unseren Vorurteilen, Gepflogenheiten, Macken und Ritualen, denn wie sonst können wir Identität erfahren? Vielleicht aus der täglichen Auseinandersetzung mit sich und anderen? Dem Ringen um eine eigene Haltung, ein selbstbestimmtes Kauf-, Ess- oder Freizeitverhalten? Oder genügt bereits das persönliche Gespür für Stil und Aesthetik, ohne Werbung, MTV und Konsumdiktat? Eine politische Grundeinstellung jenseits von Zeitgeist und Mainstream?

Sind wir nicht alle voller Selbstzweifel, angefangen bei Banalem wie der Frisur? Für mich wurde der Gang zum Coiffeur fast schon zur existenziellen Prüfung, wie sollte ich plötzlich, nach 20jähriger Langhaarigkeit mit einem luftig kurzgeschorenen Schopf zurechtkommen? Ein paar – anfangs schlicht entsetzte – Blicke in den Spiegel und die Wahrnehmung kapitulierte vor den Tatsachen.

Womit wir bei einer – typisch weiblichen – Form der Realitätsverweigerung sind. Jener, die erfolgreiche Geschäftsfrauen in der Lunch-Pause dazu treibt, sich Falten wegzuspritzen, als wären es Stigmata. Silberne Strähnen werden von Mittvierzigerinnen wegcoloriert, die “Problemzonen” durch Liposuktion oder schweisstreibende Workouts auf jugendliche Masse getrimmt. Unsere Eitelkeit nährt eine florierende Industriebranche. Kritisch wird es allerdings, wenn die Wirklichkeit systematisch retouchiert wird, in den Medien, durch Trendsetter und Politiker. Vornehmlich, um dem dressierten Bürger scheibchenweise individuelle Freiheiten und Privatkapital wegzunehmen – offiziell in seinem eigenen Interesse.

Gratiszeitungen informieren den hastigen Leser schnell und schmerzlos, für fundierte Berichterstattung fehlt die Zeit. Um ein Körnchen Wahrheit zu erhaschen müssen wir das Kleingedruckte zwischen den Belanglosigkeiten durchforsten. Mit etwas Glück erfahren wir dann, dass laut einer aktuellen Studie die Schweiz das Land mit der besten Luft- und Wasserqualität ist, weit vor anderen, die gestenreich und mit lauten Paukenschlägen gegen CO2-Ausstoss und für Alternativenergie rüsten. Voll- und nebenamtliche Weltretter sind jedoch von einer Idee beseelt, was kümmern sie wissenschaftliche Erkenntnisse! Die Forscher zweier renommierter US-Universitäten, die uns zur “grünsten” Nation küren, müssen “wichtige Faktoren nicht einbezogen haben”, so interpretiert Greenpeace-Klimaexperte Alexander Hauri die Meldung. Meinerseits sehe ich die Höchstnote aus Yale und Columbia als Zeichen dafür, dass der ökologische Aktivismus – etwa in der EU oder in Deutschland – nicht zwangsläufig mehr zustande bringt als zwinglianische Bedächtigkeit.

Wir dürfen also getrost “Hahnenburger” trinken. Verdanken wir es staatlichen Eingriffen und modernen Umwelttechnologien? Oder liegt es zuletzt gar an den günstigen Winden, der Topographie, dass unser Lebensraum besonders vorteilhaft ist? Dass sorgsam gewirtschaftet werden muss, nachhaltig und ohne grosse Kapriolen, wissen wir nicht erst seit dem Abschmelzen der Polarkappen oder der Entdeckung des Ozonlochs. Dieses ist im übrigen 2007 ohne Zutun des Menschen markant geschrumpft! Die Fauna der Arktis scheint derweil auch in wärmeren Gefilden prächtig zu gedeihen. Nach Knut Superstar kommt schon Flocke, das Eisbärbaby des Nürnberger Zoos.