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1. TEIL

ZIELSETZUNG UND ORGANISATION

  1. PROBLEMSTELLUNG
    1. Der Mensch unserer Zeit lebt in mancher Hinsicht unnatürlich und ungesund, nicht seinem Wesen entsprechend.
    2. Es gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen, dass er zu anderen in einer harmonischen Beziehung steht, d.h. dass er zu ihnen Verbindung
      hat, auf Interesse stösst und sich angenommen fühlt. Die Realität sieht anders aus: In den heutigen Wohnsiedlungen und Schlafstätten
      kommt das Kontaktbedürfnis vieler zu kurz. Man haust zwar nahe beieinander, lebt aber isoliert und hat mit dem Nachbarn kaum etwas zu tun. Kooperatives
      Verhalten, Altruismus, Gemeinschaftsgefühl, Liebesfähigkeit sind ungelebte Wunschbilder.
    3. Ebenso selten wird ein anderes Grundbedürfnis befriedigt: das in jedem
      Menschen innewohnende Streben nach Entfaltung der persönlichen Eigenart
      und der reichen Vielfalt des in die Wiege gelegten Potentiales. Der
      Mensch wird von seiner Umwelt in ein Schema gepresst, er passt sich an,
      “gehorcht”. Er will wie die anderen sein: leistungsorientiert, strebsam,
      egoistisch auf den eigenen Erfolg bedacht, konkurrenzbewusst. Gelernt
      werden Unterordnung, Integrationsfähigkeit und gutes Funktionieren.
      Kaum gefördert werden dagegen konstruktives Denken, individuelle Kreativität,
      Emotionalität, Intuition, freie Selbstentfaltung.
  2. ZIELE DER E-GRUPPEN
    1. E-Gruppen sind der Persönlichkeitsbildung dienende Begegnungs- und
      Arbeitskreise. Der Majuskel E weist auf
      die Zielsetzung hin: Entfaltung in angstfreiem sozialem Klima. In
      partnerschaftlicher Handreichung werden Selbsterkenntnis, Selbstentfaltung
      und zwischenmenschliches Verhalten gegenseitig gefördert.
    2. Die E-Gruppen dienen ausschliesslich ideellen Zwecken und streben keinen
      wirtschaftlichen Gewinn an.
    3. Die E-Gruppe will einen gesellschaftlichen Rahmen bieten, in dem die Einmaligkeit
      und Andersartigkeit eines jeden Einzelnen gelebt werden kann und akzeptiert
      wird. Keiner soll unter dem Druck stehen, sich durch Leistung bestätigen
      zu müssen und niemand muss sich fürchten, durch “falsches” Verhalten
      zum Aussenseiter zu werden. Hier kann und soll der einzelne so sein,
      wie er ist, und nicht, wie es von anderen erwartet wird. Hier hat
      er auch die Möglichkeit, mit neuen Verhaltensweisen zu experimentieren,
      die er sonst aus Angst unterdrückt. Die dabei entstehenden Probleme
      sind wiederum Uebungsgelegenheit beim Erlernen einer aufbauenden Konfliktbewältigung.
      So erwirbt sich das Gruppenmitglied die Fähigkeit, mit sich selbst
      und anderen umzugehen, ohne sie zu manipulieren oder sie an sich zu binden,
      sei es durch Autorität, Macht oder wirtschaftliche Abhängigkeit.
    4. Die Zielsetzung der E-Gruppen kann in drei Punkten zusammengefasst werden:
      • Sammlung neuer Erfahrungen mit der eigenen Person und mit dem eigenen Verhalten
        zur Förderung der Entwicklung der Persönlichkeit.
      • Uebung des zwischenmenschlichen Zusammenspiels, wie angstfrei und offen
        sein, Gefühle ausdrücken, so dass der einzelne sich seiner Bedürfnisse
        bewusster wird und lernt, sie besser zu befriedigen.
      • Uebung des konstruktiven Dialoges, der es erlaubt, Konflikte zu lösen
        und Störfaktoren im Gespräch sachlich zu verarbeiten.

      Zur Erreichung dieser Ziele widmet sich die E-Gruppe vor allem folgenden
      Aufgaben:

      • Durchführung von gruppendynamischen Uebungen und “Spielen”.
      • Besuch von bildenden Veranstaltungen, wie Vorträgen, Kursen, Seminaren.
      • Organisation von kulturellen und geselligen Meetings.
  3. DIE ORGANISATION DER E-GRUPPEN
    1. Die E-Gruppen sind eine Einrichtung des JUWI, Institut für Persönlichkeitsbildung,
      Steinhausen/Zug.
    2. Die Aktivitäten der E-Gruppen gliedern sich in zwei Formen:
      • E-Stamm: Der E-Stamm ist ein Anlass ohne fachmännische Führung.
        Die organisatorische und fachliche Leitung erfolgt ausschliesslich durch
        “informelle Führer” aus den eigenen Reihen, die sich jederzeit und
        den augenblicklichen Aufgaben und Zielen entsprechend abwechseln können.
      • E-Treffen: Das E-Treffen steht unter der Leitung von Jörg-Ulrich
        Wille. Es bezweckt einerseits die fachliche Betreuung der Gruppe
        bezüglich ihrer Arbeit an den E-Stämmen und andererseits die
        Vermittlung neuer theoretischer Impulse und Uebungsanregungen. An
        den E-Treffen wird pro Person ein Unkostenbeitrag von Fr. 9.00 (Fr. 7.00
        für Abonnenten der Monatsschrift “Selbstentfaltung”) erhoben.
    3. Die E-Gruppe ist kein Verein im Sinne von Art. 60 ff. des Schweizerischen
      Zivilgesetzbuches, sondern nach OR, Art. 530 ff., ein Personenzusammenschluss
      im Sinne einer einfachen Gesellschaft.
    4. Es werden keine Mitgliederbeiträge erhoben. Allfällig entstehende
      Unkosten werden nach Bedarf direkt unter den Mitgliedern aufgeteilt.
  4. MITGLIEDSCHAFT
    1. Die E-Gruppen stehen allen Personen offen, die an Persönlichkeitsbildung
      und praktischer Gruppenarbeit interessiert sind und die Bereitschaft haben,
      ihr eigenes Verhalten zu überprüfen und allenfalls zu korrigieren.
    2. Psychologische Vorkenntnisse sind nicht Bedingung, jedoch wird erwartet,
      dass der Teilnehmer bestrebt ist, die Grundlagen der E-Gruppenarbeit (siehe
      Ziffer 9 ff) zu beherzigen und sich in dieser neuen Begegnungsweise zu
      üben.
    3. Ein- und Austritt sind jederzeit und ohne Formalitäten möglich.
    4. E-Gruppen sind keine Therapiegruppen. Die Gruppenarbeit ist auf normalbelastbare
      Menschen ausgerichtet. Für Personen mit stärkeren psychischen
      Leiden sind die E-Gruppen ungeeignet und nicht zu empfehlen.
    5. Die Mitgliederzahl von E-Gruppen ist grundsätzlich an keine Grösse
      gebunden. Gruppen, die infolge einer zu grossen Zahl aktiver Teilnehmer
      in ihrer Funktionstüchtigkeit eingeschränkt werden, wird empfohlen,
      sich aufzuteilen und eine neue Gruppe zu gründen.
  5. DAS PUBLIKATIONSORGAN DER E-GRUPPEN
    1. Als Publikationsorgan dient die Monatsschrift “Selbstentfaltung”. Jede
      Gruppe hat die Möglichkeit, ihre Meldungen und Berichte in der “Selbstentfaltung”
      unentgeltlich zu publizieren.
    2. Darüber hinaus enthält das Heft unter dem Titel “Gedanken zur
      E-Gruppe” regelmässig Anregungen und Uebungsvorschläge, wie die
      Gruppenarbeit gestaltet werden kann. Vor allem Mitgliedern junger
      Gruppen sei diese Rubrik zur Lektüre empfohlen.
  6. D1E GRÜNDUNG EINER E-GRUPPE
    1. Die Gründung einer neuen E-Gruppe ist ein freier Willensakt mehrerer
      daran interessierter Personen.
    2. Die Gründung kann ohne oder mit fachlicher Unterstützung des
      JUWI erfolgen.
    3. Die fachliche Dienstleistung des JUWI bei einer Neugründung besteht
      in der Regel aus einem eintägigen Initialseminar (samstags) für
      die interessierten Teilnehmer (Kosten: Fr. 60.00/Person). Themen des Seminares
      sind die ethischen und kommunikationstheoretischen Grundlagen der E-Gruppenarbeit
      sowie organisatorische Fragen. Nach diesem Initialseminar beginnt die Gruppe
      ihre Arbeit gemäss Ziffer 3.2.
  7. AUFLÖSUNG EINER E-GRUPPE
    1. Eine E-Gruppe hat so lange Bestand, als es dem freien Willen ihrer Mitglieder
      entspricht.
    2. Die Gruppe kann jederzeit durch Beschluss ihrer Mitglieder aufgelöst
      werden.
  8. KONTAKTADRESSEN DER E-GRUPPEN


  9. Die Kontaktadressen der E-Gruppen können auf dem Sekretariat des
    JUWI eingeholt werden. Sie werden in jeder Ausgabe der Monatsschrift
    “Selbstentfaltung” dem jeweils neuesten Stand entsprechend publiziert.

    Was sollen wir tun?

    Einfach abwarten – oder:

    II . TEIL


    DIE GRUNDLAGEN DER E-GRUPPENARBEIT

  10. DREI SÄULEN
    1. Die Tätigkeit der E-Gruppen-Mitglieder basiert auf drei Säulen:
    2. 1. Säule

      Die Annahme der eigenen Wesensart

      Die Annahme der Andersartigkeit des anderen

      2. Säule

      Das konstruktive Feed-back-Verhalten

      3. Säule

      Das partnerzentrierte Gesprächsverhalten

    3. Die erste Säule beinhaltet die innere Grundhaltung des einzelnen Gruppenmitgliedes.
      Die zweite und dritte Säule stellen bestimmte Verhaltensund Kommunikationstechniken
      dar.
  11. DIE ANNAHME DER EIGENEN WESENSART
    1. Der Annahme der eigenen Wesensart liegt folgendes Denken zugrunde: Ich
      akzeptiere mich. Akzeptieren bedeutet nicht, alles an mir gutzuheissen,
      sondern den Tatsachen in die Augen zu schauen, ja dazu zu sagen, dass ich
      im Moment so bin, wie ich nun einmal bin, und dass ich mich mir (inklusive
      meinen Schattenseiten) wohlwollend zuwende. Nur so bin ich zu einer
      Arbeit an mir selbst fähig.
    2. Solange ich mich fassadenhaft verhalte, täusche ich meine Mitmenschen
      und mich selber. Das wird immer irgendwie sichtbar und spürbar.
      Ohne Echtheit bin ich unglaubwürdig und fühle mich unsicher.
      Meine zwischenmenschlichen Beziehungen leiden oder werden unmöglich.
      Will ich, dass meine Bezugspersonen Echtheit leben, muss ich diese Eigenschaft
      selber praktizieren. Ein anderer kann schwerlich echt werden, so
      lange ich das Gegenteil lebe.
    3. Zur Echtheit und Uebereinstimmung mit mir selber gehört auch, meine
      Begrenztheiten zu sehen und nicht zu überspielen.
  12. DIE ANNAHME DER ANDERSARTIGKEIT DES ANDERN
    1. Die Achtung vor der Gesamtperson des Mitmenschen ist der zweite Punkt der
      für die Gruppenarbeit notwendigen Grundhaltung. Er resultiert
      einerseits aus der Ehrfurcht vor der Schöpfung (ich, der andere, wir
      alle sind Teil der Schöpfung) und anderseits aus dem vitalen Bedürfnis
      des Menschen nach Anerkennung, Bejahung und Wertschätzung.
    2. Annahme und Wertschätzung des andern schafft eine Atmosphäre,
      in der Angst und Spannung und die daraus erwachsenden Aggressionen oder
      Fluchtgedanken abgebaut werden. Auch hier bedeutet Annahme nicht, alle
      Eigenschaften des Partners für gut zu befinden, sondern sich ihm zuzuwenden
      und sich mit ihm vertrauensvoll und wohlwollend auseinanderzusetzen.
      Es geht darum, den andern, ohne zu werten, in seiner Eigenart – das “Wunder
      der Andersartigkeit” (Martin Buber) – primär einmal zu verstehen.
  13. DAS KONSTRUKTIVE FEED-BACK-VERHALTEN
    1. Was heisst Feed-back?
    2. “Feed-back” ist ein amerikanischer Begriff aus der Kybernetik und bedeutet
      “Rückmeldung”. Uebertragen auf die Psychologie der Interaktionen
      wird mit Feed-back die Rückmeldung bezeichnet, die einem Kommunikationspartner
      anzeigt, wie sein Verhalten oder seine sprachliche Äusserung verstanden
      und erlebt wurden.

    3. Sinn und Zweck von Feed-back
      • Feed-back ist ein Kontrollinstrument im sozialen Bereich.
      • Feed-back ermöglicht es, in einer Beziehung Störungen aufzudecken,
        die durch das Verhalten der Partner verursacht werden.
      • Gesprächspartner erhalten durch Feed-back Informationen, die für
        die Entwicklung der Beziehung und für die Entwicklung der eigenen
        Persönlichkeit wichtig und hilfreich sein können. – Feed-back
        schafft ein Klima der Offenheit und fördert Verbundenheit und Vertrauen
        in einer zwischenmenschlichen Beziehung.
    4. Beispiel
    5. Stelle dir vor, du erlebst es häufiger, dass Menschen sich von
      dir abwenden und desinteressiert scheinen, wenn du zu reden beginnst.
      Stelle dir weiter vor, dass der Grund dafür deine ständigen Wiederholungen
      seien. Nur ein offenes Feed-back kann dir solche Informationen geben.
      Wenn dir niemand die abstossende Wirkung deines Verhaltens mitteilt, beziehst
      du die Reaktion der anderen vielleicht auf dein Aussehen, deine mangelnden
      Kenntnisse, oder du interpretierst diese Reaktionen nur als “die andern
      mögen mich nicht”. Ohne offenes, sachliches Feed-back hast du
      keine Möglichkeit, deine Erfahrungen realitätsgerecht zu verarbeiten.

    6. Systematik
    7. Destruktives Feed-back
    8. Destruktiv ist Feed-back dann, wenn wir – anstatt unsere Gefühle
      mitzuteilen – unseren Aerger indirekt ausdrücken mit Bewertungen,
      Verallgemeinerungen, Scheinfragen usw.

      Beispiele:

      • Bewertungen:”das ist doch Blödsinn”, “du spinnst ja”, “du glaubst
        ja selber nicht, was du sagst”.
      • Verallgemeinerungen: “Das tut man nicht.”
      • Scheinfragen: “Willst du diese Geschichte jetzt schon wieder erzählen?”

      Folgen:

      • Das Selbstwertgefühl des Partners wird verringert.
      • Der Partner baut Hemmungen auf.
      • Der Aerger wird verstärkt, obwohl es nicht unser Bedürfnis ist.
      • Im Streit werden unrichtige Behauptungen aufgestellt, die dem andern mehr
        schaden als nützen.
      • Die Summe solcher Erlebnisse führt dazu, dass wir lernen, “den Mund
        zu halten”.
      • Vertrauen und Verbundenheit werden zunehmend erschwert.
    9. Konstruktives Feed-back
    10. Wenn du Feed-back gibst, ist es wichtig, dass du auf die Form achtest,
      in der du es tust. Es ist schmerzlich genug zu erfahren, dass die
      Wirkung des eigenen Verhaltens anders ist, als man es sich vorgestellt
      hat. Vermeide eine unnötige Erhöhung dieses Schmerzes.
      Vermeide es, deinen Partner in eine unterlegene Position zu manövrieren.
      Du hast ein Problem mit ihm, und es ist dir wichtig, dieses Problem gemeinsam
      zu lösen. Dies ist aber nicht möglich, wenn du anklagst,
      befiehlst, verurteilst, beschimpfst, belehrst tisw.

    11. Die Regeln des konstruktiven Feed-back
      • Gib Feed-back, wenn der andere es auch aufnehmen kann. Achte darauf,
        ob dein Partner sich in einer Situation befindet, in der er ruhig zuhören
        kann, oder ob er innerlich stark mit anderen Dingen beschäftigt ist.
        Wenn dein Partner nicht aufnahmebereit ist, du selbst dich aber kaum zurückhalten
        kannst, dann mach kurz deinen Gefühlen Luft (direkte Form!) und erkläre,
        dass ein ausführlicheres Feed-back zu einer ruhigeren Stunde folgt.
      • Feed-back soll so ausführlich und konkret wie möglich sein.
        Feed-back ist keine Information, die man dem andern “vor die Füsse
        knallt”, oder die man schnell einmal am Telefon andeutet, um dann den Hörer
        aufzulegen. Feed-back ist der Anfang eines Dialoges, in dem man so
        ausführlich wie möglich die eigene Wahrnehmung, die eigenen Vermutungen
        und Gefühle mitteilt.
      • Teile deine Wahrnehmungen als Wahrnehmungen, deine Vermutungen als Vermutungen
        und deine Gefühle als Gefühle mit. Es ist für die
        zwischenmenschliche Beziehung gefährlich, wenn wir uns der wirklichen
        Qualität unseres Erlebens nicht bewusst sind und beispielsweise unsere
        eigenen Gefühle als Eigenschaften anderer wahrnehmen und sie indirekt
        (in Form von Bewertungen, Beschimpfungen usw.) ausdrücken.
      • Feed-back soll den anderen nicht analysieren. Sage, dass du es bist,
        den beispielsweise etwas stört. Wenn du das Verhalten und die
        Motive des anderen kritisierst, wird nicht genug deutlich, dass du ein Problem mit ihm hast. Spiele nicht Psychoanalytiker mit deinem
        Partner.
      • Feed-back soll auch positive Gefühle und Wahrnehmungen umfassen.
        Feed-back soll nicht nur dann erfolgen, wenn etwas schief gegangen ist.
        Es hat noch niemand an einem Lob gelitten, aber daran, dass er zuwenig
        erfahren hat, dass er positive Gefühle in anderen auslöst.
      • Feed-back soll umkehrbar sein. Was A zu B sagt, muss B auch zu A
        sagen können.
      • Feed-back soll sich auf konkretes Verhalten beziehen. Stemple deinen
        Partner nicht mit Eigenschaften ab. Gib nicht Feed-back über
        seine ganze Person. Du hast nur begrenztes Verhalten wahrgenommen,
        und das sollte in deinen Äusserungen deutlich werden. Feed-back
        ist leichter zu verarbeiten, wenn man merkt, dass nicht die ganze Person
        unangenehm wirkt, sondern nur eine bestimmte Verhaltensweise.
      • Feed-back soll möglichst unmittelbar erfolgen. Der Mensch kann
        besser lernen, wenn die Rückmeldung auf sein Verhalten sofort erfolgt.
        Ausserdem ist dann die Gefahr geringer, dass der Feed-back-Geber zu einem
        späteren Zeitpunkt einen ganzen “Sack” öffnet, in dem sich sein
        aufgestauter Aerger gesammelt hat.
      • Die Aufnahme von Feed-back ist dann am günstigsten, wenn der Partner
        es sich wünscht. Wenn der Partner selbst um Feed-back bittet,
        sind von vornherein beide Partner am Gespräch interessiert, und die
        Gefahr einer Abwehr verringert sich. Wenn der Partner nicht von selbst
        um Feed-back bittet, dann frage ihn, ob er dein Feed-back hören möchte.
        Meistens wird er neugierig sein und darum bitten, dass du ihm mitteilst,
        was dir wichtig ist.
      • Nimm Feed-back nur an, wenn du stimmungsmässig dazu in der Lage bist.
        Der Erfolg von Feed-back ist auch vom Feed-back-Empfänger abhängig.
        Wenn du ein Feed-back nicht hören willst, weil du glaubst, jetzt nicht
        sachlich darauf eingehen zu können, dann sage dies. Gib aber
        deinem Partner die Gelegenheit, sein Gefühl kurz loszuwerden, und
        schlage einen späteren Zeitpunkt für ein ausführliches Feed-back-Gespräch
        vor.
      • Wenn du Feed-back erhältst, höre ruhig zu! Wenn du sofort
        eine Gegenantwort gibst, hat der Feedback-Geber nicht das Gefühl,
        dass du ihm zugehört und ihn verstanden habest. Die Verarbeitung
        von Feed-back ist ein schwieriger Prozess, für den du Zeit brauchst.
        Darum höre zunächst gut zu. Frage nach, um Unverstandenes
        zu klären. Versuche nicht, sofort alles klarzustellen oder dich
        zu rechtfertigen.
      • Feed-back zu geben, bedeutet, Informationen zu geben, und nicht, den andern
        zu verändern. Feedback ist ein Impuls, durch den Veränderungen
        ausgelöst werden können. Die Art der Veränderung ist
        jedoch nicht vorbestimmt. Vielleicht ändern sich die Gefühle
        des Feed-back-Gebers, und er lernt, Verhalten zu akzeptieren, das ihn vorher
        gestört hat. Oder es ändert sich das Verhalten des Feed-back-Empfängers.
        Wenn du Feed-back nur mit der HofFnung gibst, dass der andere sein Verhalten
        ändere, wirst du günstige Veränderungen eher behindern.
      • “Ich” statt “Man” oder “Wir”: Sprich nicht per “Man” oder “Wir”, weil du
        dich hinter diesen Sätzen zu gut verstecken kannst und die Verantwortung
        nicht für das zu tragen brauchst, was du sagst. Zeige dich als
        Person und sprich per “Ich”. Ausserdem sprichst du in “Man”- oder “Wir”-Sätzen
        für andere mit, von denen du gar nicht weisst, ob sie das wünschen.
      • Eigene Meinungen bei Fragen: Wenn du eine Frage stellst, sage, warum du
        sie stellst. Auch Fragen sind oft eine Methode, sich und seine eigene Meinung
        nicht zu zeigen. Ausserdem können Fragen inquisitorisch wirken und
        den anderen in die Enge treiben. Aeusserst du aber deine Meinung,
        hat der andere es viel leichter, dir zu widersprechen oder sich deiner
        Meinung anzuschliessen.
      • Sprich direkt! Wenn du jemandem aus der Gruppe etwas mitteilen willst,
        sprich ihn direkt an und zeige ihm durch Blickkontakt, dass du ihn meinst.
        Sprich nicht über einen Dritten zu einem andern und sprich nicht zur
        Gruppe, wenn du eigentlich einen bestimmten Menschen meinst.
      • Störungen haben Vorrang. Unterbrich das Gespräch, wenn du nicht
        wirklich teilnehmen kannst, zum Beispiel wenn du gelangweilt, ärgerlich
        oder aus einem anderen Grund unkonzentriert bist. Ein “Abwesender”
        verliert nicht nur die Möglichkeit der Selbsterfüllung in der
        Gruppe, sondern er bedeutet auch einen Verlust für die ganze Gruppe.
        Wenn eine solche Störung behoben ist, wird das unterbrochene Gespräch
        entweder wieder aufgenommen werden oder einem wichtigeren Platz machen.
      • Wenn du willst, bitte um ein “Blitzlicht”. Wenn dir die Situation in der
        Gruppe nicht mehr transparent ist, dann äussere zunächst deine
        Störung und bitte dann die anderen Gruppenmitglieder, der Reihe nach
        auch kurz (“Blitzlicht”) ihre momentanen Gefühle zu schildern.
      • Experimentiere mit dir! Frage dich immer, ob du dich auf deine Art verhältst,
        weil du es wirklich willst. Oder möchtest du dich eigentlich
        anders verhalten, tust es aber nicht, weil dir das Angst macht. Versuche
        öfter neues Verhalten auszuprobieren, und riskiere das kleine aufgeregte
        körperliche Kribbeln dabei. Dieses Kribbeln ist ein guter Anzeiger
        dafür, dass du für dich ungewohntes und neues Verhalten ausprobierst.
      • Sei dein eigener Herr und Meister! Bestimme selbst, was du sagen
        willst. Versuche das zu geben und zu empfangen, was du selbst geben
        und erhalten willst. Sei dein eigener Herr und Meister, und richte
        dich nach deinen Bedürfnissen. Du brauchst dich nicht zu fragen,
        ob das, was du willst, den andern Gruppenmitgliedern gefällt oder
        nicht gefällt. Sag einfach, was du willst. Die andern
        Gruppenmitglieder sind auch ihre eigenen Herren und Meister und werden
        dir schon mitteilen, wenn sie etwas anders wollen als du.
    12. Positives und negatives Feed-back
      • Positives Feed-back (“Mir gefällt an dir…”) legt die Gefühle
        der Zuneigung und Freude offen und macht die gegenseitigem Uebereinstimmungen
        transparent.
      • Negatives Feed-back (“Mir missfällt an dir…”) deckt Störungen,
        Missverständnisse und unterschiedliche Sichtweisen auf und macht sie
        damit einer gemeinsamen Bearbeitung und Veränderung zugänglich.
    13. Aufforderung
      • Löst das Verhalten eines E-Gruppenmitgliedes angenehme oder unangenehme
        Gefühle bei dir aus, so teile ihm diese Gefühle mit. Friss
        die unangenehmen Gefühle nicht in dich hinein, und beklage dich nicht
        bei einem Dritten. Sprich direkt mit dem Betreffenden darüber und
        versuche, dein Problem mit ihm zu klären.
      • Bist du unsicher darüber, wie du auf einen andern wirkst, so frage
        ihn danach. Es ist besser, aktiv um ein Feed-back zu bitten, als zu warten,
        bis der andere ungebeten den Mut dazu hat. Du würdest oft vergeblich
        warten.
  14. DAS PARTNERZENTRIERTE GESPRÄCHSVERHALTEN
    1. Ziel
    2. Das partnerzentrierte Gespräch ist eine Hilfe zur Selbsthilfe.
      Die beste Hilfe für einen andern Menschen ist es, ihn zu befähigen,
      sich selbst helfen zu können. Bei dieser Art von Hilfe stehen
      wir dem andern bei und unterstützen ihn, wenn er versucht, sein Problem
      zu lösen. Wir ermuntern ihn, alle seine Gefühle und Gedanken
      zu äussern, die er mit dem Problem verbindet. Diese werden ihm
      häufig nicht so klar und deutlich, wenn er sie nicht einem anderen
      anvertrauen kann und allein über das Problem nachdenken muss.
      Wir ermuntern ihn, selbständig Lösungsmöglichkeiten zu erwägen,
      bieten vielleicht selbst unsere Vorstellungen darüber an, überlassen
      aber dem Gesprächspartner die Entscheidung, welche Lösung für
      ihn und seine Situation die richtige ist. Wir drängen ihn auch
      nicht zu einer Entscheidung, sondern warten, bis für ihn der Zeitpunkt
      gekommen ist, Veränderungen vorzunehmen und vermitteln ihm dieses
      Vertrauen in seine Fähigkeit.

    3. Die innere Einstellung im partnerzentrierten Gespräch
      • Die Bereitschaft, auf den anderen einzugehen: Zuhören. Sein eigenes
        Mitteilungsbedürfnis zurückstellen. Gedanken auf den Partner
        einstellen.
      • Die Bereitschaft, die Empfindungen des anderen zu verstehen: Die Empfindungen
        heraushören, die den anderen zu seinen Ausführungen bewegen.
        Die Gefühle, die hinter den Aeusserungen des anderen stehen, aussprechen.
      • Die Bereitschaft, die Empfindungen des anderen zu akzeptieren: Den anderen
        als Person mit seinen Problemen und Empfindungen ernst nehmen. Keine eigenen
        Werturteile fällen; sie sind dem anderen weder eine Hilfe, noch verändern
        sie seine Gefühle; sie hemmen lediglich seine Bereitschaft, zu diesen
        seinen Gefühlen zu stehen und sie zu äussern.
      • Geduld: Nicht ungeduldig und unruhig werden, wenn der Gesprächspartner
        nicht sofort sein Problem löst. Für den, der nicht alle
        seine Gedanken, Gefühle und Widerstände gegen eine Lösung
        des Problems hat lösen können, ist die Zeit noch nicht reif.
        Die Lösung von Problemen dauert meistens längere Zeit und erfordert
        mehr als ein einziges Gespräch.
    4. Fördernde und hemmende Reaktionen
    5. Fördernde Reaktionsweisen sind alle Reaktionen, die dem Gesprächspartner
      zeigen,

      • dass seine Gefühle und Gedanken verstanden, akzeptiert und nicht wertend
        aufgenommen werden;
      • dass man aktiv am Gespräch beteiligt ist;
      • dass man selbst offen seine eigenen Gedanken und Gefühle mitteilt.

      Beispiele:

      • Aktives, aufmerksames und akzeptierendes Zuhören: Nicht passiv schweigen.
        Engagiert zuhören.
      • Paraphrasieren: Den Inhalt der Aussage des Gesprächspartners mit den
        eigenen Worten und in fragendem Ton wiederholen, um sicherzugehen, dass
        man richtig verstanden hat.
      • Verbalisieren der gefühlsmässigen Erlebnisinhalte: Dem Gesprächspartner
        mitteilen, welche Gefühle man aus seinen Aeusserungen heraushört
        (den Gefühlsinhalt paraphrasieren).
      • Wahrnehmungsüberprüfung: Dem Gesprächspartner sagen, wie
        man sein Verhalten hier und jetzt wahrnimmt und fragen, ob die darauf beruhenden
        Vermutungen zutreffen. (“Ich habe den Eindruck, dass du jetzt aufgeregt
        bist – stimmt das?”)
      • Informationssuche: Fragen stellen, die sich auf das beziehen, was der Gesprächspartner
        geäussert hat.
      • Mitteilung der eigenen Gefühle: Sagen, was man selbst in bezug auf
        das besprochene Problem und den Gesprächspartner fühlt (Feed-back).



      Hindernde Reaktionsweisen sind alle Reaktionen, die

      • dem Gesprächspartner seine Gefühle nehmen, d.h. ihm vermitteln,
        dass er diese Gefühle gar nicht haben und äussern dürfte;
      • dem Gesprächspartner Gefühle der Unterlegenheit und Bedeutungslosigkeit
        geben; – dem Gesprächspartner zeigen, dass man ihm nicht zutraut,
        dass er selbst eine Lösung für sein Problem finden wird.



      Beispiele:

      • Themawechsel ohne Begründung: Dies ist für den Gesprächspartner
        ein Zeichen, dass man an seinen Aeusserungen nicht interessiert ist.
      • Abbruch des Augenkontaktes: Gemeint ist die optische Beschäftigung
        mit anderen Menschen oder Dingen, nicht das Wegschauen, damit sich der
        Gesprächspartner beim Nachdenken besser konzentrieren kann.
      • Interpretationen: Mit Belehrungen wie “das tust du, weil…” spielt man
        sich als Psychologe auf, der schon weiss, was mit dem anderen los ist.
      • Ratschläge und Ueberredungen: Befehle und Aufforderungen vermitteln
        dem Gesprächspartner das Gefühl der Unterlegenheit und des Versagens.
        Man entmündigt ihn und gibt sich als Vormund. Hilfreich kann
        es dagegen sein zu erwähnen, wie man selbst solch ein Problem einmal
        gelöst hat oder lösen würde.
      • Verneinung der Gefühle: Hemmend wirken sich Aeusserungen aus wie:
        “Du hast gar keinen Grund, solche Gefühle zu haben!”, Du solltest
        aber anders fühlen und denken!” oder auch das gut gemeinte “Du brauchst
        gar keine Angst zu haben!”. Als Reaktion wird der Gesprächspartner
        seine Gefühle unterdrücken oder Scheingründe suchen, damit
        seine Gefühle eine Berechtigung erhalten. Er muss dann seine
        Zeit und Kraft dafür einsetzen, seine Gefühle zu rechtfertigen,
        anstatt diese Kraft für die Klärung und Lösung des Problems
        zur Verfügung zu haben.
      • Emotionale Verpflichtungen: Aeusserungen wie:
      • “Wie kannst du nur so schlecht denken?” erzeugen beim Gesprächspartner
        Scham- und Minderwertigkeitsgefühle, und er wird nicht mehr offen
        sagen, was er denkt und fühlt.
      • Die Benutzung der offenen Aeusserungen als Kampfmittel: Wer vertrauliche
        Informationen eines Gesprächspartners später gegen diesen verwendet,
        erschüttert das Vertrauen, und der andere wird sich nicht mehr offen
        äussern können.
    6. Die drei Stufen des partnerzentrierten Gespräches
    7. Stufe I: Das verständnisvolle Zuhören

      • Das verständnisvolle Zuhören schafft ein Klima der Verbundenheit
        und des Vertrauens und gibt dem anderen die Möglichkeit, sich auszusprechen.
        Es gibt ihm Gelegenheit, sich selbst klarer zu werden über die Gefühle
        und Empfindungen, die ihn beschäftigen. Die Verarbeitung unbewältigter
        Probleme im Gespräch mit einem anderen Menschen ist jedoch nur dann
        möglich, wenn der Sprecher das Gefühl vermittelt bekommt: Ich
        werde verstanden. Ich werde nicht bewertend, sondern akzeptierend
        angehört. Mein Partner ist an meinen Gefühlen und Gedanken
        interessiert.
      • Man kann dem Gesprächspartner noch mehr helfen, wenn man ihn ab und
        zu zum weiteren Ausdruck seiner Gefühle und Gedanken auffordert, z.B.
        durch Sätze wie: Magst du mir mehr darüber erzählen?
        Wollen wir an dem Punkt weitersprechen? Wenn du mir das erzählst,
        verstehe ich noch nicht genau, was du dabei eigentlich gefühlt hast.
        Ich möchte gerne wissen, was in dir vorgegangen ist, als… Das habe
        ich noch nicht vollständig verstanden. Schiess mal los!
        Da bin ich neugierig. Ich würde gern mehr darüber hören.
        Usw.



      Stufe II: Das fragende Paraphrasieren

      • Paraphrasieren heisst, die Aeusserungen des Gesprächspartners in eigenen
        Worten der verstandenen Bedeutung nach zu wiederholen. Man prüft
        damit, ob man richtig verstanden hat, und der Gesprächspartner erhält
        die Möglichkeit, den Faden seiner Erläuterungen dort weiterzuspinnen,
        wo er unterbrochen hat und damit seine Gedanken und Gefühle noch deutlicher
        wahrzunehmen und auszudrücken. Ausserdem bemerkt er, wie aktiv und
        engagiert seinen Schilderungen gefolgt wird.
      • Paraphrasieren heisst nicht, die Aeusserungen des anderen “nachzuplappern”,
        sondern ihren Inhalt mit eigenen Worten und in fragendem Ton zu wiederholen.



      Stufe III: Das fragende Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte

      • Anders als beim Paraphrasieren, wird hier nicht der Inhalt der Aussage,
        sondern werden die dahinter stehenden Gefühle wiedergegeben.
        Man hilft dem Gesprächspartner, indirekt ausgedrückte Gefühle
        besser zu erkennen, indem man die indirekten Aeusserungen in direkte übersetzt.
      • Beispiel: A sagt mit wütender Stimme: “Wieso hat er eigentlich ein
        Recht, mir mein Gehalt zu kürzen?” Wenn B nun zeigt, welche Gefühle
        er herausgehört hat, dann werden A die eigenen Einpfindungen noch
        deutlicher, und das hilft ihm weiterzudenken. B kann beispielsweise sagen:
        “Du scheinst empört zu sein, ist das so?” oder: “Mir scheint, du fühlst
        dich ungerecht behandelt.”
      • Das Verbalisieren von Gefühlen ist nur dann hilfreich, wenn die Atmosphäre
        entspannt und akzeptierend ist. Erst dann können die eigenen
        Gefühle angenommen werden. Denn die Konfrontation mit den eigenen
        Gefühlen ist häufig mit Angst verbunden, und diese verringert
        sich nur in einer gelösten Atmosphäre.
      • Reagiert der Gesprächspartner häufig abwehrend auf die Verbalisierung
        seiner Gefühle, dann ist es günstiger, wieder zu Stufe Il oder
        I zurückzukehren.