(GTA) Kürzlich wurde ich mit dem Vorwurf konfrontiert, intolerant zu sein. Nicht weil ich jemandem irgendwas verboten hätte; nein, ich hatte lediglich meine Vorliebe für Evergreens bekundet und mich skeptisch mit gewissen modernen Musikrichtungen auseinandergesetzt.

Nach anfänglicher Betroffenheit habe ich mich der Kritik gestellt und bin zum Schluss gekommen, dass ich tatsächlich intolerant bin, nicht nur in geschmacklichen Dingen. Ich habe absolut kein Verständnis für vieles, was unter dem Deckmantel der sogenannten Toleranz geduldet wird, oft aus taktischen Gründen, Gleichgültigkeit oder mangelndem Mut, selten aus tiefer Überzeugung.

Zum Beispiel mag ich keine Diskriminierung, unter welcher Flagge sie auch immer kursiert. Ich mag auch keine Denkverbote, ob sie nun aus Rom, Washington oder Peking kommen. Und noch weniger „Musikgehör“ habe ich für Opportunisten, Prediger und Volkstribunen, die den Menschen die Lebensfreude nehmen und die kommende Apokalypse beschwören.

Was droht uns denn wirklich, frage ich mich angesichts der aktuellsten Horrorszenarien, effektvoll illustriert mit Bildern der planetaren Zerstörung: hurrikanverwüstete Städte, zerbombte Ferienparadiese, elende Favelas, Sodom und Gomorra, leere AHV-Kassen und Minarette in Willisau? Am Ende stehen wir alle vor dem Nichts: als Individuen sind wir geboren, um zu sterben, als Zivilisation wie vor uns Ägypter oder Etrusker dem Untergang geweiht. In ein paar Milliarden Jahren wird die Sonne erkalten, da hilft auch keine hausgemachte Erwärmung! Unter diesen Voraussetzungen verlieren viele „drängende Probleme“ unserer Zeit an Brisanz. Natürlich ist es schade um jedes traditionsreiche Unternehmen, das vor dem Aus steht. Viel trauriger ist jedoch die Bankrotterklärung des Abendlandes, das sich den islamistischen Fanatikern beugt und sich Karikaturen verbietet, über die Sharia debattiert und die Forschung auf den zukunftsweisenden Gebieten gängeln will. Wieso empören wir uns über die bauchfreien Outfits unserer Mädchen, während wir Shador und Burka auf den Boulevards, wo einst um „Liberté, Egalité, Fraternité“ gerungen wurde, als Zeichen für ein harmonisches Nebeneinander der Kulturen begrüssen? Das Artensterben in der Natur soll unbesehen verhindert werden, doch für die Erhaltung der Meinungsvielfalt wird kaum eine Lanze gebrochen. In Zeiten der political correctness ist es fast schon ein Sakrileg, wenn die „Wahrheit“ des Al Gores angezweifelt wird. Als grober Fauxpas gilt bereits das Mahnen gegen die schleichende Bevormundung durch Staat, Trend Makers und Kirche. Heilige Kühe weiden auch hierzulande, nicht nur am Ganges.

Wir sollten uns zuerst um das geistige Klima kümmern, bevor wir uns am meteorologischen versuchen: es wird konsumiert statt studiert, falsche Propheten haben das beste Marketing, Besonnenheit und Optimismus verkaufen sich schlecht. Bewahren statt erneuern, allenfalls rezyklieren und kopieren, in Kunst, Politik, Gesellschaft. Im Westen nichts Neues, titelte schon Erich Maria Remarque 1929. Und auch aus dem Norden erreichen uns irritierende Nachrichten. Wenn sich eine unbeholfene Autorin gegen den emanzipierten Mainstream stellt und im Vokabular vergreift, indem sie die „Familienfreundlichkeit“ der dunklen NS-Diktatur lobt, wird ihr von der neuen Inquisition, sprich den Medien, der Hexenprozess gemacht. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber fordert passend dazu, dass Gotteslästerung künftig schärfer zu bestrafen und per Gesetz auch das blosse Spotten über religiöse Inhalte zu verbieten sei.

Die Klasse unseres Sohnes nimmt gerade das Mittelalter durch. Wie staunen die Kinder doch über diese düstere Epoche, als die Erde noch platt war, die Pest wütete und das Regieren wenigen Auserwählten vorbehalten, das Wissen streng gehütet und selbständiges Denken und Handeln für die einfachen Leute schier unmöglich, ja gar gefährlich waren. Wir freuen uns zusammen darüber, dass wir im Dritten Millennium angelangt sind, geimpft werden und vielleicht einmal zum Mars fliegen. Wir leiden mit Galileo und können nur erahnen, gegen welche Mächte ein neugieriger, ungezähmter Geist noch in der Renaissance zu kämpfen hatte.

Der Wahlherbst rückt näher. Samstags stehen Kandidaten und ihre Helfer an Ständen und werben für ihr Ansinnen, meist mit populistischen Parolen, links wie rechts. Unzählige Unterschriftsbögen werden uns entgegengestreckt, mal „anti“, mal „pro“. Was wir vermissen ist ein klares Bekenntnis zur Vernunft. Die Ideale der Aufklärung werden ausgehöhlt und münden zunehmend in ein verantwortungsloses „Laissez-faire“. Papst Benedikt XVI verdammte zu Recht die Unsitte, alles im Namen des Relativismus zu tolerieren. Es gibt Errungenschaften und Werte wie Würde und Freiheit, die nicht verhandelbar sind. Unterdessen tritt die CDU dafür ein, Kruzifixe in allen Schulen und Gerichten anzubringen. Generalsekretär Pofalla bekräftigte: „Als Partei, die das Christliche im Namen trägt, wollen wir, dass das Bekenntnis zum Christentum im öffentlichen Raum erhalten bleibt.“ Ich hoffe inständig, dass dieser nicht nur zur rauch- sondern letzlich auch zur dogmafreien Zone erklärt wird. Es wäre nämlich schwierig meinem Jungen zu erklären, warum in deutschen Schulstuben statt des stolzen liberalen Volksliedes „Die Gedanken sind frei“ wieder barocke Choräle erklingen sollen.