von Ueli Maurer, Bundesrat, Wernetshausen

In jedem Land besteht die Wirtschaft aus drei Produktionsfaktoren: Boden, Kapital und Arbeit. In modernen, hochentwickelten Volkswirtschaften kommt das Know-how hinzu. Und gewisse Ökonomen nennen jeweils auch noch die Energie. All diese Faktoren sind notwendig, damit eine Wirtschaft Güter produzieren und Dienst­leistungen erbringen kann.

Das freie Zusammenspiel dieser Wirtschaftsfaktoren nennt man Marktwirtschaft. Ihr haben wir unseren grossen Wohlstand in der Schweiz zu verdanken. Seit ich in der Politik bin, setze ich mich dafür ein, dass der Staat möglichst wenig in den Markt eingreift.

Allerdings ist es nicht so, dass ein Staat gar nie eingreifen darf. Sonst wäre er ja überflüssig. Auch der liberale Staat muss tätig werden, wenn Entwicklungen aus dem Ruder laufen. Denn wenn er bei offensichtlichen Auswüchsen und Missständen nicht handelt, lässt er seine Bürgerinnen und Bürger im Stich.

Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Produktionsfaktoren verloren geht. Denken wir an den Boden. In unserem kleinen Land ist dieser knapp und braucht schon lange unseren speziellen Schutz. Wir haben Zonenordnungen, damit unser schönes Land zumindest nicht ganz planlos zubetoniert wird. Wir haben das bäuerliche Bodenrecht zum Schutz der Landwirtschaft. Und wir haben Einschränkungen für den Immobilien­erwerb durch Ausländer. All diese Massnahmen sind für uns selbst­verständlich; sie gelten allgemein als dringend notwendig und sind sogar über die politischen Lager hinweg weitgehend unbestritten.

Oder denken wir an den Produkt­ionsfaktor Kapital: Der Bund wird von unserer Verfassung zu einer Konjunkturpolitik verpflichtet. Und die Nationalbank betreibt Geld- und Währungspolitik. Momentan gehört es zu ihren wichtigsten Aufgaben, den massiven Zustrom von fremdem Kapital aus dem Ausland zu begrenzen. Niemandem käme es in den Sinn, unsere Nationalbank abzuschaffen und auf unsere Eigenständigkeit in diesem Gebiet zu verzichten.

Nicht anders bei der Energie. Auch hier gibt die Verfassung Vorgaben, um die Entwicklung zu steuern. Sogar beim Know-how sorgt der Bund unter anderem mit dem Patent-, Urheber- und Markenrecht für Schranken und geordnete Verhältnisse.

Wie aber sieht es beim Produktions­faktor Arbeit aus? Die Schweiz erlebte in den letzten Jahren eine unglaublich starke, ungesteuerte Zuwanderung. Dadurch ist das eingespielte Gleich­gewicht ver­loren gegangen. Löhne entwickeln sich nur schwach oder ­stagnieren; gleichzeitig steigen die Immo­bilienpreise und die Mieten. Für viele ist das schon bei guter Konjunktur eine schwierige Situation. In einer Krise dagegen wird daraus sozialer und wirtschaftlicher Sprengstoff.

Meiner Meinung nach darf eine verantwortungsvolle Politik Entwicklungen nicht eskalieren lassen. Für unser Land ist es wichtig, dass sich die verschiedenen Produk­tionsfaktoren im Gleichgewicht befinden. Ist das nicht der Fall, sollte man rechtzeitig und massvoll eingreifen. Nur so können sozialer Friede, Stabilität, Wohlstand und Lebensqualität auf Dauer gewahrt werden.

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